Die Schutz suchenden Unternehmer brauchen sich dafür nicht zu genieren. Schließlich sind ihnen große Kfz-Konzerne wie General Motors, Chrysler oder Kia als Vorbild vorangegangen.

Ein wesentliches Hemmnis für einen derartigen Schritt ist die Furcht vieler Händler, damit ihren Markenvertrag zu verlieren. Tatsächlich haben praktisch alle Importeure eine derartige Kündigungsmöglichkeit für den Insolvenzfall vorgesehen. Sie räumten sich damit ein einseitiges Kündigungsrecht ein, obwohl sie von derInsolvenz wirtschaftlich recht wenig betroffen sind: Bei Neuwagen können sie die Fahrzeugpapiere bis zur vollen Bezahlung zurückhalten; vom Händler noch nicht voll bezahlte Lagerware wird daher einfach zurückgeholt. Bei Ersatzteilen sorgt der Bankeinzug dafür, dass nur verhältnismäßig kleine Beträge unbezahlt bleiben.

Neue Vorschriften

Einen Strich durch dieses Kündigungsrecht hat allerdings das neue Insolvenzrecht gemacht: Wenn eine Vertragsauflösung "die Fortführung des Unternehmens gefährden könnte", dürfen Vertragspartner Verträge "bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur aus wichtigem Grund kündigen".

Gleichzeitig bestimmt die Insolvenzordnung, dass die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation oder ein Zahlungsverzug vor Insolvenzeröffnung keine derartigen Gründe sind. Lediglich Arbeitsverträge sind von dieser Kündigungsbeschränkung ausgenommen, die überdies nicht im Voraus ausgeschlossen werden darf. Die gegenteiligen Regelungen in den Händlerverträgen wurden durch das neue Insolvenzrecht somit zur Makulatur.

Als weiteren Sanierungsschritt kann der Masseverwalter von noch nicht voll erfüllten Verträgen zurücktreten. Er hat somit das Recht, anbezahlte oder unbezahlte Lagerware dem Importeur zurückzuschicken und die dafür geleisteten Anzahlungen für die Masse rückzufordern.

Ein weiterer Punkt ist, dass bei Gericht anhängige Rechtsstreitigkeiten amtswegig unterbrochen werden, bis das Unternehmen geschlossen oder der Sanierungsantrag von Gericht bzw. Gläubigern abgewiesen wird. Auch eine Räumungsexekution wird automatisch aufgeschoben. Ausständige Mieten müssen nur mit der im Sanierungsplan vorgesehenen Quotebefriedigt werden.

Ausgleichsanspruch wird schlagend

Es gibt einen weiteren Grund, warum der Importeur vor einer Kündigung des Händlervertrages zurückschrecken sollte: Sie löst den bei den Herstellern wenig beliebten Ausgleichsanspruch aus. Da hilft es dem Importeur auch nichts, diesen Anspruch mit seinen offenen Forderungen zu saldieren. In einem erst kürzlich ergangenen Urteil hat der Bundesgerichtshof eine derartige Aufrechnung als ungerechtfertigte Gläubigerbenachteiligung qualifiziert (IX ZR 191/12). Auch der Einwand des Importeurs, dass seine Kündigung unwirksam gewesen sei, wurde verworfen. Die Kündigung blieb insolvenzrechtlich zwar unwirksam, der Ausgleichsanspruch musste dennoch bezahltwerden. Der deutsche Branchenanwalt Dr. Jürgen Creutzig betonte, dass mit einer derartigen -unwirksamen -Kündigung "die Insolvenzmasse gestärkt wird". Was die Sanierungschancen erhöht, aber sicher nicht in der Absicht des Herstellers lag.

Keine Beweislastverschiebung

Schon vor Jahren hatte ein wegen Konkurseröffnung fristlos gekündigter Händler nach Abschluss des Zwangsausgleiches vom Importeur einen Ausgleichsanspruch gefordert. Die beklagte Porsche Gruppe versuchte, die Konkurseröffnung als "Verwirkung des Ausgleichsanspruches" geltend zu machen. Den Händler treffe dabei die Beweislast, dass ihman seinem Konkurs kein "Verschulden" treffe. Das Oberlandesgericht Linz folgte dieser Argumentation und vertrat überdies die Ansicht, die Geltendmachung des Ausgleichsanspruches wäre Aufgabe des Masseverwalters gewesen. Der habe dies jedoch nicht getan, deshalb sei von einem konkludenten Forderungsverzicht auszugehen.

Der Oberste Gerichtshof sah dies anders (2Ob275/98z):"Nach der allgemeinen Lebenserfahrung besteht kein typischer Zusammenhang zwischen der Konkurseröffnung und einem Verschulden. Ist es doch vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität nicht ungewöhnlich, auch ohne eigenes Verschulden insolvent zu werden." Eine Verschiebung der Beweislast zugunsten des beklagten Importeurs sei daher nicht erforderlich. Auch von einem stillschweigenden Forderungsverzicht des Masseverwalters könne nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten nicht ausgegangen werden. Da sei ein "sehr strenger Maßstab anzulegen" - dem Gekündigten standen somit 3 Jahre Zeit zur Verfügung, seinen Ausgleichsanspruch einzuklagen.

Neues Musterverfahren?

Strittig ist, ob der Importeur nach Annahme des Sanierungsplanes und Aufhebung der Insolvenz dem sanierten Unternehmen unter Verweis auf frühere Zahlungsprobleme den Händler-oder Werkstättenvertrag fristlos kündigen kann. Aus der Sicht des Insolvenzexperten Dr. Michael Günther würde damit die Zielsetzung des Sanierungsverfahrens unterlaufen. Kündigung -ja, allerdings unter Einhaltung der regulären Kündigungsfristen.

Derzeit gibt es dazu noch keine gerichtlichen Entscheidungen. Branchenanwalt Dr. Martin Brenner geht jedoch davon aus, dass es Renault bei einer in seiner Kanzlei anhängigen Vertragskündigung auf einen derartigen Rechtsstreit ankommen lässt. Wie immer er ausgeht: Er würde für eine zusätzliche Rechtssicherheit sorgen.

Pleite "made in USA"

Der von amerikanischen Großpleiten her bekannte "Gläubigerschutz" des Chapter 11 hat mit dem europäischen Gläubigerschutz nichts zu tun. In Amerika dient Chapter 11 des US-Insolvenzrechtes dem Schutz des schlingernden Unternehmens vor den Forderungen der Gläubiger. Bei uns wird darunter der Schutz der Gläubigerinteressen verstanden, die bisher beim alten Konkursrecht im Vordergrund standen. Doch mit dem neuen Insolvenzrecht steht -wie in Amerika -die Erhaltung des Unternehmens (und der damit verbundenen Arbeitsplätze) im Vordergrund. Chapter 11 stellt sicher, dass Gläubiger, die vom insolventen Unternehmen keinGeld oder neue Schuldtitel erhalten, stattdessen Aktien des Unternehmens als "Bezahlung" bekommen. Dabei können die ursprünglichen Aktionäre unter Umständen vollständig durch die neuen Aktionäre abgelöst werden.