Der Verkauf eines havarierten Fahrzeugs zu einem niedrigeren Preis, als er in einer Wrackbörse erzielt worden wäre, verstößt laut dem aus Graz zum OGH gelangten Verfahren 2Ob18/13f nicht gegen die Schadenminderungspflicht - vorausgesetzt, der Kunde erhält kein Angebot "auf dem Silbertablett".

Eigenverkauf statt Wrackbörse

Anlass für dieses Urteil war ein schuldlos verunfallter Audi A4 Avant (Alter 15 Monate, Laufleistung 8.225 km), der laut Schadensgutachten der Versicherung einen Wiederbeschaffungswert von 30.680 Euro aufwies. Die Kosten einer ordnungsgemäßen Reparatur wurden auf 19.397 Euro taxiert, die merkantile Wertminderung wurde mit 2.420 Euro veranschlagt. Die Werkstätte, bei der das Wrack besichtigt wurde, wollte dafür maximal 8.500 bis 9.000 Euro bezahlen. Die Klägerin ermittelte ihrerseits den Wrackwert, indem sie die Reparaturkosten und die merkantile Wertminderung vom Wiederbeschaffungswert abzog. Sie verkaufte auf dieser Basis das Wrack um 8.863 Euro an ihren geschiedenen Ehemann und forderte von der gegnerischen Versicherung die restlichen 21.817 Euro. Die Versicherung argumentierte, dass bei einem Verkauf über die Wrackbörse ein durchschnittlicher Erlös von 14.990 Euro zu erzielen gewesenwäre. Sie anerkannte daher 15.690 Euro als Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Wert des fiktiven Erlöses laut Wrackbörse. Da die Klägerin das Fahrzeug nicht reparieren habe lassen, habe sie lediglich Anspruch auf die objektive Minderung des Verkehrswertes. Die Differenz (6.127Euro) habe sie selbst zu verantworten, da sie durch ihren voreiligen Verkauf gegen ihre Schadenminderungspflicht verstoßen hat.

Das Oberlandesgericht Graz sah das anders. Dem schloss sich der OGH unter Verweis auf die "einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes" vollinhaltlich an.

Geteilte Meinungen

So weit die Fakten. Die Auswirkungen des Urteils werden freilich von den Versicherungen einerseits und dem - gegenüber Wrackbörsen seit jeher kritischen - Reparaturgewerbe andererseits völlig unterschiedlich eingeschätzt. Die Entscheidung betreffe erstens nur Haftpflichtfälle und bedeute zweitens keinerlei Änderung der Rechtsprechung, kommentiert Dr. Erik Eybl, Generali-Manager und Sprecher des Schadensausschusses im Versicherungsverband. Die prinzipielle Zulässigkeit der Wrackbörsen zur Restwertermittlung sei nicht in Frage gestellt worden: "Die betroffene Versicherung hätte die Kundin lediglich rechtzeitig darauf aufmerksam machen müssen." Anders sieht das Kfz-Innungsmeister Friedrich Nagl: "Diese Entscheidung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung." Nach diversen anderen Urteilen sei nunmehr ein weiterer Einzelaspekt der Wertermittlung über Wrackbörsen von den Gerichten kritisch hinterfragt worden. Für Nagl steht daher eines außer Frage: "Den wahren Wrackwert kann nur ein gerichtlich beeideter Sachverständiger feststellen."