Eine kaum abschätzbare Bombe ist die Berechnungsmethode des OGH zur Ermittlung jenes Benützungsentgelts, das sich der Käufer bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen anrechnen lassen muss. 

Schon 2018 haben die beiden Kfz-Schadensexperten Dr. Wolfgang Pfeffer und Mag. Karl-Heinz Wegrath auf die Vielfalt der im Umlauf befindlichen Berechnungsmethoden verwiesen. Eine Methode war, vom ursprünglichen Kaufpreis den „ortsüblichen Mietzins“ für die Nutzungsdauer in Abzug zu bringen. Damit konnte das Benützungsentgelt schon in kurzer Zeit den Barkaufwert übertreffen, das Wandelungsbegehren des Käufers somit ad absurdum führen. Manche Gerichte und Sachverständigen sind pauschal von generellen Entschädigungssätzen pro gefahrenen Kilometer ausgegangen, was teilweise kuriose Ergebnisse ergab. Deshalb haben andere Gerichte den tatsächlich bezahlten Barkaufpreis und den nach Gebrauch ermittelten Wiederverkaufspreis des retournierten Kfz als Berechnungsbasis herangezogen. Damit wird der überproportional hohe Anfangs-Wertverlust des Fahrzeugs ausschließlich den schuldlosen Käufern aufgebürdet.  

Eine weiterhin gängige Methode ist die Berechnung des Nutzungsentgelts als Differenz zwischen dem Bruttoeinkaufspreis und dem Händlereinkaufswert zum Wandelungszeitpunkt. Womit der nach einer Rückabwicklung strebende Käufer den vollen – zeitbedingt degressiven – Wertverlust einschließlich der Händlerspanne zu tragen hätte. Was für den Käufer kaum einen Unterschied zu einem normalen Eintausch beim Fahrzeughändler bedeutet.

In Deutschland dienen der Hersteller-Listenpreis und die prognostizierte künftige Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs als Basis. Das ergibt seinen durchschnittlichen Kilometerpreis. Der wird ganz einfach mit der tatsächlich gefahrenen Kilometeranzahl zum Zeitpunkt der Wandelungsklage multipliziert. Das ist jener Anspruch, den der Verkäufer bei der Rückabwicklung als Minderungsanspruch geltend machen kann und den sich der Käufer als Minderung des erlittenen Schadens anrechnen lassen muss. Im konkreten Fall hatte der Tiguan im März 2015 einen Listenpreis von 32.425 Euro. Mit 17 Prozent Rabatt bekam ihn der Käufer um 26.890 Euro. VW ging bei der Berechnung des Nutzungsentgelts vom ursprünglichen Kunden-Nettopreis abzüglich des Händlereinkaufspreises zum jeweiligen Rückabwicklungszeitpunkt aus. Bei Klagseinbringung hatte der Tiguan nach 4,5 Jahren bei 43.500 km laut „Eurotax blau“ einen Wert von 12.200 Euro. Das ergibt einen Rücknahmepreis von 14.690 Euro, den VW bei dieser Laufleistung als Rückerstattung des ursprünglichen Kaufpreises zu zahlen bereit war. Das entspricht einem Nutzungsentgelt von 0,3377 Euro pro km.

Diese von VW gewählte „Händlereinkaufspreismethode“ wurde vom OGH nunmehr ausdrücklich abgelehnt. Er folgte der Berechnung des deutschen Bundesgerichtshofes. Eine Laufleistung des fabrikneuen Tiguan von 249.500 km und ein Nettopreis von 26.890 Euro ergibt ein Nutzungsentgelt von 0,1077 Euro je Kilometer. Beim Schluss der Verhandlung erster Instanz hatte der Käufer bereits 70.180 km des Tiguan- Autolebens verbraucht. Er muss sich daher insgesamt von seinem Nettopreis bloß ein Nutzungsentgelt von 7.563,69 Euro anrechnen lassen. VW muss dem Käufer 19.326,31 Euro bezahlen. 

Dieses OGH-Urteil betrifft nicht nur VW und Mercedes, sondern ist bei allen künftigen Kaufpreis-Rückerstattungen – auch bei Gebrauchtwagen – zu berücksichtigen. Das kann den Autohandel künftig noch teuer zu stehen -kommen. 



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