In der Schadenspraxis kommt es immer wieder vor, dass sich
Versicherungen bei einem Haftpflichtschaden um die merkantile
Wertminderung drücken wollen- vor allem, wenn es sich um ältere
Fahrzeuge mit höherer Laufleistung handelt. Gerichte in Österreich
und Deutschland haben jedoch anders entschieden.
Schon 2008 hat das Oberlandesgericht Innsbruck dem Eigentümer eines
fünfeinhalb Jahre alten Autos eine merkantile Wertminderung
zugesprochen, obwohl er nicht der Erstbesitzer war. Diesem Beispiel
ist soeben das OLG Düsseldorf gefolgt (I-1U 149/11) - bei einem Auto
mit mehr als 100.000 Kilometern, das bereits älter als fünf Jahre
war. Die Begründungist so aktuell wie eh und je: "Zu berücksichtigen
ist, dass auch bei älteren Fahrzeugen mit hoher Laufleistung sich ein
Unfall nachhaltig auf die Preisbildung bei einem Verkauf auswirkt.
Denn auch beim Verkauf älterer Fahrzeuge pflegt ein Käufer nach der
Unfallfreiheit zu fragen und erwartet einen deutlichen Preisnachlass,
wenn die Frage verneint werden muss. Deswegen hat der Senat für ein
über fünf Jahre altes Fahrzeug mit einer Laufleistung von fast
140.000 Kilometern einen merkantilen Minderwert als ersatzfähigen
Schadenposten anerkannt (Urteil vom 17.11.1986, AZ: I-1 U 229/85)."
Klare Worte aus Linz
Das Landesgericht Linz hat bereits 2009 mit einem Berufungsurteil
klargestellt, dass der Ersatz der Wertminderung nichts mit fiktiven
Reparaturkosten zu tun hat. "Der Ersatz eines merkantilen
Minderwertes steht als positiver Schaden grundsätzlich ohne Rücksicht
darauf zu, ob das Fahrzeug repariert wird oder im beschädigten
Zustand verkauft wird", hieß es damals. Es braucht sich somit kein
Autobesitzer bei dieser Forderung von der Versicherung abwimmeln
lassen, bloß weil er sein Unfallauto beim Händler unrepariert für ein
anderes Fahrzeug in Zahlung gegeben hat.
Objektive Berechnungsweise
Zur Berechnung der Schadenshöhe haben einige unabhängige
Sachverständige schon vor einiger Zeit die "Salzburger Formel"
errechnet. "Oberstes Ziel bei ihrer Entwicklung war es, das reale
Käuferverhalten von vorbeschädigten, aber wieder instandgesetzten
Kraftfahrzeugen in einem einfachen, nachvollziehbaren mathematischen
Ansatz bestmöglich abzubilden", erläuterte Dr. Anneliese Kodek,
Richterin am Oberlandesgericht Wien, in der Zeitschrift für
Verkehrsrecht (ZVR) die Zielsetzung. "Ausgangspunkt ist die Tatsache,
dass ein durchschnittlicher Kaufinteressent bei sehr jungen
Fahrzeugen einen maximalen Nachlass auf den üblichen Marktwert von
etwa 15 bis 16 Prozent erwartet", ergänzt der Techniker Dr. Wolfgang
Pfeffer die Basis der Berechnungsmethode. Von diesem Eckpunkt
ausgehend, wird dieser Prozentsatz dann über einen Alters- und
Laufleistungsfaktor sukzessive reduziert.
Individuelle Kalkulation
Daran anschließend definieren 6 Schadensklassen den erforderlichen
Reparaturumfang, 6 Nutzungsfaktoren und 4 Einsatzfaktoren -von der
Baustelle bis zum Kurzstreckenbetrieb -beeinflussen die Auswirkungen
der bisherigen Art der Nutzung des Unfallfahrzeuges. Entsprechend der
Judikatur wurde auch ein Besitzerfaktorberücksichtigt.
Vorschadensfreiheit ist nun nicht mehr erforderlich, doch können mit
der Salzburger Formel auch die Vorschäden bei der Reduktion des
merkantilen Minderwertes berücksichtigt werden. Ein
"Fügetechnik-Faktor", unterteilt in 5 Klassen, berücksichtigt
zusätzlich die unterschiedlichen Reparaturmethoden - etwa das Kleben
und Nieten statt dem Schweißen und Löten. Die dabei verbleibenden
unterschiedlichen Reparaturspuren schlagen sich letztlich auch in
einer unterschiedlichen merkantilen Wertminderung nieder.