Anlass für diese Entwicklung waren die über viele Jahre heftig geführten Diskussionen über die Schätzung des "objektiven Minderwertes". Dieser Wert ist eine rechtliche Erfindung des Obersten Gerichtshofes (OGH) Mitte der Achtzigerjahre und soll verhindern, dass sich die Geschädigten durch das Inkassovon Schadensablösen in voller Höhe der Reparaturkosten an den Haftpflichtversicherungen "bereichern": Durch eine teuer kalkulierte und anschließend wesentlich billiger durchgeführte Reparatur würde ein aus der Sicht des OGH nicht gerechtfertigtes Körberlgeld entstehen. Für die Werkstätten war diese neue Judikatur durchaus zu begrüßen. Sie zwang die Autofahrer, reguläre Reparaturen im regulären Gewerbe -und nicht bei Pfuschern und Wochenendwerkstätten -durchführen zu lassen. Für den Geschädigten war dies meist die einzige Möglichkeit, mittels regulärer Rechnung die vollen Reparaturkosten ersetzt zu bekommen. Ansonsten musste er sich mit dem niedrigeren "objektiven Minderwert" zufrieden geben, bei dem der Schadensreferent kurzerhand von einem meist zu nieder geschätzten Zeitwert zu hoch geschätzte Reparaturkosten in Abzug brachte. "Mangels einer einheitlichen Vorgangsweise waren Schwankungsbreiten bis zu 1.000 Prozent bei den Schätzergebnissen keine Seltenheit", schildert der Gerichtssachverständige Dr. Wolfgang Pfeffer, treibende Kraft hinter der Entwicklung der neuen Berechnungssoftware, das vom OGH ausgelöste Chaos. "Dazu kam zuletzt, dass bei den Sachverständigen auch immer wieder Unsicherheit bestand, ob sie die von den Versicherungen eingeholten Anbote aus der Wrackbörse zur Bestimmung des objektiven Minderwertes oder des Restwertes heranziehen dürfen." Mit seinem neuen Programm will er nun "reale, durchschnittliche Marktverhältnisse rechnerischabbilden". Dazu dienen 14 Module und einige Untermodule zu den unterschiedlichsten Abwicklungsalternativen.

Rasch zum Wiederbeschaffungswert

Das Modul zum Wiederbeschaffungswert bietet zwei Möglichkeiten zur Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes: Einmal erfolgt diese nach "Eurotax gelb" unter Berücksichtigung der Erstzulassung, der Laufleistung, der Sonderausstattung und des Fahrzeugzustandes. Die Aufwertung aufgrund von Minderkilometern erfolgt entsprechend den realen Marktverhältnissen im Ausmaß von 60 Prozent der Abwertungsfaktoren. Da der Wertverlust der Sonderausstattung im Regelfall gleich hoch ist wie jener des Fahrzeuges, wird sie äquivalent zur Fahrzeugbewertung berücksichtigt. Alternativ dazu gibt es für die Schadensreferenten der Versicherungen und ihre Helferauch die niedrigere Bewertung nach der "Versicherungsverband-Kurve". Davon ausgehend werden Händlereinkaufspreis und Marktwert automatisch ermittelt. Die zweite Methode ist jene nach "Sacher-Wielke". Für ihre Anwendung sind Eurotax-Listen nicht zwingend erforderlich. Die Berechnung erfolgt anhandvon Abwertungskurven. "Eine Verbesserung wurde insofern vorgenommen, dass die ursprünglich fünf Kurven auf elf erweitert wurden." Dies ermöglicht aus Pfeffers Erfahrung "eine feinere Anpassung an die realen Marktverhältnisse", wobei die Auswahl der passenden Referenzfahrzeuge und die Anpassung an die Marktlage und die regionalen Verhältnisse allein dem Sachverständigen obliegt.

Kein Totalschaden, normale Reparatur

Die Höhe des von der Versicherung zu vergütenden Schadens hängt in erster Linie davon ab, welche Dispositionen der Geschädigte trifft. Wenn kein Totalschaden vorliegt und eine Reparatur durchgeführt wird, erfolgt normalerweise eine Direktverrechnung mit der Versicherung. Eine allenfalls eingetretene"merkantile Wertminderung" wird dem Geschädigten direkt ausbezahlt. Im Falle eines Rechtsstreites werden die für den Geschädigten günstigeren gewerblichen Reparaturkosten stets auch dann zugesprochen, wenn er dem Gericht seine Reparaturabsicht glaubhaft macht. Weshalb manche Versicherungen - wie etwa die Donau -die Geschädigten mit der Ankündigung baldiger Nachbesichtigungen zu schrecken versuchen.

