Ist dasösterreichische §-57a-System für die hierzulande vergleichsweise hohe Zahl der Verkehrstoten verantwortlich? So bizarr die Frage anmuten mag: Bernhard Kerscher, Chef des in München ansässigen (mit einer Tochtergesellschaft auch hierzulande vertretenen) TÜV Süd, hat diesen Zusammenhang hergestellt. "In Österreich wird die Prüfung im Rahmen von Serviceintervallen gemacht -mehr oder weniger genau. Wir wissen da nicht, ob der Stempel nur geklebt oder auch wirklich geprüft wird. Was uns schockt ist, dass die Anzahl der Verkehrstoten pro einer Million Einwohner in Österreich um ein Drittel höher ist als in Deutschland, und das führen wir unter anderem auf diese Form der Fahrzeugüberprüfung zurück", erklärte Kerscher in einem Interview mit der "Automobilwoche".
Deutsche Debatte
Um diesen Angriff zu verstehen, muss man sich die aktuelle Situation in Deutschland vor Augen führen: Dort kämpft das Kfz-Gewerbe um eine "Meister-HU" nach Vorbild der heimischen Pickerl-Regelung. Etablierte Prüforganisationen wie TÜV oder Dekra fürchten um ihre lukrative Alleinstellung. Bei ihrem Abwehrkampf setzen sie nicht nur auf Untergriffe à la Kerscher, sondern auch auf politischen Druck.
Der deutsche EU-Parlamentarier Werner Kuhn (CDU) fordert beispielsweise europaweit eine verpflichtende Trennung von Fahrzeugüberprüfung und Reparatur. Im Europaparlament ist Kuhn der einflussreiche "zuständige Berichterstatter" für die Vereinheitlichung der wiederkehrenden Fahrzeugbegutachtung ist. Dieses Projekt steht auf der Brüsseler Prioritätenliste weit oben, denn bisher war die Kfz-Überprüfung national unterschiedlich geregelt. Soll die Welt jetzt am deutschen Prüfwesen genesen?
"Fatales Gewinnstreben"
"Es wäre fatal, ein seit 41 Jahren bestens funktionierendes System aufgrund des Gewinnstrebens einzelner Organisationen zu zerstören", erwidert Komm.-Rat Friedrich Nagl, Bundesinnungsmeister der österreichischen Kfz-Techniker. Er widerlegt die populistischen Angriffe mit dem Verweis darauf, dass die Zahl der Unfallopfer in Österreich trotz des vermeintlich "gefährlicheren" Pickerl-Systems sinkt, während sie in Deutschland steigt. Zudem sei der Vergleich des TÜV-Süd-Chefs schon allein aufgrund des unterschiedlichen Motorisierungsgrades nicht aussagekräftig: "Während 82 Prozent aller Österreicher ein Fahrzeug angemeldet haben, sind es lediglich 64 Prozent der Deutschen."
Generell empört Nagl die Tonlage, in der die Diskussion geführt wird: "Ich bin erschüttert über den völligen Mangel an Ethik, wenn aus wirtschaftlichem Eigeninteresse mit Verkehrstoten und dem damit verbundenen menschlichen Leid argumentiert wird."
Missbrauch bei Prüforganisationen
Fest steht, dass die Kfz-Überprüfung im reparierenden Betrieb auch außerhalb Österreichs erfolgreich praktiziert wird: Holland hat etwa mit diesem System ebenfalls gute Erfahrungen gemacht. Fest steht auch, dass "unser" §-57a-Modell geringere Kosten als eine separate Prüfstruktur verursacht. Der von TÜV&Co implizierte Vorwurf des Missbrauchs ist nicht komplett von der Hand zu weisen -was aber genauso für Überprüfungen durch separate Organisationen gilt.
In Deutschland wurde beispielsweise im Vorjahr aufgedeckt, dass eine Prüforganisation gegen Bargeld jahrzehntelang Gefälligkeitsgutachten ausgestellt hatte. Einer der vermeintlich unabhängigen Prüfer wurde von der Kriminalpolizei auf frischer Tat ertappt, als er gleich mehrere völlig verkehrsunsichere Fahrzeuge "durch die HU lassen" wollte. In seinem Auto hatte der Fahrzeugprüfer, der prompt in Untersuchungshaft genommen wurde, bei dieser Gelegenheit über 100.000 Euro Bargeld dabei.
Strenge Kontrollen
InÖsterreich werde die Zahl der "schwarzen Schafe" durch strenge Kontrollen der prüfberechtigten Personen auf ein Minimum begrenzt, betont Innungsmeister Nagl. Tatsächlich werden die ermächtigten Begutachtungsstellen zumindest alle 3 Jahre von den Landesregierungen kontrolliert. Zusätzliche Überprüfungen erfolgen, wenn der Verdacht gegeben ist, dass die technischen Voraussetzungen für die Prüfberechtigung oder auch die geforderte Vertrauenswürdigkeit nicht mehr gegeben sind.
Zudem haben die allermeisten Kfz-Betriebe ein vitales Interesse daran, ihre§-57a-Berechtigungen nicht zu gefährden: Schließlich gilt die Pickerl-Berechtigung bei den Kunden als grundlegendes Qualitätsmerkmal. Darüber hinaus beinhalten Markenverträge in der Regel die Verpflichtung, auch als Begutachtungsstelle zu agieren: "Ein Entzug der §-57a-Ermächtigung durch denLandeshauptmann hätte für viele Werkstätten also auch den Verlust des Markenvertrags und damit der jeweiligen Existenzgrundlage zur Folge", so Nagl.
Genau definierte Anforderungen
Unbestritten ist die Sachkunde derösterreichischen §-57a-Begutachter: Die Eingangsvoraussetzungen reichen von der Lehrabschlussprüfung samt Praxisjahren bis zum Diplomstudium. In der Folge müssen eine Grundausbildung in technischen, rechtlichen und praktischen Belangen sowie periodische Weiterbildungen in zumindest dreijährigemRhythmus absolviert werden. "Bei der technischen Kompetenz liegen unsere Profis meilenweit vor TÜV-Angestellten, die ihre Prüflisten abarbeiten", ist Nagl überzeugt.
Vorteile für alle Beteiligten
Unterm Strich steht fest, dass der "österreichische Weg" bei der wiederkehrenden Fahrzeugbegutachtung viele Vorteile bringt: Die Werkstätten -das darf offen ausgesprochen werden -profitieren von rund 6 Millionen Arbeitsstunden pro Jahr. Gleichzeitig werden die Kunden (denen übrigens auch die Autofahrerklubs für §-57a-Überprüfungen zur Verfügung stehen) davon befreit, die Kosten für eine separate Infrastruktur zu tragen. Der Staat wiederum kann die Kompetenz echter Kfz-Profis nützen und mit einem geringen Aufwand einen hohen Qualitätsstandard gewährleisten. Das "Pickerl" in seiner bisherigen Form ist daher eine Errungenschaft, die es zu verteidigen gilt -auch wenn es dem einen oder anderen Prüfkonzern nicht in sein wirtschaftliches Konzept passen mag.
Unsere Politiker sind gefordert. Dafür haben sie noch eineinhalb Monate Zeit: Ende Mai wird das EU-Parlament seine Entscheidung in Sachen wiederkehrender Kfz-Begutachtung treffen.
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