Online-Shopping ist Alltag bis auf eine Ausnahme, den Neuwagenkauf. Verbissen kämpfen die traditionellen Autobauer mit ihren Handelssystemen gegen eine digitale Übermacht. Man glaubt, sich durch Gruppenfreistellungen, eine Art chinesische Mauer, absichern zu können. Das Auto braucht das emotionale Kauferlebnis in pompösen Autohäusern, so das Dogma.

Tesla ist der einzige Autohersteller, der dem Kunden Online-Shopping ermöglicht. Der Rest redet darüber, aber zur Bestellung wird es dann wieder Offline. Der Verkäufer im Autohaus schickt die Bestellung ab. Jetzt ist Elon Musk so weit gegangen, dass er einen Großteil seiner Stores -nicht alle, wie er zu schnell getwittert hat -aufgibt. Der Tesla-Kunde braucht den Store nicht.

Nicht nur Elon Musk macht die Mauer löchrig. Seit 2007 sind Neuwagen-Internetvermittler wie "Mein-Auto" im Markt. Mein Auto vermittelt mehr als 50.000 Neuwagen pro Jahr. Hohe Rabatte, da ein Großteil der traditionellen Verkaufsleistungen und -kosten wegfallen, machen MeinAuto für Käufer interessant.

Cluno, Autohaus24 und andere gehen einen Schritt weiter und bieten Car-Abos. Für einen monatlichen Festbetrag ist alles - außer Treibstoff - inklusive. Der komplette Full-Service-Leasingvertrag kann heute digital abgewickelt werden. Wozu brauche ich ein Autohaus, wenn ich keinen Gebrauchtwagen in Zahlung gebe, wenn das Risiko, dass ich falsch kaufe null ist, keine versteckten Mängel interessieren, Restwerte mir egal sein können? Wenn dann noch eine Wechselmöglichkeit oder ein Rückgaberecht von einer Woche wie bei Elon Musk geboten wird, bin ich in der Amazon-Welt. Eine Welt ohne Präsentation im Autohaus. Früher war das Autohaus eine Art Versicherung für den Kunden. Das Risiko, falsch zu kaufen, seinen Gebrauchtwagen nicht los zu werden, ein Problem zu übersehen, wurde vom Verkäufer "abgesichert". Man hatte eine Vertrauensperson. Beim Car-Abo braucht es keine Vertrauensperson. Die Risiken sind aus dem Weg geräumt.

Die Löcher in der chinesischen Mauer werden größer: 10 Prozent muss der Kunde für die Autohaus-Kosten beim Neuwagenkauf berappen. Eine stolze Summe. Neue Automarken wie Byton, Lynk&Co oder die Volvo-Tochter Polestar kommen mit Online-Kauf und ohne Autohaus. Für die traditionellen Autobauer wird das Leben schwerer. Die Autobauer versuchen seit 20 Jahren, das Problem nach der Methode "Duschen, ohne nass zu werden" zu lösen. Natürlich ohne Erfolg. Man hat Angst, "dem Hund, den Schwanz abzuschneiden", also hat man eine Methode gefunden, die nur einen Teilschmerz bringen soll. Alle paar Jahre ein Stückchen abzuschneiden, lautet die Strategie. Also macht man von Zeit zu Zeit neue Händlerverträge und fährt Marge und Standards zurück. Irgendwann, so die Theorie, müsste man dann ja im reinen Online ankommen.

Stückweises Kupieren beinhaltet ein enormes Risiko, das ungleich verteilt ist. Der Handel trägt den größten Klumpen, gemeinsam mit seiner Hausbank. Bleibt die Frage, wie man aus dem Dilemma kommt. Nur durch schöpferische Zerstörung, wie sie der große österreichische Ökonom Joseph Schumpeter beschrieb. Wir müssen die Sache vom Ende her denken. Nehmen wir uns also ein Datum, sagen wir 2030, und überlegen, in welchen Schritten wir unsere Investitionen im Neuwagenbereich herunterfahren müssen, um dann den Schalter vollständig umzulegen. Für die Zukunft bleibt der Service und der ist deutlich interessanter als Tageszulassungen und Ausstellungspaläste mit gelangweilten Verkäufern. Die Händler müssen das Thema angehen. Es steht viel Vermögen auf dem Spiel.