Seit dem Jahreswechsel sind Importchef Mag. Rainer Fillitz und sein Führungsteam in ganz Österreich unterwegs. Schließlich gilt es, die 53 Vertriebspartner über Details des bis Ende 2015 anberaumten Markenrückzugs aufzuklären. Dabei herrsche ein "gutes Gesprächsklima", berichtet Fillitz: "Wir diskutieren individuell die Szenarien und suchen nach einer einvernehmlichen Lösung." Bis Ende Februar sollen auch die letzten Händler besucht worden sein.

Fillitz bestreitet nicht, dass er auch ein konkretes Angebot für die Händler in petto hat. Wer sich bis 30. Juni 2014 einvernehmlich von der Marke verabschiedet, erhält für jeden im Vorjahr verkauften Neuwagen 600 Euro. Wer mit dem Ausstieg bis 30. September wartet, bekommt 400 Euro, bis zum Jahresende 2014 sind es noch 200 Euro, danach gibt es gar nichtsmehr. Doch wie schaut es mit dem Ersatz für getätigte Investitionen und dem Ausgleichsanspruch aus? Diesbezüglich will man beim Importeur keine Stellungnahme abgeben.

Günstige Ausgangsbedingungen

Zweifellos ist die Entscheidung von GM, den Chevrolet-Vertrieb in Europa zu liquidieren, für viele Händler problematisch und für manche - darunter vor allem die 13 markenreinen Betriebe - schlichtweg katastrophal. Angesichts dessen ist das "finanzielle Hilfspaket" für den vorzeitigen Ausstieg sehr löblich. Allerdings ist vor Unterzeichnung der von General Motors vorgeschlagenen "Übergangs-und Aufhebungsvereinbarung" dringend anzuraten, dass die Händler selbst ihre eigenen, ihnen nach der österreichischen Rechtslage zustehenden Forderungen berechnen. Dies ist umso wichtiger, als die rechtliche Ausgangslage in Österreich für die Händler günstiger ist als in Deutschland oder der Schweiz.

Entzogene Geschäftsgrundlage

Die finanziell wohl schwerwiegendste Frage ist jene nach dem Ausgleichsanspruch. Sein Zweck ist es, dem Vertragshändler einen Ausgleich dafür zu verschaffen, dass der Vertragsgeber nach Beendigung des Vertragsverhältnisses von den vom Händler gewonnenen Stammkunden profitiert. "In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass es sich bei den Chevrolet-Händlerverträgen, da sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden sind, um sogenannte Dauerschuldverhältnisse handelt", erklärt Fachjurist Dr. Martin Brenner: "Solche Vereinbarungen können, ungeachtet gesetzlicher oder vertraglich vereinbarter Kündigungsfristen, von jedem Teil aus wichtigem Grund vorzeitig gelöst werden. Der Oberste Gerichtshofhat in ständiger Judikatur festgelegt, dass diese vorzeitige Kündigung aus wichtigem Grund auch auf Handelsvertreterverhältnisse anzuwenden ist."

Unbestreitbar ist wohl, dass mit der Ankündigung des Rückzugs aus Europa den Chevrolet-Händlern die Geschäftsgrundlage entzogen worden ist. Welcher Neuwagenkunde möchte schließlich ein Fabrikat erwerben, von dem feststeht, dass es in kurzer Zeit vom Markt verschwinden wird? Ob ein derartiger Entzug der Geschäftsgrundlage einen "wichtigen" Grund darstellt, der dem Vertragshändler die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar macht und daher zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist laut Brenner nicht von vornherein zu sagen: "Die höchstgerichtliche Judikatur macht das stets vom Einzelfall abhängig." Generell habe der Oberste Gerichtshof jedoch "festgehalten, dass Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestatten, als Indikatoren für das Vorliegen eines wichtigen Auflösungsgrundes gewertet werden können."

"Fristen von wenigen Tagen"

Derzeit deutet alles darauf hin, dass Chevrolet das Recht auf Ausgleichsanspruch bestreiten wird -und zwar mit dem Argument, dass die Marke künftig nicht mehr in Europa vertrieben wird. Dennoch blieben den Händlern juristische Möglichkeiten, unterstreicht Brenner: "Sie müssen aber beachten, dass laut herrschender Judikatur eine außerordentliche Kündigung unverzüglich nach Kenntniserlangung des Auflösungsgrundes dem Vertragspartner gegenüber ausgesprochen werden muss. Während in Deutschland dafür eine lange Frist zwischen einem und zwei Monaten angenommen wird, werden in Österreich dazu weitaus restriktivere Literaturmeinungen laut, die lediglich Fristen von nur wenigen Tagen als zulässig erachten."

Schnelle Reaktion erforderlich

Dass ein Aufrechterhalten der Geschäftsbeziehung den Chevrolet-Händlern noch zwei Jahre lang zuzumuten ist, erscheint mehr als zweifelhaft. Der Hersteller selbst ist schließlich mit seinem "Hilfspaket" bemüht, die Betriebe vom Netz zu nehmen. Zudem wurden die Konditionen für das formal noch lieferbare Neuwagenprogramm so verschlechtert, dass die Fahrzeuge am hart umkämpften Markt de facto unverkäuflich geworden sind.

Für die betroffenen Händler gelte es nunmehr, unverzüglich zu reagieren, bringt Brenner die Brisanz der Situation auf den Punkt: "Schließlich können wenige Tage darüber entscheiden, ob eine außerordentliche Kündigung als zulässig erachtet wird oder der daraus abgeleitete Anspruch ins Leere geht."