Bisher haben die Hersteller noch vor jederÄnderung der Gruppenfreistellungsverordnung versichert, dass sie ihren Netzen die Treue halten werden", sagt Dr. Norbert Gugerbauer. "Doch noch jedes Mal sind danach einige Händler ohne Vertrag übrig geblieben." Es sieht ganz danach aus, als ob der Kartellrechtsexperte erneut recht behält.

Der 31. Mai 2011 ist dabei ein entscheidendes Datum: Da am 1. Juni 2013 die allgemeine GVO für Händlerverträge in Kraft tritt, ist es den Herstellervertretern bis dahin möglich, ordentliche Kündigungen mit zweijähriger Frist auszusprechen. Danach kann zwar noch eine einjährige Kündigungsfrist angewandt werden, doch würde dies laut der bisherigen österreichischen Rechtsprechung den Nachweis einer kompletten Umstrukturierung des Vertriebsnetzes erfordern: Ein juristisches Risiko, das wohl so mancher Importeur vermeiden will.

Frühzeitige Kündigungen

Der PSA-Konzern war der erste Hersteller, der sich zu Kündigungen entschloss: Sowohl bei Peugeot als auch bei Citroën wurden die Verträge schon zum 31. Mai 2010 gelöst, aber gleichzeitig um ein Jahr verlängert. Den dadurch gewonnenen zeitlichen Spielraum können beide Marken gut gebrauchen, denn nach wie vor ist offen, wie die Netze zukünftig aussehen werden. Bernhard Kalcher, der streitbare Obmann des Peugeot-Händlerverbands, scheint dabei noch in der angenehmeren Position zu sein: Zwar äußert er zahlreiche Bedenken, doch bezeichnet er das Verhandlungsklima als konstruktiv. "Vier bis sechs Wochen Vorlaufzeit" würden ausreichen, um die neuen Verträge zu unterzeichnen. Eine generelle Änderung der Vertriebsstruktur ist laut Kalcher nicht zu erwarten.

Massive Unstimmigkeiten

Anders sieht es bei der Schwestermarke Citroën aus. Während der Importeur nach außen hin beharrlich schweigt, droht laut einhelliger Meinung der Händler eine dramatische Netzbereinigung. Der Hintergrund: Schon der ehemalige Importchef Philippe Narbeburu hatte bemängelt, dass drei Viertel der 68 Haupthändler weniger als 200 Neufahrzeugepro Jahr absetzten. Allerdings gelten 150 Einheiten als internationales Mindestmaß, kleinere Partner sollten tunlichst als Agenturpartner fungieren. Laut Händlersprecher Peter Schöllauf könnten daher knapp 30 Vollbetriebe wegfallen.

"Einig vorgehen"

Wurde dem Franzosen Narbeburu noch eine gewisse Kompromissbereitschaft bei der Umsetzung der Konzernvorgaben zugestanden, so hat sich sein ausÖsterreich stammender Nachfolger Klaus Oberhammer den geballten Unmut der Vertragspartner zugezogen. Sie kritisieren übrigens nicht nur die neuen Standards: Auch kaum erreichbare Zielvorgaben treiben den Betriebsinhabern die Zornesröte ins Gesicht.

Nachdem Mitte Februar die bislang letzten Verhandlungen gescheitert sind, liegen alle Optionen auf dem Tisch. Darunter ist -obwohl es niemand offiziell sagen will -wohl auch die eines Rechtsstreits. "Wir müssen einig vorgehen", erklärt jedenfalls Schöllauf, der zur Koordination allen Verbandsmitgliedern eine Resolution mit den wichtigsten Kritikpunkten zustellen ließ.

Unklare Zukunft

Die Partner von Chrysler und Lancia leben seit Monaten in Unsicherheit. Die beiden Markenorganisationen werden bekanntlich zusammengeführt, wobei bis zum 1. Juni 2011 aus bislang 43 Chrysler-und 28 "alten" Lancia-Händlern 30 bis 40 "neue" Partner der italienischen Nischenmarke werden sollen. Einer der vielen Haken: Die bisherigen Vertragsentwürfe sehen pro Schauraum Investitionen von rund 50.000 Euro vor. Lancia kam im Vorjahrjedoch nur auf 799 Neuzulassungen. Kombiniert mit Chrysler waren es 1.782 Stück, aber bei dieser Berechnungsbasis beträgt das durchschnittliche Absatzpotenzial lediglich 50 Autos pro Händler.

