Die Reifenbranche befindet sich in einer Art Stand-by-Phase. Die den
Absatz stimulierenden Sommerreifentests haben sich aufgrund der
ADAC-Ereignisse verzögert. Der Markt sucht verzweifelt, aus der Krise
zu kommen.
Orientierung in einem recht schwierigen Marktumfeld zu geben und
gleichzeitig Chancen auszuloten, wertvolle Marktinformationen auch fu
r das eigene tägliche Geschäft zu geben, ist derzeit einer Quadratur
des Kreises gleichzusetzen. Der auch in Österreich via VRÖ (Verband
der Reifenspezialisten Österreichs) bestens beleumundete Peter
Hülzer, seines Zeichens geschäftsführender Vorsitzender des BRV
(Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V.), sieht
sich angesichts herrschender Marktbedingungen mit seinem Latein am
Ende.
Mäßige Stimmung
Die Stimmung im Reifenfachhandel ist eher mäßig, suggeriert das vom
deutschen Reifenverband in Auftrag gegebene und nun vorliegende
Branchenbarometer. Jeder funfte Betrieb sieht die Branche aktuell in
einer schlechten bis sehr schlechten Lage. So präzise vermögen das
die Auguren in Österreich nicht zu skizzieren, dürfte aber auch im
Trend liegen.
Das Wintergeschäft habe wenig dazu beigetragen, die Stimmung zu
bessern, lautet die nüchterne Analyse deutscher Provenienz. Die
Hoffnungen auf einen versöhnlichen Jahresausklang haben sich nicht
erfu llt. Fast jeder zweite Betrieb war unzufrieden mit dem
Geschäftsverlauf.
Hoffnung auf Besserung
Gleichwohl besteht aber Hoffnung für das nächste Quartal. Zwar wird
vielfach mit einer gleichbleibenden (soll meist heißen:
gleichbleibend mäßigen) Geschäftsentwicklung für den eigenen Betrieb
gerechnet. Aber verhaltener Optimismus macht sich bemerkbar. Positive
Impulse hinsichtlich Auslastung, Umsatz und Gewinn werden erwartet.
Dieses Placebo darf nicht fehlen.
Freien und kooperierten Handel drücken Lager
Der freie und insbesondere der kooperierte Reifenfachhandel scheint
dagegen mit größeren Restbeständen zu kämpfen, analysiert der BRV.
Der durchschnittliche Lagerbestand beim Reifenfachhandel wird gegenu
ber dem Vorjahr auf etwa ähnlichem Niveau geschätzt, aber mit leicht
ru ckläufiger Tendenz. Je nach Reifenfachhandelsgruppe ist der
Lagerbestand jedoch unterschiedlich: Industrienahe Kooperationen und
Industrieketten weisen geringere Lagerbestände auf.
RDKS: wichtige Aufgabe, lässig angegangen
Das Reifendruckkontrollsystem (RDKS) werde den Reifenfachhandel
nachhaltig verändern, heißt es in der Szene. Konsens in der Branche
ist, dass die Abläufe in der Werkstatt verändert werden. Jeder zweite
Betrieb rechnet auch fest damit, dass zunächst Probleme bei der Umru
stung auftreten werden.
In Summe wird das Thema RDKS aber eher positiv bewertet, weil es
Gesetzescharakter hat. Fu r den Reifenfachhandel, so Hülzer in seiner
Standortbestimmung, bestehe die Chance, sich als Experte zu
profilieren. Zudem werden Ertragschancen fu r zusätzliche
Dienstleistungen und Ersatzteile benannt.
Die sich bietenden Chancen werden vom Reifenfachhandel jedoch eher
lässig angegangen, lautet das nüchterne Umsetzungsergebnis. Fu r
viele Betriebe ist RDKS kein Anlass, bereits jetzt aktiv zu werden.
Das Reifenwächtersystem wird als ein Thema "fu r später" eingestuft.
Entsprechend hat jeder zweite Betrieb bislang kein Training zum Thema
RDKS absolviert. Und mehr als jeder dritte Betrieb in Deutschland
gibt an, aktuell kein System zur Handhabung von RDKS zu verwenden.
Gleichwohl herrscht das Gefu hl vor, gut gerustet zu sein.
Ähnlich ist die Situation in Österreich einzuschätzen. Die
Umrüstspezialisten reden sich den Mund fusselig, bieten Aufklärung
und Hilfestellen en masse, nur der Reifen(fach)händler hat zurzeit
andere Probleme und oft auch nicht das dazu benötigte Geld für
Investitionen. Hülzer warnt davor,das Feld mit RDKS dem reinen
Autohandel zu überlassen. Jeder Tag später bringt den traditionellen
Reifenhandel noch mehr in Bedrängnis, als er ohnehin schon ist. (LUS)