Am chinesischen Automarkt sind die Zeiten der zweistelligen Zuwächse
vorbei. Nach dem mageren Wachstum im 1. Halbjahr lassen eine
erlahmende Inlandsnachfrage, klamme Banken und liquiditätsschwache
Unternehmen eine noch schwächere Entwicklung in der zweiten
Jahreshälfte erwarten.
Dass sich im Reich der Mitte eine zunehmende wirtschaftliche
Ernüchterung einstellt, ist an zahlreichen Indikatoren erkennbar.
Beispielsweise signalisiert der HSBC-Einkaufsindex zum wiederholten
Mal einen Rückgang der Nachfrage nach industriellen Gütern. Auch der
Energieverbrauch sinkt landesweit, die Logistikkosten sind auf
Talfahrt.
Rückläufige Autoexporte
Ende 2012 betrug das BIP-Wachstum noch 7,7 Prozent, im 1. Quartal
2013 waren es nur mehr 7,3 Prozent. Die chinesische Exportlokomotive
ist ins Stottern geraten, der Zuwachs in den ersten fünf Monaten lag
bei 1 Prozent. Die Autoexporte sind laut der China Association of
Automobile Manufacturers (CAAM), im 1. Halbjahr gegenüber der
Vorjahresperiode sogar um 0,6 Prozent gefallen. Im Inland wurden 8,6
Millionen Pkws verkauft -noch ein Plus von 13,8 Prozent gegenüber dem
Vorjahr, so die CAAM, aber die Abschwächung ist unverkennbar. Und
dann noch die Anti-Korruptionspolitik von President Xi Jin Ping mit
dem plakativen Anprangern von Parteigranden, die in der
Öffentlichkeit mit deutschen Luxusautos gesichtet werden!
Volle Händlerlager
All dies ist Gift für den erfolgsverwöhnten chinesischen Automarkt
und verunsichert potenzielle Käufer. Zwar wurden im Juni 1,7
Millionen Pkws und damit 11,2 Prozent mehr Fahrzeuge als 2012
abgesetzt, doch dieses Strohfeuer war in Wahrheit ein Lagerverkauf
der OEM an die Händler. Dabei, so die HändlervereinigungCADA (China
Automobile Dealer Association), waren die Neuwagenlager schon im Juni
zum Überlaufen voll.
In den heißen Sommermonaten Juli und August war die Lust zum Autokauf
flau. Dennoch fluteten die chinesischen OEM ihre Händler weiter mit
neuen Modellen, die Rabattschlacht ist im vollen Gange. Der
Fahrzeugexport bringt mit seinen hauchdünnen Margen kaum Licht ins
Dunkel, zumal er durch die starke chinesische Währung zusätzlich
behindert wird. Die Aufbruchsstimmung von Geely, Chery, SAIC und
anderen nach Europa ist vorbei.
Misserfolg in Australien
Auch in nahen "Westmärkten" wie Australien und Neuseeland wollten die
chinesischen Autobauer in der Kleinwagen-und Kompaktklasse kräftig
aufmischen und die japanischen und koreanischen Platzhirschen in die
Enge treiben. Doch während der SUV-Markt in Australien in diesem Jahr
um 4,5 Prozent gewachsen ist, verzeichnete Great Wall Motors im
selben Zeitraum einen Einbruch um 35 Prozent. Foton konnte überhaupt
bisher nur 300 Pickups "down under" absetzen. Auch Chery hat es arg
in Australien erwischt: Der J1 Hatchback war mit 7.000 Euro
Wegfahrpreis schon 2011 das billigste Auto, wird 2013 zusätzlich
durch Promotionen wie "pay half now, half later" unterstützt -und
findet trotzdem keine Käufer.
Daniel Cotterill, Unternehmenssprecher des für Great Wall und Chery
tätigen Händlers Ateco, ist frustriert: "Wir warten schon lange auf
neue Modelle die unsere Kunden wieder begeistern können." Der
Mitbewerb hat nicht geschlafen: Suzuki, Nissan und Volkswagen haben
die Kunden mir großen Preisnachlässen zurückerobert und bieten für
8.400 bis 9.800 Euro Modelle in der gleichen Fahrzeugklasse an.
SUV als Hoffnungsträger
Zurück nach China: Hier wuchsen die Kompakt-und Mittelklasse im
Jahresvergleich mit 940.000 verkauften Einheiten um magere 5,3
Prozent. Gefragt waren vor allem Modelle von VW (Passat, Bora, Lavida
und Sagitar), gefolgt von Ford Focus und Buick Excelle. Ein
Lichtblick ist nur noch das boomende SUV-Segment: 228.000 SUVs fanden
begeisterte Käufer, allen voran die langjährige Modellserie Hover von
Great Wall Motors mit 32.100 verkauften Stück. Auf Platz zwei mit
15.300 Einheiten landete der VW Tiguan gefolgt von Honda CRV.
Inzwischen liegt der Marktanteil der SUVs am Gesamtautomarkt bei 18
Prozent, was die Fahrzeugklasse nach der Kompaktklasse mit 44 Prozent
zum zweitwichtigsten Segment macht.
Zunehmende Marktsättigung
Wenngleich der Trend zum SUV die Autobauer freut, sind die goldenen
Margen-Zeiten von 15 bis 20 Prozent großteils vorbei. Die potenzielle
Käuferschicht im Speckgürtel fährt schon Oberklasse: Neben einer
S-Klasse und Porsche Cayenne parkt maximal ein BMW 1er oder ein Mini
Countryman für den Nachwuchs vor einer typischen Villa in
Nobelgegenden wie dem Shanghaier Bezirk Hongqiao. Karsten Engel,
President und CEO von BMW China, gab anlässlich der China-Premiere
des neuen 3er GT in Hangzhou bekannt, dass "China nun in eine normale
Wachstumsperiode" eintrete. Das zeigt sich an den Wachstumsraten: BMW
hat in den ersten fünf Monaten 10 Prozent mehr Luxuswagen verkauft,
2012 betrug das Wachstum dagegen 34 Prozent. Wettbewerber Audi
rasselte von 42 auf 14 Prozent Zuwachs zurück. Übrigens: Die
deutschen Autobauer verkaufen im Reich der Mitte fast schon so viele
Autos wie in Europa. An erster Stelle liegt die VW-Gruppe, deren
Gesamtumsatz zu mehr als 40 Prozent in China erwirtschaftet wird.
Wenndas Mittel-und Oberklassensegment einbricht, wird es spannend in
Wolfsburg, Stuttgart und München.