Das liebevolle Miteinander unterschiedlichster Verkehrsteilnehmer ist eine unrealistische Illusion. Verkehr benötigt, wie vieles andere im Leben auch, ein ausreichendes Maß an Ordnung. Die Trennung unterschiedlicher Interessen und fahrzeugtechnischer Voraussetzungen scheint als Prinzip verlorengegangen zu sein. Die Erfolge bei der Reduktion von Verkehrsopfern sind jedoch ausschließlich darauf zurückzuführen.

Die Weigerung von Busfahrern, die neu geschaffene Begegnungszone zu befahren, wurde alsübertriebene und politisch motivierte Reaktion hingestellt. Wer jemals mit einem Schwerfahrzeug mit seinen begrenzten Sichtmöglichkeiten fuhr, wird die Sache anders beurteilen. Noch ärger wird es bei Gliederbussen oder Kfz mit Anhängern, wo ja bekanntlich das kurvenäußere Heck nicht eingesehenwerden kann. Wenn etwas passieren sollte, wird vor Gericht stets der Fahrer zur Verantwortung gezogen und nicht eine von Zukunftsideen strotzende Stadträtin oder gar die für das Gesetz verantwortliche Verkehrsministerin. So gesehen kann man den Busfahrern für ihre Zivilcourage dankbar sein.

Ein anderer Aspekt des liebevollen Miteinanders sind die Kosten von fachgerechter Infrastruktur. Das Mischen sämtlicher Verkehrsteilnehmer entbindet die Verantwortlichen davon, etwa Radwege oder aufwendigere Kreuzungsgestaltungen zu bauen. Es ist entschieden billiger, Fußgänger und Radfahrer auf Gehsteigen oder Radfahrer und Autofahrer in Einbahnen aufeinander zu hetzen, als Radwege in ausreichender Qualität zu bauen.

Die Förderung des Radverkehrs soll angeblich eines der zentralen Anliegen moderner Verkehrspolitik sein. Man hat dabei einiges außer Acht gelassen, etwa die immer stärker werdende Bedeutung des Elektrofahrrades. Über das KFG wurde die Leistung dieser Geräte ohne sachliche Begründung oder technischeKontrolle derart erhöht, dass auch Ungeübte damit spielend 30 km/h erreichen können. Die gesetzliche Vorstellung der STVO für Begegnungszonen und Radwege läge aber bei 20 km/h. Lustig also, wenn zwischen den sich begegnenden Fußgängern und Autos Fahrräder durchzischen.

Der gesetzlichen Definition der Begegnungszone muss man ankreiden, dass sie keinerlei Hinweise für Anwendung oder technische Ausführungsbestimmungen enthält. Wo Derartiges überhaupt anwendbar ist, bleibt der Phantasie von lokalen Politikern überlassen. So träumt so mancher dieser Weltverbesserer schon davon, Durchzugsstraßen mit Verkehrsaufkommen bis zu 20.000 Kfz pro Tag zu Begegnungszonen umzufunktionieren. Technische Grundregeln wie die Tatsache, dass die Leistungsfähigkeit einer Straße mit der Geschwindigkeit sinkt (Maximum bei etwa 60 km/h), werden missachtet.

Der Originaltext der gesetzlichen Erläuterungen ist ein rührendes Beispiel moderner Menschlichkeit. "Grundgedanke der Begegnungszone ist die gemeinsame und durchmischte Nutzung der Verkehrsfläche auf der Basis gegenseitiger Rücksichtnahme. Diese Nutzungsform setzt einen außergewöhnlichen Grad der Interaktion zwischen den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern voraus. In der Begegnungszone ist es FußgängerInnen erlaubt, die Fahrbahn zu benützen, sodass die gesamte Straße als Ort der Begegnung etabliert wird."

Um nicht missverstanden zu werden, hier sollte nicht in sturer Weise der alleinige Standpunkt von Autofahrern vertreten werden. Auch als Radfahrer schätze ich unbeschwerte Bewegung abseits des Massenverkehrs, unabhängig von Geruch und Lärm möchte ich nicht ständig auf der Hut sein müssen. Außerdem möchte ich jene Mutter sehen, die in einer Begegnungszone ihren Kinderwagen gerne an Lkw-Auspuffen vorbeischiebt. Wenn es also unsere Interessenvertretungen verabsäumt haben, dieses Gesetz zu beeinspruchen, liegt es an uns Bürgern, falsch verstandenes Gemeinschaftsdenken mit aller Vehemenz zu verhindern.