Neuzulassungen in Rekordhöhe, doch an jedem zweiten Tag eine
Kfz-Insolvenz: Was hat die Branche aus 2010 gelernt?
163 Autohäuser und Werkstätten haben laut dem Gläubigerschutzverband
Creditreform im vergangenen Jahr Insolvenz angemeldet. Das waren zwar
8 weniger als 2009 - aber immerhin war 2010 auch "das beste Autojahr
aller Zeiten", wie man so mancher Tageszeitung entnehmen konnte.
Was in diesen Artikeln nur selten zu lesen war: Zwar lag der
Pkw-Markt mit 328.563 Neuzulassungen um knapp 3 Prozentüber dem
Vorjahreswert, doch sind die Tageszulassungen gleichzeitig von 14.438
auf 20.354 Stück gestiegen. Zieht man diese ab, reduziert sich das
Marktwachstum auf 1,1 Prozent. Ohne die Kurzzulassungen bis 30 Tage
hätte es schon ein Minus von 0,6 Prozent gegeben, ohne jene bis 60
Tage einen Rückgang um 3,1 Prozent und ohne jene bis 90 Tage gar um 4
Prozent.
"Blick in die Glaskugel"
Das Resultat dieser theoretischen Rechenübung: Im Vergleich zum
vergangenen Jahrzehnt war 2010 ein durchaus gutes, aber keineswegs
rekordverdächtiges Jahr. Wie wird es heuer weitergehen? "Derartige
Schätzungen sind ein absoluter Blick in die Glaskugel", sagt Burkhard
Ernst, Bundesgremialobmann des Fahrzeughandels. An sich sei ein
"positives, aber nicht himmelhoch jauchzendes Autojahr" mit 290.000
bis 300.000 Pkw-Neuzulassungen zu erwarten: "Wenn aber hemmungslos
Kurzzulassungen getätigt werden, können es genauso gut 330.000 oder
340.000 werden."
"Marktanteile beliebig geschönt"
Wie viele der Tages- und Kurzzulassungen unmittelbar danach in den
Export gingen, ist nach wie vor unklar. Ernst erklärt den Kampf gegen
derartige Vertriebstaktiken jedenfalls zu seinem "primären Anliegen".
In Wahrheit sind ihm die Hände gebunden: Es ist schließlich das gute
Recht eines Importeurs (oder Händlers), über diese Kanäle Geld zu
verdienen.
Was diese Praktikenüber das Wesen des Autohandels aussagen, steht
jedoch auf einem anderen Blatt: Die Möglichkeit zu "echtem" Wachstum
ist offensichtlich kaum mehr vorhanden. Von "basarähnlichen
Gepflogenheiten" und einem "Sittenbild der Branche" spricht daher
Josef Schirak, Einzelhandelssprecher und Urgestein derAutoszene:
"Marktanteile werden beliebig geschönt und verschoben. Daraus
resultieren letztlich Listenpreiskapriolen und Preisunterschiede in
kaum mehr plausiblen und nachvollziehbaren Zusammenhängen."
Kleinere Firmen unter Druck
Dass sich an diesen Zuständen kaum etwas ändern wird, solange
Konzerninteressen sowie unterschiedliche nationale Steuer- und
Einfuhrbestimmungen das Geschäft mit "Scheinzulassungen" begünstigen,
ist jedem Branchenkenner klar. Was bedeutet das für die tradierte
Struktur des heimischen Autohandels? Großbetriebe profitieren, denn
sie können diese Klaviatur bespielen. Kleinere Autohäuser, die das
"echte" Neuwagengeschäft laut Importeursvorgaben betreiben, können
immer schwerer mithalten. Gleichzeitig werden die Zinsen heuer wohl
steigen, damit wird sich die Bürde des hohen Fremdkapitaleinsatzes
verschärfen.
Nicht, dass im Autohandel 2011 kein Geld zu verdienen wäre - im
Gegenteil, die langsame Erholung der (mageren) Durchschnittsrenditen
wird sich wohl fortsetzen. Doch bei Weitem nicht jeder wird von
diesen Gewinnen profitieren.