Was für Fachleute bei der gesetzlichen Verankerung sogenannter
Begegnungszonen von vornherein klar war, bestätigte sich soeben bei
der Wiener Mariahilfer Straße: Verkehrspolitik ist keine Spielwiese
für Ahnungslose und kein Experimentierfeld für grün Angehauchte. Ohne
Sachverstand betrieben kann esleicht zur todernsten Sache werden.
Das liebevolle Miteinander unterschiedlichster Verkehrsteilnehmer ist
eine unrealistische Illusion. Verkehr benötigt, wie vieles andere im
Leben auch, ein ausreichendes Maß an Ordnung. Die Trennung
unterschiedlicher Interessen und fahrzeugtechnischer Voraussetzungen
scheint als Prinzip verlorengegangen zu sein. Die Erfolge bei der
Reduktion von Verkehrsopfern sind jedoch ausschließlich darauf
zurückzuführen.
Die Weigerung von Busfahrern, die neu geschaffene Begegnungszone zu
befahren, wurde alsübertriebene und politisch motivierte Reaktion
hingestellt. Wer jemals mit einem Schwerfahrzeug mit seinen
begrenzten Sichtmöglichkeiten fuhr, wird die Sache anders beurteilen.
Noch ärger wird es bei Gliederbussen oder Kfz mit Anhängern, wo ja
bekanntlich das kurvenäußere Heck nicht eingesehenwerden kann. Wenn
etwas passieren sollte, wird vor Gericht stets der Fahrer zur
Verantwortung gezogen und nicht eine von Zukunftsideen strotzende
Stadträtin oder gar die für das Gesetz verantwortliche
Verkehrsministerin. So gesehen kann man den Busfahrern für ihre
Zivilcourage dankbar sein.
Ein anderer Aspekt des liebevollen Miteinanders sind die Kosten von
fachgerechter Infrastruktur. Das Mischen sämtlicher
Verkehrsteilnehmer entbindet die Verantwortlichen davon, etwa Radwege
oder aufwendigere Kreuzungsgestaltungen zu bauen. Es ist entschieden
billiger, Fußgänger und Radfahrer auf Gehsteigen oder Radfahrer und
Autofahrer in Einbahnen aufeinander zu hetzen, als Radwege in
ausreichender Qualität zu bauen.
Die Förderung des Radverkehrs soll angeblich eines der zentralen
Anliegen moderner Verkehrspolitik sein. Man hat dabei einiges außer
Acht gelassen, etwa die immer stärker werdende Bedeutung des
Elektrofahrrades. Über das KFG wurde die Leistung dieser Geräte ohne
sachliche Begründung oder technischeKontrolle derart erhöht, dass
auch Ungeübte damit spielend 30 km/h erreichen können. Die
gesetzliche Vorstellung der STVO für Begegnungszonen und Radwege läge
aber bei 20 km/h. Lustig also, wenn zwischen den sich begegnenden
Fußgängern und Autos Fahrräder durchzischen.
Der gesetzlichen Definition der Begegnungszone muss man ankreiden,
dass sie keinerlei Hinweise für Anwendung oder technische
Ausführungsbestimmungen enthält. Wo Derartiges überhaupt anwendbar
ist, bleibt der Phantasie von lokalen Politikern überlassen. So
träumt so mancher dieser Weltverbesserer schon davon,
Durchzugsstraßen mit Verkehrsaufkommen bis zu 20.000 Kfz pro Tag zu
Begegnungszonen umzufunktionieren. Technische Grundregeln wie die
Tatsache, dass die Leistungsfähigkeit einer Straße mit der
Geschwindigkeit sinkt (Maximum bei etwa 60 km/h), werden missachtet.
Der Originaltext der gesetzlichen Erläuterungen ist ein rührendes
Beispiel moderner Menschlichkeit. "Grundgedanke der Begegnungszone
ist die gemeinsame und durchmischte Nutzung der Verkehrsfläche auf
der Basis gegenseitiger Rücksichtnahme. Diese Nutzungsform setzt
einen außergewöhnlichen Grad der Interaktion zwischen den
unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern voraus. In der Begegnungszone
ist es FußgängerInnen erlaubt, die Fahrbahn zu benützen, sodass die
gesamte Straße als Ort der Begegnung etabliert wird."
Um nicht missverstanden zu werden, hier sollte nicht in sturer Weise
der alleinige Standpunkt von Autofahrern vertreten werden. Auch als
Radfahrer schätze ich unbeschwerte Bewegung abseits des
Massenverkehrs, unabhängig von Geruch und Lärm möchte ich nicht
ständig auf der Hut sein müssen. Außerdem möchte ich jene Mutter
sehen, die in einer Begegnungszone ihren Kinderwagen gerne an
Lkw-Auspuffen vorbeischiebt. Wenn es also unsere
Interessenvertretungen verabsäumt haben, dieses Gesetz zu
beeinspruchen, liegt es an uns Bürgern, falsch verstandenes
Gemeinschaftsdenken mit aller Vehemenz zu verhindern.