Experten der Reifenbranche sehen den Ersatzbedarf in einer gewissen Abhängigkeit von der Erstausrüstung. Die großen Konzerne fürchten vor allem die Überproduktion wie der Teufel das Weihwasser. Um den damit verbundenen Belastungen zu entgehen, wird derzeit von allen in Europa führenden Marken mit großer Vorsicht produziert.

Dadurch wollen die Hersteller verhindern, dass Pneus auf Halde landen, was wiederum eine nicht gerade wünschenswerte Kettenreaktion auslösen könnte, und zwar den Verkauf der überzähligen Produkte auf Spotmärkten, was Querimporte und den damit verbundenen Preisdruck auslöst. Umgekehrt entsteht dadurch das Problem, dass bei bestimmten Größen Lieferprobleme in der Nachrüstung auftreten.

Zu weit gehene Produktionskürzungen

Indem die Konzerne diesem Fallstrick ausweichen, fangen sie sich möglicherweise im nächsten Dilemma. Es beruht darauf, dass durch die zu geringe Produktion die Gefahr entsteht, dass in wesentlichen Sektoren der Ersatzbedarf nicht befriedigt werden kann. Bei einer führenden Marke war trotz des allgemeinen Marktrückgangs (von rund 6 Prozent) das bereits diesen Sommer der Fall. Fachleute weisen darauf hin, dass dasselbe Problem im Winterreifengeschäft auf breiterer Front und verschärft auftreten könnte.

Zur eingeschränkten Lieferfähigkeit der Industrie kommt die Tatsache, dass vergangenen Winter die Lager des Fachhandels weitgehend geräumt wurden. In der aktuellen Situation werden sie nicht zwangsläufig ausreichend aufgefüllt, weil es die wirtschaftliche Vernunft gebietet, die Lager generell schlank zu halten.

Falsche Bescheidenheit

Nach Meinung von Experten braucht nur ein strengerer Winter zu kommen, um die Lieferfähigkeit der gesamten Branche selbst in Massensegmenten infrage zu stellen. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Industrie nur produziert, was bestellt wird. Der Handel ordert wiederum nur, was er sicher anzubringen hofft. So malt der Teufel sich nahezu von selbst an die Wand: Mangels ausreichender Großhandelskapazitäten drohen massive Lieferengpässe zu entstehen.

Unabhängig von dieser Entwicklung stellen die Automobilhersteller die Reifenbranche vor überraschende Entwicklungen. Zum Beispiel dadurch, dass "aussterbende" Reifengrößen durch neue Modelle plötzlich wiederbelebt werden, wie das beim jüngsten Polo-Modell von VW und einer Reihe anderer Kleinwagen der Fall ist. Womit wir bei der Tatsache angelangt sind, dass trotz des Jammers über Absatzrückgänge bestimmte Produkte gar nicht in ausreichender Zahl angeboten werden.