EnormeÜberkapazitäten? Lange Reihen unverkäuflicher Neufahrzeuge? Das sind Gespenster von gestern. Mittlerweile macht in der Autoindustrie die Angst die Runde, dass man den ungebrochen wachsenden Bedarf an Fahrzeugen nicht mehr decken kann -zumal die erdbebenbedingten Produktionsausfälle in Japan über die weit verzweigten Zulieferkanäle so gut wie alle Hersteller treffen.

Wer dennochüber eine ausreichende Lieferfähigkeit verfügt, dem stehen lukrative Chancen offen. Schon 2010 hat die weltweite Autoproduktion mit 63,6 Millionen Fahrzeugen einen Spitzenwert erreicht, heuer gilt ein neuer Rekord bei den meisten Konzernen als so gut wie sicher. China und Indien sind die Wachstumstreiber, in Lateinamerika und Russland zeigen die Verkaufskurven ebenfalls nach oben. Selbst in den gerade noch krisengebeutelten USA ist die Lust am Autokauf zurückgekehrt.

Bekenntnis zum Wachstum

"Die Autoindustrie ist eine massive Wachstumsbranche", sagt Dr. Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender von Daimler. "Wenn wir vor zehn Jahren das Gefühl hatten, die Autoindustrie sei eine reife Industrie, Wachstum gebe es nicht mehr, es gehe alles nur noch über Produktivitätssteigerungen und so weiter, dann müssen wir heute feststellen, dass das eine grandiose Fehleinschätzung gewesen ist."

Als Fehleinschätzung erwiesen sich freilich auch die Pläne, mit der Marke smart in den USA zu reüssieren. Jetzt wagt Daimler einen zweiten Anlauf, indem man sich vom Importeur Penske trennt und den Vertrieb selbst in die Hand nimmt. In der medialen Wahrnehmung werde die Marke unter ihrem Wert geschlagen, bedauert Zetsche: "Es ist zum Beispiel wenig bekannt, dass in Deutschland mehr smart als Mini verkauft wurden."

In Sachen E-Mobilität glaubt Zetsche eher an die Brennstoffzelle als an Batterien: "Ihre Reichweite ist mit konventionellen Antrieben vergleichbar, die Betankungszeit ebenfalls. Das sind zwei signifikante Produktvorteile." Bleibt noch die Frage nach dem Preis, auf die Zetsche eine erstaunliche Antwort gibt: "Wir haben das Ziel, etwa bis 2015 oder 2016 ein Kostenniveau zu erreichen, das dem eines Diesel-Hybrids entspricht."

Österreich muss warten

Der Antrieb der Zukunft ist auch für Nissan ein entscheidendes Thema -und das nicht nur aus Umweltschutzgründen. "Es ist heutzutage schlicht unmöglich, ein Auto, das den Kunden nicht wirklich gefällt, in den Markt zu drücken", sagt Colin Dodge, Executive Vice President von Nissan. Mit dem Leaf biete man dagegen ein Fahrzeug vonungeahnter Begehrlichkeit an: "Das ist derzeit das einzige Elektroauto der Welt, das ein vollwertiger und alltagstauglicher Fünfsitzer ist." In fünf europäischen Märkten ist der Leaf bereits erhältlich. Wie steht es um Österreich? Länder ohne staatliche Anschubfinanzierungen hätten vorerstkeine Priorität, verweist Dodge auf die Untätigkeit unseres Umweltministers.

"Beim Juke haben wir bisher doppelt so viele Verkäufe wie geplant registriert und den Qashqai produzieren wir nach wie vor in 3 Schichten", berichtet Dodge weiter. Das Crossover-Modell läuft im britischen Werk Sunderland vom Stapel: Ein währungstechnischer Vorteil, den andere japanische Hersteller nicht haben.

Sprit sparen ohne ...

