Es ist immer das Wetter, auf das sich die Veranstalter ausreden, wenn die Besucherzahlen nicht ganz so gut waren, wie man es ursprünglich erhofft hatte: Regnet es, dann wurden die Leute "vom schlechten Wetter vom Messebesuch abgehalten". Aber auch mit Sonnenschein geben sich die Veranstalter nicht immer zufrieden: In Genf war es nämlich das "milde Frühlingswetter", das für Besucherschwund sorgte. Anstelle der rund 690.000Besucher wie im Vorjahr kamen heuer um 20.000 weniger.

Sie sahen, dass das Auto nichts von seiner Attraktivität eingebüßt hat. Auch im Zeitalter der elektronischen Medien will es befühlt, bestaunt und Probe gesessen werden -und das kann man am einfachsten auf einem Salon (später natürlich bei einem Händler).

Viele Interviews mit Top-Managern

Das Team von AUTO&Wirtschaft nützte den Autosalon nicht nur für unzählige Gespräche mit den Vertretern der österreichischen Kfz-Branche, sondern auch für Interviews mit hochrangigen Managern von Autoherstellern und Zulieferern wie beispielsweise Prof. Ulrich Hackenberg, Technikvorstand von Audi. Seiner Meinung nach ergebenreine Elektroautos, wie sie derzeit beispielsweise BMW mit dem i3 anbietet, für Audi keinen Sinn: "Aber wenn die Kapazität der Batterien besser wird und die Reichweite steigt, ist das natürlich auch für uns ein Thema." Bis dahin könnte, so die Hoffnung von Hackenberg, auch die Infrastruktur für Elektroautos in wichtigen Märkten wie Deutschland und China verbessert werden.

"Neuwagenlieferung bis Ende 2015"

Dr. Thomas Sedran kann die Entscheidung, den Vertrieb von Chevrolet in West-und Zentraleuropa einzustellen, gut begründen: Die Qualität und der Aufwand, die Modelle den europäischen Vorschriften anzupassen, seien auf Mainstream-Niveau gelegen. Die Preisbereitschaft der Kunden lag aber darunter. Wie Sedran betont, soll jeder Händler bis Ende 2015 alle Modelle bestellen können, wenn auch nicht zu den Sonderkonditionen, die zu Jahresbeginn 2014 galten. Cadillac soll eine globale Luxusmarke werden und das Internet im Vertrieb eine wesentliche Rolle spielen.

"Profitable Geschäfte"

"Während ein Markteinbruch oft nicht länger als 18 Monate dauert, nimmt die Erholung 5 bis 7 Jahre in Anspruch" sieht Roelant de Waard, Vice President für Marketing, Vertrieb und Service bei Ford of Europe, keine rasche Besserung am europäischen Automarkt. Vor diesem Hintergrund setzt er auf einekonsequente Ertragsorientierung. 2013 seien zwar die Absatzzahlen der Marke ähnlich stark gesunken wie der Gesamtmarkt, dafür habe man den Marktanteil im Privatkundengeschäft um einen Prozentpunkt verbessern können: "Wir haben einerseits verstärkt Privatpersonen und Flottenbetreiber, die ihre Fahrzeuge mindestens 2 bis 3 Jahre lang nutzen, ins Visier genommen. Andererseits haben wir uns bei typischen volumensteigernden Maßnahmen wie Mietwagenverkäufen oder Vorführfahrzeugen zurückgehalten. Das hat uns geholfen, die Margen zu verbessern."

Unterstützt von Modelleinführungen wie dem überarbeiteten Focus oder dem neuen Mondeo, will de Waard diese Politik heuer fortsetzen. Gleichzeitig kommt im 3. Quartal mit dem C-Max Plugin Hybrid das erste derartige Auto von Ford auf den Markt.

Aufsteiger aus Fernost

Mit einem Marktwachstum von 1 bis 2 Prozent rechnet heuer Michael Cole, Chief Operating Officer von Kia Europe. Vor diesem Hintergrund soll die erfolgreiche Entwicklung der vergangenen Jahre fortgesetzt werden: "Wir sind sehr zufrieden damit, dass wir unseren europäischen Marktanteil in den letzten 5 Jahren von 1,7 auf 2,7 Prozent ausbauen konnten - und das während der schlimmsten Wirtschaftskrise der letzten 20 Jahre." 2014 strebt Cole eine neuerliche Absatzsteigerung von 339.000 auf 360.000 Einheiten an. Mindestens 10.000 Stück sollen dabei auf den neuenSoul entfallen, weitere 25.000 bis 30.000 Verkäufe soll die seit einem guten halben Jahr verfügbare zweite Generation des Carens einbringen.

Während manche europäische Hersteller nach wie vor mit Überkapazitäten kämpfen, plagen Kia genau gegensätzliche Sorgen: Die beiden europäischen Werke des Konzerns nähern sich trotz des Dreischichtbetriebs ihrer Kapazitätsgrenze. "Pläne für zusätzliche Kapazitäten in Europa gibt es derzeit noch nicht, aber irgendwann werden wir zweifellos darüber nachdenken müssen", sagt Cole.

