Wie stehen die Kfz-Versicherungen eigentlich zur Zeitwertreparatur?
Aus der Sicht der Konsumentenschützer und der Kfz-Werkstätten werden
damit sinnlose Totalschadensabrechnungen vermieden. Diese Meinung
wird auch von Händleranwalt Dr. Martin Brenner in einem derzeit noch
laufenden Verfahren vertreten.
Die Generali Versicherung hat da jedoch eine höchst unterschiedliche
Rechtsansicht. Der Sachverhalt ist einfach: Ein ordnungsgemäß
parkender Mitsubishi Canter 41 (Baujahr 1994), mit 257.018 Kilometern
am Buckel, wurde von einem vorbeifahrenden Mercedes gestreift und
dabei schwer beschädigt. Die errechneten Kosten einer
Neuwertreparatur: rund 15.000 Euro. Für die Generali war dies somit
ein klassischer Totalschaden - bei dem sich der Geschädigte mit 1.500
Euro zufriedengeben sollte.
Der wollte sein Auto jedoch repariert haben. Nicht mit Neuteilen,
sondern mit einer sparsamen Zeitwertreparatur. Die ihm mit 6.105 Euro
in Rechnung gestellt wurde. Kosten, die ihm die Generali aber nicht
ersetzen wollte. Womit der Fall vor Gericht landete. Der Canter war
mit seinem Kofferaufbau samt Seitentür für die Hubstaplerbeladung
eine Einzelanfertigung. Nach den Erhebungen des vom Gericht
bestellten Sachverständigen Dr. Wolfgang Pfeffer ist ein exakt
baugleiches Fahrzeug am Gebrauchtwagenmarkt nicht verfügbar - und
kann daher auch nicht wieder beschafft werden.
Wiederbeschaffung kostet 6.000 Euro
"Berücksichtigt man den für dieses Alter relativ niedrigen Tachostand
und den Zustand des Fahrzeuges, so kann der Wiederbeschaffungswert
mit ca. 4.000 Euro beziffert werden. Für den Umbau des Kofferaufbaus
in einer Fachwerkstätte samt Typisierung sind Kosten von 2.000 Euro
zu erwarten, sodass sich insgesamt ein Wiederbeschaffungswert von
6.000 Euro ergibt", fasste das Bezirksgericht den Sachverhalt
zusammen. Diesen Kosten standen die 6.105 Euro für die
Zeitwertreparatur gegenüber.
Die rechtlichen Schlussfolgerungen waren recht einfach: Der
Geschädigte ist real so zu stellen, wie er ohne schädigendes Ereignis
stünde. "Der Naturalrestitution gleich zu halten sind Aufwendungen
zur Schadensbeseitigung, wie etwa Reparaturkosten in einer
Fachwerkstätte", urteilte das Gericht. "Bei Vorliegen eines
Totalschadens eines Kfz, für welches ein Gebrauchtwagenmarkt besteht,
kann der Verletzte eine Ersatzbeschaffung unter Verwertung des Wracks
vornehmen."
Kofferaufbau neu typisieren lassen
Diese wäre aber nur für das Fahrgestell in Betracht gekommen - nicht
aber für den einzelgefertigten Kofferaufbau. Der hätte jedenfalls
umgebaut und neu typisiert werden müssen. Da die Kosten etwa gleich
hoch waren wie die durchgeführte Zeitwertreparatur, "war diese
letztlich auch tunlich". Weshalb die Haftpflichtversicherung auch zur
Zahlung verurteilt wurde.
Bemerkenswert ist die Begründung der Generali, warum sie sich gegen
die vom Gericht als "tunlich" erachtete Zeitwertreparatur wehrt.
Vielleicht, weil das vom Klagevertreter eingeholte vorprozessuale
Gutachten von Bundesinnungsmeister Komm.-Rat Friedrich Nagl stammt.
In der Berufung vertritt die Generali den Standpunkt, derGeschädigte
hätte sich "ein anderes Fahrzeug einer anderen Type bzw. Marke
beschaffen können". Dass es ähnliche Fahrzeuge, die den bisherigen
Anforderungen des Fahrzeughalters entsprechen, nicht gibt, erscheint
letztlich lebensfremd".
Der Beklagtenvertreter betont, er habe diesen Fall mit einigen
"namhaften Wiener Verkehrssachverständigen" besprochen, die seine
Ansicht vertreten.
Differenzen zwischen Sachverständigen?
Er möchte "in diesem Zusammenhang nicht verhehlen, dass seines
Erachtens die - als bekannt vorausgesetzten -Differenzen zwischen den
Wiener Verkehrssachverständigen letztlich mit ein Grund für die
Expertise des seitens des Beklagtenvertreters im Übrigen äußerst
geschätzten Verkehrssachverständigen Dr. Wolfgang Pfeffer sind." Dann
legt er namens der Generali noch ein Schäuferl nach: "Dass hier ein
gewisses Naheverhältnis zu dem das vorprozessuale Gutachten
erstattenden Sachverständigen Komm.-Rat Friedrich Nagl besteht, kann
in diesem Zusammenhang als bekannt vorausgesetzt werden". Das sind
letztlich die gravierenden Argumente gegen die von der Bundesinnung
geforderte "Zeitwertreparatur", die nun vom Berufungsgericht auf ihre
Stichhaltigkeit zu überprüfen sind.