Mazda ist beispielsweise ausschließlich auf Werke in Fernost angewiesen. Dennoch konnte Jeff Guyton, CEO von Mazda Motor Europe, im Vorjahr eine Absatzsteigerung von knapp 9 Prozent auf rund 207.000 Einheiten verzeichnen. Seine Ziele sind noch viel ambitionierter: "Mittelfristig sollten wir 300.000 Stück erreichen." Schon in den derzeit bearbeiteten Segmenten gebe es dafür genügend Potenzial. Bis die ersten der dazu benötigten Modellneuheiten auf den Markt kommen, wird aber noch ein Jahr vergehen.

"Wir sind anders als der Mainstream", erläutert Guyton seinen Zugang zum Thema Elektromobilität: "Mit unseren zukünftigen Motoren geben wir den Kunden die Effizienz eines Hybridmotors, ohne sie mit dessen Kosten und dem zusätzlichen Gewicht zu belasten."

... und mit Hybrid

"Wir sollten uns heuer ein halbes Prozent MA zurückholen", sagt Miguel Fonseca, Vice President Sales and Marketing bei Toyota Motor Europe. Im Vorjahr musste man dagegen einen Rückgang von 882.000 auf rund 808.000 Stück hinnehmen. Freilich werde man sich "keine Stückzahlen erkaufen", betont Fonseca, sondern gemeinsam mit den Händlern nachhaltig wachsen. Einen wichtigen Beitrag sollen dazu die Hybridmodelle leisten von denen im Vorjahr gut 70.000 Stück abgesetzt wurden: "heuer rechnen wir mit einem weiteren Plus von 30 Prozent", sieht Fonseca anhaltend großes Kundeninteresse.

"Aufwertung der Marke"

Für Citroën spielt die Hybridtechnologie, und zwar in Form des Diesel-Hybrids, eine wichtige Rolle: "Heuer werden wir mit dem DS5 unser erstes Hybridfahrzeug einführen", erklärt Frédéric Banzet, Managing Director von Citroën. Mittelfristig werde diesbezüglich auch das vor Kurzem beschlosseneJoint Venture mit BMW eine wichtige Rolle spielen. Die reine Elektroautopalette soll innerhalb einer "sehr vernünftigen Zeitspanne" erweitert werden: "Neben dem C-Zero haben wir schon jetzt den Berlingo First Electrique im Programm und wir arbeiten an einer E-Version des anderen Berlingo."

"Wir haben auch in Europa Wachstumspotenzial, werden den Marktanteil aber nicht um seiner selbst willen nach oben treiben", betont Banzet. Stattdessen gehe es um die "Aufwertung der Marke": Dazu leiste die DS-Reihe, die nach dem DS3 jetzt um den DS4 und in Kürze um den erwähnten DS5 ergänzt wird, einen wichtigen Beitrag. Doch auch die Händler sind gefordert, denn bis Ende 2012 will Banzet die Umsetzung der umstrittenen neuen Standards abschließen.

"Echte Authentizität"

Bei Land Rover werde es trotz der geplanten Vertragskündigungen keine Umstrukturierungen im heimischen Vertriebsnetz geben, beruhigt Importchef Peter Modelhart. Er kann mit der Absatzentwicklung ebenso zufrieden sein wie Brand Director John Edwards, denn weltweit wurde 2010 ein Plus von knapp 20 Prozent auf gut 180.000 Verkäufe verzeichnet: "Wir gehen davon aus, dass wir diesen Schwung heuer halten können", sagt der Markenchef. Erleichtert werde dies durch die "wirklich globale Positionierung", die derzeit beispielsweise für beeindruckende Zuwächse in China sorge. "Es wird nicht lange dauern, bis China unser stärkster Markt wird", so Edwards. Im Vorjahr lag das Reich der Mitte noch hinter den USA und Großbritannien auf Platz 3. Auf den heuer startenden Range Rover Evoque sollten weitere Neuigkeiten folgen, erklärt Edwards: "In den nächsten 2 oder 3 Jahren werden wir sehr viel zu tun haben." Unverändert bleibe die Positionierung der Marke: "Wir werden immer ein SUV-Spezialist sein. Deshalb steckt in unserem Geschäft echte Authentizität."

