Dr. Alexander Martinowsky, Geschäftsführer der Wiesenthal Autohandels GmbH, zeigt sich im Gespräch mit AUTO&Wirtschaft erfreutüber das Verkaufsergebnis im vergangenen Jahr. In den drei US-Standorten, in denen Mercedes im Mittelpunkt mehr als steht, konnten im Vorjahr 5.000 Neufahrzeuge und rund 2.800 Gebrauchtwagen abgesetzt werden. Mit rund 520 Beschäftigten wurde ein Umsatz von umgerechnet 410 Millionen Euro erzielt. In eigenen Outlets wurden ferner rund 100 Rolls-Royce und Bentley sowie 370 smart verkauft.

Trends früher erkennbar

Das Engagement in den USA begründet Martinowsky damit, dass es zweckmäßig sei, in unterschiedlichen Märkten mit ungleichzeitiger und differenzierter Entwicklung tätig zu sein. In der Vereinigten Staaten seien die Händlerschutzbestimmungen wesentlich besser als in Europa. So sei das Retailgeschäft untersagt und die Händlerverträge seien praktisch unkündbar. Außerdem würden in den USA Trends drei bis fünf Jahre früher als in Europa auftreten. In den Staaten seien die Kunden flexibler und stärker elektronisch vernetzt als in Europa. Beispielsweise habe sich in den USA schon herausgestellt, dass der Internetverkauf von den Kunden nicht angenommen werde, als die Diskussion darüber in Europa begonnen habe. Der Erfahrungsaustausch zwischen den beiden Märkten biete viele Anregungen -in beide Richtungen. Der Austrian Motors Corporation sei es gelungen, im Verkauf europäischen Charme mit amerikanischem Engagement samt Erfolgsorientierung zu verknüpfen. Martinowsky stimmte zu, als AUTO&Wirtschaft ersuchte, einen der Betriebe im Raum Washington zu besuchen.

Wartezeiten nahezu ausgeschlossen

Die Wahl fiel auf die Euro Motorcars Inc. in Bethesda, einem Vorort der US-Hauptstadt, auf deren Gemeindegebietübrigens nur ein einziger Autohändler übrig geblieben ist. Aus Kostengründen sind alle anderen Unternehmen der Branche in die Umgebung in Maryland gezogen. Die Fahrt vom Hotel an den Bestimmungsort wird in einem starken Mercedes zurückgelegt. In Bethesda verfügt Wiesenthal über eine große Mercedes-Niederlassung mit eindrucksvollem Vorplatz, Entrée und Verkaufsräumen sowie einem Parkhaus, in dem ständig 125 auf Hochglanz gebrachte Gebrauchtwagen offeriert werden.

Laut Paul DiPiazza, Geschäftsführer der Austria Motors Corporation, handelt es sich dabei um ein gutes Geschäft: Die Ware dreht sich mindestens einmal pro Monat. Im Gespräch werden die Unterschiede im Kaufverhalten von US-Bürgern und Europäern deutlich. Amerikaner warten nicht und kommen zu 40 Prozent in der letzten Woche des Monats. Bestellungen und damit verbundene Wartezeiten nehmen maximal 20 Prozent der Kunden in Kauf. Diese Praktiken zwingen die Händler, ein großes Sortiment an Fahrzeugen vorrätig zu haben und genau zu überlegen, welche Farben und Optionen ankommen könnten. Da der Kunde absolut "König" ist, erscheint es US-Händlern selbstverständlich, Wunsch-Automobile bei Kollegen zu besorgen, die dafür ein Fahrzeug erhalten, das in ihrem Umfeld marktgängig ist. Im Mercedes-Betrieb in Bethesda werden auch Sprinter und AMG-Modelle verkauft. Der Handel mit Rolls-Royce und Bentley befindet sich in einem eigenen Outlet. Selbst in der Reparatur gibt es keinen Markenmix, wenn man von der Hauptwerkstätte absieht, in der auch Fremdmarken für den Gebrauchtwagenverkauf fit gemacht werden. Für unsere Verhältnisse ein Kuriosum ist die Tatsache, dass die mechanische Werkstätte im Keller unter dem Verkaufshaus untergebracht ist. Außer dem fehlenden Tageslicht könnte selbst ein österreichischer Arbeitsinspektor nichts an der sauberen sowie gut beleuchteten und belüfteten Halle aussetzen.

Klare Holdingstruktur

Die Struktur der US-Holding von Wiesenthal sieht folgendermaßen aus: Die drei Mercedes-Verkaufshäuser in Bethesda und German Town (bei Washington) und Devon (bei Philadelphia) agieren als eigenständige Gesellschaften. Dazu kommt seit Herbst ein BMW-und Mini-Betrieb in Main Line (bei Philadelphia) sowie ein Lackierzentrum (bei Washington), eine Finanzierungs-und eine Immobiliengesellschaft als ebenfalls selbstständiges Unternehmen. Auf die Frage nach weiterer Expansion sagt DiPiazza, ihm werde jede Woche ein Autohaus angeboten; es gehe aber um die richtige Wahl des Standorts und das Engagement der richtigen Leute. In dem Zusammenhang kommt die Sprache auf das Qualifikationsproblem in den USA. Wer es zum Mechaniker geschafft hat, entwickelt mächtigen Stolz. Dazu gehört es, über eigenes Werkzeug zu verfügen. In den durchwegs Euro Motorcars genannten Betrieben werden die Techniker zwar mit einheitlichen Werkzeugboxen ausgestattet; sie rüstensie aber mit eigenem Handwerkzeug aus. Um erstklassige Facharbeiter zur Verfügung zu stellen, bieten die einzelnen Marken eigene Akademien für die Absolventen technischer Schulen an, weil die hiesige Form der Lehrlingsausbildung in den USA völlig unbekannt ist.

Wer kauft, will etwas sparen

In den Vereinigten Staaten ist das Autobusiness ein schnelles Geschäft. Zum Beispiel geht ohne Ersatzwagen gar nichts. Deshalb werden allein für die Servicekunden 180 Fahrzeuge bereitgehalten. Dass die Kunden dabei absolut mitspielen, erläutert DiPiazza an folgendem Beispiel: Nach Schneewarnungen, sofern sie tatsächlich eintreffen, bleiben häufig 15 Prozent der angemeldeten Werkstattkunden aus. Sobald das passiert, lässt die Geschäftsleitung eine Rund-Mail an Stammkunden vom Stapel, in der an dem Tag ein Rabatt von 15 Prozent für Servicearbeiten angeboten wird. "Und," sagt der Geschäftsführer, "Sie werden es nicht glauben, spätestens nach 2 Stundenist die Werkstatt voll!"

Auch daraus geht hervor, dass das Autogeschäft in den USA äußerst preissensibel ist. Neuwagen werden mit Schildern versehen, auf denen der höhere Wert und der niedrigere Verkaufspreis vermerkt sind, damit jeder Käufer weiß, wie viel er sich ersparen kann, wenn er das Produkt seiner Wahl erwirbt.