Führungsanspruch in Europa

"Ein sehr gemischtes Bild aus funktionierenden und nicht funktionierenden Märkten" hat Andy Palmer, Executive Vice President von Nissan, bei seiner Betrachtung des weltweiten Automarktes vor Augen. Er strebt heuer eine weitere Absatzsteigerung von 4,8 auf rund 5,2 Millionen Autos an. In Europa erwartet er, dass sich das Wachstum des Bruttosozialprodukts von zuletzt 0,5 Prozent auf 1 Prozent verbessern wird und parallel ein sanfter Aufschwung im Automobilgeschäft Einzug hält: "Der Pkw-Markt wird heuer wahrscheinlich auf das Niveau von 2012 zurückkehren, doch die weitere Erholung wird noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen."

Nissan habe sich schon in den vergangenen Jahren "gegen den Strom" entwickelt, unterstreicht Palmer: "Angesichts der Einführung des neuen Qashqai, des Facelifts beim Juke sowie einiger weiterer bevorstehender Modellstarts gehe ich davon aus, dass wir bald wieder die stärkste asiatische Marke in Europa sein werden. Diese Position hatten wir schon einmal inne, diese Position steht uns auch zu." Kein Thema sei dagegendie Einführung der "Günstigmarke" Datsun auf westlichen Märkten.

Peugeot sieht sich auf gutem Weg zum Erfolg

Laurent Blanchet, Direktor der Produktreihe Peugeot im PSA-Konzern, sieht die in den vergangenen Jahren arg gebeutelte französische Marke wieder auf einem guten Weg: "Dazu trägt auch der sehr gute Anlauf des neuen 308 bei, wo die Verkäufe von Monat zu Monat steigen." Aber auch die übrigen Modelle -wie beispielsweise das kleine SUV namens 2008 -würden sich sehr gut verkaufen, so Blanchet. "Und beim 208 sind wir die Nummer 3 in diesem Segment." Ob auch die nächste Generation des Sportwagens RCZ bei Magna-Steyr in Graz gebaut wird, wollte Blanchet nicht beantworten.

Umgekehrte Vorzeichen

In den vergangenen Jahren haben viele Autohersteller auf den "Emerging Markets" ihre schwächelnden Geschäfte in Europa ausgeglichen. Dieser Trend könnte sich nun umkehren, meint Jerome Stoll, Chief Performance Officer sowie Verkaufs-und Marketingdirektor von Renault: "Die vergangenen Monate haben uns gezeigt, dass sich die Nachfrage in Europa wieder positiv entwickelt. Bei unserer ursprünglich stabilen Einschätzung für die Emerging Markets sind wir uns dagegen nicht mehr so sicher. Was derzeit in Russland, Argentinien oder der Türkei passiert, macht Vorhersagen sehr schwierig." Verlass scheint einzig auf China zu sein, wo Stoll nach wie vor mit einem kontinuierlichen Marktwachstum rechnet. Um davon zu profitieren, wird gemeinsam mit dem chinesischen Partner Dongfeng ein neues Werk errichtet. Dieses soll Mitte 2016 in Betrieb gehen und im Folgejahr bereits 150.000 Fahrzeuge herstellen. Langfristig wollen die Franzosen im Reich der Mitte pro Jahr sogar 650.000 Autos absetzen.

Zurück nach Europa: Hier setzt Renault heuer ganz auf den neuen Twingo, der mit Heckmotor und Hinterradantrieb Konventionen im Kleinwagensegment in Frage stellt. "Mit der dritten Generation sind wir wieder dort, wo wir beim ersten Twingo waren -echte Innovationen und außerordentliches Design", freutsich Stoll, der von einem "Eroberungsauto" mit besonders großem Potenzial bei jugendlichen und weiblichen Kunden spricht. Kein Wunder, dass der fesche Kleinwagen in Genf eine der am meisten beachteten Neuheiten war.

Toyota will emotionalere Fahrzeuge bauen

Eine Verstärkung der Online-Aktivitäten -stets unter Beteiligung der Händler -und der Emotionalität der Fahrzeuge kündigte Karl Schlicht, Executive Vice President von Toyota Motor Europe, an: Stand Toyota in der Vergangenheit für hochqualitative, verlässliche Autos, bei denen Emotion eine untergeordnete Rolle spielte, so bereitet sich der Hersteller quer durch das Programm bereits vor, um im nächsten Jahrzehnt mit emotionaleren Autos auf dem Markt zu reüssieren: Die Produkte werden sich punkto Komfort, Fahrdynamik, Lenkverhalten, Sitzposition und Design teilweise sofort, beziehungsweise mit derneuen Plattform-Strategie, verändern.

Auf dem Weg zur Nummer eins

Als "am schnellsten wachsende Premiummarke" soll Mercedes-Benz bis 2020 die deutsche Konkurrenzüberrunden, unterstreicht Dr. Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender von Daimler. Um die Marktführerschaft bei Stückzahlen und Renditen zu erreichen, müssen die Stuttgarter freilich vor allem in China noch Boden gut machen. "Produktionsseitig entsteht in China derzeit eine Werksstruktur, die sichim Bezug auf Fläche und Ausbringung mit einer Kombination von Sindelfingen und Untertürkheim vergleichen lässt. Absatzseitig sind wir erfreulicherweise dabei, mehr Dynamik zu entwickeln, wenngleich wir noch deutlich vom Volumen unserer Mitbewerber entfernt sind", so Zetsche in Genf.