Beunruhigende Signale

Mit lediglich 31.696 Autos im Jahr 2010 ist Saab, der Inbegriff des Nischenanbieters. "Das bedeutet, dass wir mit jedem Auto, das wir verkaufen, auch Geld verdienen müssen", sagt CEO Jan Ake Jonsson. Wie viele Verkäufe sind nötig, um die Verlustzone zu verlassen?"Im Gesamtjahr 2012, wenn wir nach dem 9-5 Sportcombi und dem 9-4X auch den neuen 9-3 verfügbar haben, wird unser Break-even-Point bei 80.000 bis 85.000 Einheiten liegen", antwortet Jonsson. Neue Märkte wie Russland, China oder Australien sollen dazu beitragen. Sechs von zehn Fahrzeugen werde man aber weiterhin in Europa verkaufen, weitere 20 Prozent in Nordamerika.

"So weit, so gut", fasst Jonsson am Genfer Salon den Stand der Saab-Sanierung zusammen. Umsoüberraschender kam es, dass der Neunundfünfzigjährige wenig später seinen Rückzug ankündigte. Auch der als Finanzchef verpflichtete Nils-Johan Andersson sprang ab: beunruhigende Signale von einer Marke, der viele Autoliebhaber bei ihrem steinigen Weg zurück die Daumen drücken.

Profitabilität entscheidet

Ford hat 2010 in Europa Ertrag erwirtschaftet und jage nicht dem Marktanteil hinterher, sagt Roelant de Waard, Vice President Marketing, Sales and Service: "Wir glauben, dass Profitabilität und Überkapazität in der Automobilindustrie auf Dauer nicht zusammenpassen." Für 2011 geht er von 1,55 Millionen Ford aus europäischen Fabriken aus. De Waard ist "ein Freund der Händler, die Ertrag erwirtschaften und Marktanteil sowie Kundenzufriedenheit erreichen".

"Ein Begriff wie quattro"

Audi gilt dagegen als grundsolide und hoch profitabel. Knapp 1,1 Millionen Autos haben die Ingolstädter im vergangenen Jahr verkauft, bis 2015 sollen es noch wesentlich mehr werden. Dann will man nämlich "der erfolgreichste Premium-Hersteller der Welt" sein, unterstreicht Vertriebsvorstand Peter Schwarzenbauer: "Schritt für Schritt bewegen wir uns genau in die richtige Richtung." Zu den Erfolgsfaktoren zählt China, wo die Verkäufe 2010 um 43 Prozent auf 228.000 Stück stiegen, sowie die Erweiterung des Premiumsegments: "Der A1 läuft super", berichtet Schwarzenbauer. "Wir sind auf dem besten Weg, unsere Ankündigung von 120.000 Autos bereits im ersten Jahr zu realisieren",

Und die Elektromobilität? Als erstes batterieelektrisches Fahrzeug soll Ende 2010 der R8 auf den Markt kommen. "Irgendwann wird e-tron so ein Begriff sein wie heute quattro", ist sich Schwarzenbauer sicher.

Flacher Markt

Im vergangenen Jahr konnte Peugeot seine weltweiten Verkäufe von 1,84 auf 2,14 Millionen Stück steigern. Davon entfielen rund 1,17 Millionen auf Europa. Heuer würden die europäischen Verkäufe etwas über 2010 liegen, doch dies sei "gar nicht so interessant" meint Generaldirektor Vincent Rambaud: "Wichtiger ist, dass sich der Modellmix deutlich verbessert. Die obersten Segmente, in die wir mit Nachdruck investiert haben, entwickeln sich am stärksten."

Den europäischen Gesamtmarkt schätzt Rambaud, dessen Marke immerhin der viertstärkste Anbieter ist, ähnlich ein wie die meisten anderen Manager: "Länder wie Deutschland oder Österreich werden zulegen, Frankreich und Südeuropa eher verlieren. In Summe rechnen wir mit einem mehr oder minder flachen Markt." Für das Gros der europäischen Händler bedeutet das also einen unverändert harten Konkurrenzkampf: Das große Wachstum, das die Autobauer so zuversichtlich stimmt, findet anderswo statt.

