In den Koalitionsverhandlungen wird vielüber Bürokratie und
Verwaltungsreformen gesprochen. Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit wurde der Verkehrsbereich dabei außer Acht
gelassen.
Der Kompetenzdschungel ist gerade hier besonders
ausgeprägt. Heimische Verwaltungsjuristen haben es verstanden, aus
einer Vereinfachung, die durch die legislative Tätigkeit der EU
entstehen müsste, eine noch höhere Form der Bürokratie - die
Eurokratie - zu machen. Jenes Ministerium, welches nur mehr in Teilen
seines Namens den Verkehr beinhaltet, hat sich aus der exekutiven
Tätigkeit zurückgezogen, Verwaltungstätigkeiten finden weitgehend in
den Ländern statt (= Problematik mal neun).
Das Kraftfahrgesetz hat samt seiner Durchführungsverordnung bereits
90 Novellierungen hinter sich und gehört damit zu den negativen
Spitzenreitern, wenn es um Lesbarkeit (geschweige denn
Verständlichkeit) geht. Die meisten Änderungen der Novellen bestehen
darin, in den Verästelungen der Paragraphen die jeweils aktuellen
EU-Richtlinienmit den richtigen Nummern zu zitieren und an
historische Fahrzeugbezeichnungen anzupassen. Dabei kann von
Aktualität sowieso keine Rede sein, da an den Richtlinien laufend
Anpassungen vorgenommen werden. Dieses Gesetzeswerk gehört mitsamt
seinen antiquierten und teilweise falschen Begriffen längst ins
Museum.
Nehmen wir die wichtigste Richtlinie 2007/46/EG, die Typgenehmigungen
der meisten im Verkehr befindlichen Kraftfahrzeuge regelt. Die
grundlegende Richtlinie 70/156 wies einähnliches Alter wie unser KFG
auf, ist aber längst neu gefasst. Bereits seit 2007 gibt es 17
Änderungen und eine Berichtigung. Die konsolidierte Fassung stammt
aus dem Juli 2013. Da gibt es die Klassen M, N und O, je nachdem ob
hier vorwiegend Personen oder Güter befördert werden oder es sich um
Anhänger handelt. Im KFG findet sich nach wie vor der
Kombinationskraftwagen, der im Prinzip der gleiche
Personenkraftwagen, nur eben mit geringfügig anderem Aufbau, ist. Bei
den Fahrzeugen höherer Gewichtsklassen oder zur Güterbeförderung wird
es noch viel undurchsichtiger mit den Verästelungen in
Lastkraftwagen, Sattelzugfahrzeug, Gelenkkraftfahrzeug etc. Die
wesentliche Unterscheidung kann nach den Merkmalen der Personen- oder
Güterbeförderung und nach der Gewichtsklasse erfolgen. Zur näheren
Unterscheidung dienen Varianten und Versionen. Dazu gibt es Fahrzeuge
für besondere Verwendungsbestimmungen.
Bei den zwei-und dreirädrigen Kfz mit ihrer Richtlinie 2002/24 fällt
als Erstes auf, dass Elektrofahrräder mit den bei uns zulässigen 600
Watt längst einer Typgenehmigung unterzogen werden müssten (EU-Grenze
bei 250 Watt). Insgesamt musste hier sehr viel erneuert werden, was
im KFG wenigstens hinsichtlich der Klassenbezeichnungen L1e bis L7e
auf den letzten Stand gebracht wurde. Der EU-Begriff Kraftrad wird
allerdings meist in den Begriff Motorrad mit all seinen möglichen
Fehldeutungen (z. B. historisch Kleinmotorrad) umgewandelt.
Einen großen Teil des Aufwandes um §-57a-Überprüfungen könnte man
sich sparen, wenn man die Richtlinie 96/96 mit ihrer konsolidierten
Fassung aus 2009 einfach zeitgerecht veröffentlichen würde.
Wer beruflich mit der Materie zu tun hat, dem kann nur wärmstens
empfohlen werden, sich in EUR-Lex mit der Adresse
http://eurlex.europa.eu/de/index.htm einzuloggen und sich die
Richtlinien im Original anzusehen. Im Gegensatz zum BMVIT, auf dessen
Homepage die letzte aktuelle Fassung des KFG aus dem Jahr 2006 stammt
und wo (Stand 10.12.) noch nicht einmal die 31. KFG Novelle vom
Februar 2013 aufscheint, finden sich hier aktuell konsolidierte
Fassungen der jeweiligen Richtlinien. Wenn man bei uns zu einem
aktuellen Text kommen will, muss man sich diesen in mühevoller
Kleinarbeit und für jeden Paragraphen extra aus dem Rechtsinfosystem
des BKA aufhttps://www.ris.bka.gv.at/zusammensuchen.
Die Materie wird immer komplexer, Hybridantriebe und reine
Elektrofahrzeuge sind nur ein Teil davon. Das alles wird unsere
legislativen Organe nicht daran hindern, weiter international
gebräuchliche Begriffe zu verändern, hauptsächlich Nummern zu
aktualisieren und insgesamt einige Jährchen hinter dem aktuellen
Stand der technischen Gesetzgebung nachzulaufen.