Die Angst, dass der Motor nicht mehr anspringt, war bei den ersten VW
Golf mit Schwungnutzautomatik verbreitet. Warum ist das heute anders?
Eine Analyse.
Vor knapp 30 Jahren untersuchte Univ.-Doz. Dr. Gerhard Schwarz im
Auftrag des VW-Konzerns die Morphologie des Autos: Wie wird dieses
von den Kunden eigentlich wahrgenommen? Gleichzeitig sollte der
Tiefenpsychologe die Chancen einer neu entwickelten
Schwungnutzautomatik einschätzen. Schwarz prognostizierte diesem
Start-Stopp-Antrieb einen psychologischen Flop. Er hatte Recht. Erst
jetzt, 30 Jahre später, feiert diese Idee eine erfolgreiche
Wiedergeburt.
1981 setzte sich Schwarz mit seiner Studie "Das Auto im emotionalen
und politischen Umfeld" als einer der Ersten mit der Psyche der
Autofahrer auseinander. Die zwei Jahre später von VW in Auftrag
gegebene Studie SNA1 sollte da etwas mehr in die Tiefe gehen. Als
Versuchskaninchen dienten 20 Postler, deren Golf- damals noch das
Einsermodell - mit der neuen Schwungnutzautomatik ausgerüstet waren.
Anfangs waren sie begeistert. Doch nach einigen Tagen drehte sich das
Blatt. "Aber die Fahrer konnten nicht sagen, warum sie damit nicht
einverstanden sind", erinnert sich Schwarz. Die Fahrer bekamen Angst,
wenn an der roten Ampel der Motor abstarb. Die benachbarten
Autofahrer zeigten ihnen den Vogel. Die Postler sollten nochmals in
die Fahrschule gehen, wenn sie nicht Auto fahren können.
Da half auch das viele Spritsparen nichts
Der technische Erfolg der neuen Entwicklung war zwar beeindruckend:
"Wir kamen mit unseren Testautos auf 3,5 Liter." Aber die Psyche der
Menschen spielte den Technikern einen Streich. Denn das Auto wird im
Unterbewusstsein mit dem menschlichen Körper verglichen. Die
Scheinwerfer sind die Augen, der Kühlergrill der Mund, dem Motor
kommt die Rolle des Herzens zu. Das Motorgeräusch erinnert
unterbewusst an den Herzschlag des Embryos im schützenden Mutterleib,
eine Unterbrechung dieses Geräusches führt zu Verunsicherung.
Das neue halbautomatische Schaltgetriebe wurde dennoch gebaut. 1993
war AUTO-&-Wirtschaft-Testfahrer Dipl.-Ing. Andreas Rockenbauer damit
im neuen Golf III unterwegs. In einem Auto mit Handschaltung ohne
Kupplungspedal, bei der die Elektronik den Motor "abdrehte", sobald
man den Fuß vom Gaspedal nahm. "Es war irgendwie ein mulmiges
Gefühl", erinnert er sich.
Lediglich 2.000 Stück des Golf Ecomatic liefen vom Band - dann wurde
die Start-Stopp-Automatik ins technische Out verbannt. Seither hat
sich einiges geändert. Sowohl technisch als auch in den Einstellungen
der Fahrer zum Auto. Sicher ist, dass das Autofahren im Hirn
unterbewusst stark archaische Muster mobilisiert.Etwa Aggressivität
und Konkurrenz. Doch die vor 30 Jahren gültigen Muster finden immer
weniger Akzeptanz.
Auto hat die technische Führungsrolle verloren
* Es gibt eineÜberidentifikation mit neuen Technologien: Die ist vom
Auto auf den Computer und zuletzt auf das Handy übergegangen. Das
Auto hat seine technische Führungsrolle verloren.
* Das Auto erlebte eine Weiterentwicklung zum computergesteuerten
Spielzeug. Vom Computer haben wir auch gelernt, dass er "absterben"
kann. Mit einem "reset" holen wir ihn einfach ins Leben zurück. Daher
wird auch das "Absterben" eines Motors nicht mehr so tragisch
empfunden.
* Die Ratio hat beim Auto an Bedeutung gewonnen. Die "Ecomatic" des
Spritsparens wurde zum Stammtischthema.
* Anstelle der "emotionalen Identifikation" tritt heute eine
"Technikgläubigkeit". Im mechanischen Zeitalter mussten und wollten
wir die Technik verstehen. Das war sogar eine Voraussetzung für den
Führerschein. Da wurde der klopfende Motor noch als Herz verstanden.
Heute gibt es die lautlose Autoelektronik- die funktioniert, ohne
dass man sie versteht.
* Die "neue" Technik wird von allen Herstellern propagiert. Sie wurde
zum Alltag der Oberklasse.
Unter diesen Umständen gibt es heute keinen emotionalen Rückschluss
von einem Motorstillstand auf einen idiotischen Lenker. Und keine
Fußgänger, die durch einen startenden Motor erschrecken. Und dennoch
verspüren auch jetzt noch viele Fahrer bei der Start-Stopp-Automatik
ein gewisses Unbehagen.
Aber dafür gibt es einen Schalter, um den automatischen
"Herzstillstand" abzuschalten.