Die Aufwärtsentwicklung von Mercedes-Benz, die aktuell vor allem von den Kompaktmodellen getrieben wird, soll mit den Generationswechseln bei S-und C-Klasse fortgesetzt werden. Große Erwartungen setzt Zetsche darüber hinaus in das Carsharing: "Wir sind heute mit smart in 25 Städten und haben über 600.000 Kunden. Wir glauben, dass sich das bis zum Jahresende dramatisch schnell in eine Größenordnung von 1 Million Kunden entwickeln wird." Am Ende des Jahrzehnts soll allein in diesem Geschäftsbereich ein Umsatz von rund 800 Millionen Euro erwirtschaftet werden.

Frühling in Rüsselsheim

Die Zeiten, in denen Opel um dasÜberleben kämpfen musste, sind vorbei. Unter dem seit rund einem Jahr amtierenden Vorstandsvorsitzenden Dr. Karl-Thomas Neumann stehen die Zeichen wieder auf Wachstum: "Wir haben 2013 zum ersten Mal seit 14 Jahren keinen Marktanteil verloren. Das ist sehr wichtig -auch für unsere Mitarbeiter, diegesehen haben, dass man nicht immer nur verlieren muss, sondern auch kämpfen und gewinnen kann. Unsere Händler sehen Opel mittlerweile ebenfalls mit anderen Augen."

Neumann zeigt sich zuversichtlich, Opel bis 2016 in die schwarzen Zahlen führen zu können. Für die Zeit danach steckt er sich noch ehrgeizigere Ziele: "Unser Anspruch für 2022 lautet, nicht mehr der drittgrößte Automobilhersteller in Europa zu sein, sondern der zweitgrößte." Dass General Motors das konkurrierende Fabrikat Chevrolet vom Markt nimmt, ist dabei zweifellos dienlich. "Auf die Frage nach der Positionierung der beiden Marken gab es bis zuletzt keine schlüssige Antwort", gesteht Neumann ein: "Im Gegenteil, in vielen Fällen standen ähnliche Fahrzeuge mit unterschiedlichen Preisen bei den Händlern quasi nebeneinander."

"Nicht die Größe allein ist unser Ziel"

Es sei realistisch, dass man heuer die bisherige Rekordzahl von 460.000 Fahrzeugenübertreffen werde, sagt Hakan Samuelsson, Vorstandsvorsitzender von Volvo. Das einstige Ziel von 800.000 Neuwagen pro Jahr ist für Samuelsson aber nicht prioritär: "Wir müssen diese Zahl nicht erreichen. Ziel ist vielmehr, die Marke zu stärken, neue Produkte aufzubauen und eine gute Organisation in China aufzubauen. Wenn wir alles richtig machen, werden wir letztlich die geplanten 800.000 Einheiten schaffen." Seit Volvo chinesische Eigentümer (Geely) habe, sei alles unglaublich positiv verlaufen, wenn man dies mit anderen Übernahmen in der Autobranche vergleiche, so Samuelsson.

Das eierförmige Dingsda auf vier Rädern

Auto und Umwelt: Wer mit dem Auftrag, ein paar Zeilen zu diesem Thema zu verfassen, auf einen Spaziergang durch den Genfer Automobilsalon geschickt wird, stellt fest, dass die Unverträglichkeit geblieben ist. Sie liegt im Wesenskern der Dinge begründet. Das Auto verkörpert auch heute noch die Idee der Selbstbestimmung, das Private schlechthin (auch wenn es diesem Anspruch zunehmend weniger genügt und sich -Stichwort driverless cars -schon sehr weit zur ferngesteuerten Fahrgastkabine hin entwickelt hat). Die Umwelt ist das Gegenteil davon: Sie bildet die Sphäre der Allgemeinheit. Je entwickelter eine Gesellschaft ist, desto mehr übernimmt sie auch für diese die Verantwortung; sie erweitert die Verbindlichkeit ethischen Handelns über das private Terrain hinaus.

Gewissensberuhigung

Dies manifestiert sich beispielsweise in Vorschriften zum durchschnittlichen CO 2-Ausstoß der Fahrzeuge eines Herstellers oder in übergewichtigen Hybridfahrzeugen, deren Antrieb einzig der Gewissensberuhigung oder zumindest der Vermeidung von Schamgefühlen beim Aussteigen auf einem öffentlichen Parkplatz genügt. Die Umweltverträglichkeit ist bei Autos nur aufgrund des gesellschaftlichen Drucks auf den Käufer zu einem mitbestimmenden Faktor geworden. Für die Industrie ist sie nichts anderes als ungeliebte Auflage. Kurz: Das Ideal des Enthusiasten bleibt das Rennauto, nicht das elektrische, eierförmige Dingsda auf 4 Rädern.