Verfolgt man die Veränderungen der aktuellen CI-Richtlinien bei
vielen Automobilherstellern und -importeuren, dann bekommt man fast
den Eindruck, die Zeit sei stehen geblieben: Noch immer scheint sich
ein großer Teil der Aktivitäten der Hersteller in Richtung Handel
darauf zu konzentrieren, wie man die Fußböden, die Möblierung der
Showrooms und die Farben der Fahnen und Pylone gestaltet -als ob man
durch eine schwarze Signalisation am Händlerbetrieb mehr Autos
verkauft, als wenn die Fahnen in Blau wehen. <br /><br />Um nicht den Beifall von der falschen Seite zu bekommen.
Ja,
natürlich muss die CI im Handel stimmen, denn immerhin verkaufen wir
dort teure und wertige Produkte und dazu muss das Verkaufsambiente
passen. Tolle Produkte verkauft man nicht im Hinterhof und auch wenn
der Kunde nicht unbedingt die Marmorfußböden braucht, wenn er einen
Kleinwagen kauft: Der Händlerbetrieb sollte modern, aufgeräumt und
durchaus ein wenig "stylish" sein. Angesichts der gravierenden
Veränderungen im Kundenverhalten kann und darf das aber nicht die
Hauptbaustelle in der Hersteller-Händler-Beziehung sein. Notwendig
ist vielmehr, den Handel digital aufzurüsten, um den künftigen
Herausforderungen gerecht zu werden.
Dabei geht es aber nicht allein darum, jedem Händlerbetrieb einen
Touchscreen, eine Powerwall und den Einsatz von Tablets
vorzuschreiben. Vielmehr müssen die Abläufe an das digitale Zeitalter
angepasst werden. Beispiel: Live Chats. Wer heute ein Auto im
Internet konfiguriert, hat möglicherweise Fragen dazu, und die möchte
er nicht irgendwann, sondern sofort beantwortet haben. Dazu muss es
eine Live-Chat-Funktion geben, bei der der Kunde direkt mit einem
Verkaufsberater sprechen kann. Dazu müssen Prozesse, aber auch
Qualifikationen verändert werden und hier ist der Handel zwingend auf
die Unterstützung des Herstellers angewiesen.
Gleichzeitig gilt es, die Aufwendungen, denen der Händler im Rahmen
seines Vertrages nachkommen muss, neu auszubalancieren. Kommen zu den
anspruchsvollen baulichen Standards, die jeder Händler erfüllen muss,
jetzt auch noch hohe digitale Standards, dann könnte manchem Händler
die Luft zum Atmen genommen werden. Im Klartext: Jeder Händler kannsein Geld nur einmal ausgeben, und zwar am besten dort, wo es die
höchste Wirkung zeigt. Wenn es denn so ist, dass die Kunden immer
seltener ins Autohaus kommen, dann müssen alle - Hersteller und
Händler - mehr in die Online-Kanäle und weniger in "Bau, Steine,
Erden" investieren.
All das muss schließlich auch Konsequenzen für die Margensysteme,
insbesondere die Leistungsboni, haben. Wenn die digitale
Erreichbarkeit und Kompetenz des Handels immer wichtiger werden, dann
müssen solche Angebote und Leistungen auch bonifiziert werden -und
nicht nur die Größe und Einrichtung des Showrooms. Hier sind
konstruktive Gespräche notwendig, wenn die Digitalisierung nicht in
einer finanziellen Sackgasse für den Handel enden soll. Andererseits
werden die Hersteller ihre Digitalstrategien nur umsetzen können,
wenn der Handel wirklich mitzieht. Mit der Digitalisierung wird die
Systempartnerschaftzwischen Hersteller und Handel nicht gesprengt,
wie immer wieder behauptet wird, sondern noch verstärkt: Da die
Schnittstelle zum Kunden immer direkter wird, sind Hersteller und
Handel darauf angewiesen, dass kein Kundenkontakt in den Weiten des
Internets verloren geht.
Die Digitalisierung verändert also nicht nur die Beziehung zum
Kunden. Sie hat auch Konsequenzen für die
Hersteller-Händler-Beziehung. Die althergebrachte "Bauberatung" in
Ehren -was der Handel heute braucht, ist eine "Digitalberatung", und
zwar auf professionellem Niveau!
Prof. Dr. Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft
(IFA) an der Hochschule Nürtingen-Geislingen (D)
"Was der Handel heute braucht, ist eine Digitalberatung, und zwar auf
professionellem Niveau!"