Ambitionen zum Abschied

Kurz nach dem Genfer Salon hat sich Nick Reilly bei Opel in den Aufsichtsrat verabschiedet, um seine Position als CEO an den Deutschen Karl-Friedrich Stracke zuübergeben. Während der Messe zeigte er noch die für ihn typische Mischung aus Optimismus und Realismus: "Es ist absolut richtig, dass wir 2010 Geld verloren haben. Aber dennoch war es ein viel besseres Jahr, als wir erwartet haben." Ab 2012 soll es wieder "vernünftige Erträge" geben. Das mittelfristige Ziel, ermöglicht durch beliebte Modelle wie Insignia oder Meriva: "Es sollte unsere Vision sein, unter den drei führenden Anbietern in Europa zu sein, was annähernd 10 Prozent Marktanteil bedeuten wird."(HAY)

Steigerungen im Visier

Über die gemeinsamen Ziele mit der Marke Mitsubishi in Österreich herrscht Einigkeit zwischen Mag. Gregor Strassl (l.), Geschäftsführer der für Mitsubishi zuständigen Denzel Autoimport und Osamu Masuko, President des Herstellers. Strassl möchte nach 42 Prozent plus im letzten Jahr und dem guten Start mit 1,6 Prozent Marktanteil in den ersten Monaten des heurigen Jahres den Schwung für weitere Steigerungen mit der Marke nutzen. Künftige Produkte sollen die Marke und die Händler im Verkauf voranbringen. "Die Preise müssen stimmen", setzt Strassl jedoch mit Blick auf die Wechselkurse voraus. (ENG)

"Einer der größten Erfolge aller Zeiten"

2004 hat Daewoo in Europa rund 250.000 Autos verkauft. 4 Jahre später hieß man Chevrolet und lag schon bei 508.000 Stück. "Das war einer der größten Erfolgsgeschichten, die es am europäischen Automarkt jemals gegeben hat", blickt Europachef Wayne Brannon zurück. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Jetzt gilt die Million als mittelfristiges Ziel. Modellewie der Orlando, der fünftürige Cruze oder der künftig auch dieselgetrieben Aveo sollten für weitere Zuwächse sorgen, sagt Brannon: "Andere Modelle wie Corvette, Camaro und Volt werden natürlich nur sehr geringe Stückzahlen bringen, doch sie helfen uns dabei, unsere Marke bekannter zu machen." Dies sei nach wie vor dringend nötig. (HAY)

Von außen betrachtet

Dass Automobile nicht bloß schnöde Mittel zur Erledigung von Transportaufgaben sind, sondern vornehmlich gesellschaftliche und unterbewusste Bedürfnisse befriedigen, ist eine Binsenwahrheit. Dass Hersteller deshalb erfolgreich sind, wenn sie eine emotionale Bindung des Konsumenten zu ihrem Produkt herzustellen vermögen,ebenso. Die Industrie hat -wenn auch nicht überall zur gleichen Zeit -erkannt, dass Ökologie nicht mehr ausschließlich Beschäftigungsfeld eines sektiererischen Zirkels ist, sondern in der Breitenwirkung einen gewissen Chic erreicht hat (man trägt Verantwortung statt Pelz). Die Produktion von Emotionsvehikeln, wie es das Automobil in ganz großem Maße ist, kann auch ein Fluch sein, wie sich hier zeigt: Einerseits ist der betriebswirtschaftliche Nutzen der Elektromobile für die Industrie heute allenfalls marginal, andererseits kann sich mit Ausnahme von Nischenherstellern ein Abseitsstehen aus Imagegründen niemand mehr leisten. Die Entscheidungsträger sind gut beraten, wenn sie das Thema nicht auf den schönen Schein beschränken und künftige Konsumentengenerationen ins Auge fassen, die das Thema individuelle Beförderungsmittel eher auf der Bewusstseinsebene abhandeln. Dass diese Käufer E-Motion unbedingt mit Emotion und Lifestyle in Verbindung bringen, könnte sich da durchaus als veralteter Ansatz erweisen. (RED)