Kein Totalschaden, keine Reparatur

Gelegentlich hat der Geschädigte weder Lust noch Laune, den Schaden gleich oder in absehbarer Zukunft reparieren zu lassen. Dann erhält er nicht die "fiktiven Reparaturkosten", sondern bloß den "objektiv" zur ermittelnden Wertverlust- den "objektiven Minderwert". Dieser errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Marktwert des Fahrzeuges vor und unmittelbar nach dem Unfall. Es handelt sich dabei nicht um Ermittlung von Reparaturkosten, sondern um die Schätzung des Wertverlustes durch den Unfall. Der Sachverständige hat zu quantifizieren, wie stark sich der Marktwert des Fahrzeuges verändert hat. Der Geschädigte soll mit diesem Betrag in die Lage versetzt werden, sein Fahrzeug kostengünstig, jedoch mit vollständigem Reparaturerfolg, instand setzen zu lassen. Das Programm geht dabei von den ortsüblichen gewerblichen Reparaturkosten aus. Dann wird von den Mechanikerkosten ein Abschlag von 50 Prozent vorgenommen, von den Lackiererkosten lediglich 20 Prozent. "Dies ergibt sich daraus, dass eine perfekte Lackierung nur in einer professionellen Anlage möglich ist", erläutert Pfeffer. Bei den Kosten der Ersatzteilbeschaffung lässt sich stufenlos ein Abschlag von 0 bis 30 Prozent einstellen. Bei jüngeren Fahrzeugen kann automatisch auch ein allfälliger "merkantiler Minderwert" der Entschädigung hinzugerechnet werden. "Bei sehr jungen Fahrzeugen hat das häufig zur Folge, dass der objektive Minderwert annähernd den vollen gewerblichen Reparaturkosten entspricht", liegt es nach Pfeffer letztlich wieder am Sachverständigen, die tatsächliche Wertminderung anhand des ursprünglichen Zustandes zu beurteilen.

Kein Totalschaden, doch Eintausch

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Unfallfahrzeuge beim Vertrauenshändler gegen ein Ersatzfahrzeug eingetauscht oder an diesen verkauft werden. Das Programm berücksichtigt in diesem Fall zugunsten des Geschädigten zusätzlich zur oben angeführten Berechnung die Händlerspanne. Die Differenz aus Händlereinkaufs-und Verkaufswert wird dem "objektiven Minderwert" hinzugerechnet. Um Verwechslungen zu vermeiden, nennt Pfeffer diese Berechnung den "objektiven Minderwert auf Ersatzbeschaffungsbasis". Bei sehr starken Schäden ist das von Pfeffer ermittelte Ertragspotenzial des Händlers aus der Reparatur sehr hoch, weshalb er in seinem Programm dabei nur eine relativ geringe Händlerspanne als Zuschlag berücksichtigt. Bei abnehmender Schadensschwere sinkt dieses Ertragspotenzial, was durch steigende Händlerspannen kompensiert wird. "Durch eine Staffelung beim Händlernutzen ergeben sich marktkonforme Rest-und Minderwerte", ist Pfeffer überzeugt, bei der derzeitigen Judikatur des OGH einen für alle beteiligten fairen Kompromiss gefunden zu haben, wobei er für jüngere Fahrzeuge die merkantile Wertminderung gleich mitberücksichtigt hat. Der im Verhältnis zu den tatsächlichen echten Reparaturkosten niedrigere "objektive Minderwert" macht es für den Händler somit erforderlich, dass das Auto zuerst im Auftrag und auf Rechnung des Unfallopfers repariert und erst dann vom Kunden unter Anrechnung der bereits erfolgten Versicherungsabrechnung gegen ein anderes Fahrzeug eingetauscht wird. Ein Autohändler, der dem Kunden von Haus aus vor erfolgter Reparatur beim Eintauschpreis die vollen "fiktiven" Reparaturkosten vergütet, kann sich erfahrungsgemäß von der Versicherung meist nur einen Teil davon zurückholen. Er ist beim Eintausch des Unfallfahrzeuges in eine rechtliche Falle der Versicherung getappt. Mit dem Programm von Pfeffer kann er gleich berechnen, was ihn dieser Fehler bei der Schadensabrechnung kosten wird.

Was bei einer Totalschadensab rechnung noch alles zu berücksichtigen ist, erfahren Sie in der nächsten Ausgabe von "AUTO&Wirtschaft"