Gefährliche Vorbildwirkung?

Noch mehr verärgert die Betriebsinhaber, dass sich der Hersteller das Recht einräumen will, bei jedem Modellwechsel Margen und Standards zu ändern. "Das könnte sogar für jede neue Motorisierung gelten", warnt Verbandsobmann Franz Schönthaler. Außerdem sollen Ersatzteile künftig auch außerhalb des Markennetzes vertrieben werden. Ein Fanal für die zukünftigen Verträge bei den Schwestermarken Fiat und Alfa Romeo?

Der europäische Händlerverband lehnt die neuen Verträge jedenfalls rundweg ab. Daran fühlt man sich auch in Österreich gedungen: Wir können nur vom europäischen Verband freigegebene Verträge akzeptieren", betont Schönthaler. Der Hersteller hofft unterdessen, nach wiederholten Verschiebungen noch imMärz erste Betriebe zu einer Unterschrift bewegen zu können.

Unterschiedliche Ansätze

Vertragskündigungen gibt es dieser Tage auch im Luxussegment: Jaguar und Land Rover lösen die Verträge mit ihren Händlern, geloben aber, mit dem bisherigen Netz weiter kooperieren zu wollen. Angesichts der ohnehin schon straffen Strukturen -für Jaguar sind 12, für Land Rover 19 Haupthändler tätig -erscheint dies durchaus glaubwürdig. So mancher Partner befürchtet aber, dass mit den neuen Verträgen die Margen sinken werden: ein Verdacht, zu dem der Importeur nicht Stellung nehmen will.

Andere Hersteller haben sich dagegenöffentlich dazu bekannt, keinerlei Kündigungen vorzunehmen. Das gilt beispielsweise für Mazda, Ford und Kia. Suzuki stellt zwar sein Vertriebssystem von einer exklusiven auf eine "selektiv-exklusive" Struktur um, doch soll dies laut Importchef Helmut Pletzer ohne Strukturkündigungen vonstatten gehen. Eine Reduktion des derzeit 47 Haupthändler umfassenden Netzes sei ohnehin nicht geplant. Bei Honda sind bis 31. Mai neue Verträge zu unterzeichnen. Eine Kündigung im Vorfeld wird es laut Geschäftsführer Roland Berger "aus heutiger Sicht" nicht geben: "Wir gehen davon aus, dass es ausreichen wird, unseren bestehenden Vertrag an die geänderten rechtlichen Bestimmungen anzupassen."

"Leibeigenschaft ist ein Hilfsausdruck"

Für Berger steht fest, dass der notorisch rendite-und eigenkapitalschwache Autohandel kaum in der Lage ist, noch teurere Herstellerstandards als bisher zu erfüllen: "Am Ende des Tages kann nur ein Händler, der aufgrund einer angemessenen Struktur Geld verdient, seinen Kunden etwas bieten." Das istzweifellos im Interesse eines Importeurs.

Dennoch werden weitere Marken der Versuchung erliegen, im Zuge des GVO-Endes ihre etablierten Netze für neue Vertriebsstrategien zu opfern. Zu verheißungsvoll sind die künftigen Freiheiten bei der Vertragsgestaltung. "Leibeigenschaft ist noch ein Hilfsausdruck", sagt Komm.-Rat Josef Schirak, Einzelhandelssprecher im Bundesgremium des Fahrzeughandels, nach einem Blick in einige zukünftige Verträge. Doch der Interessenvertreter kann nicht mehr tun, als seinen Mitgliedern finanzielle Unterstützung bei Rechtsstreitigkeiten anzubieten: Ein schwacher Trost für jene Händler, die ihre wirtschaftliche Existenz auf einem nicht mehr vorhandenen Vertrauensverhältnis aufgebaut haben.