Nach beinahe einem Jahrzehnt dürfen die ehemaligen deutschen Händler
von MG Rover auf einen Geldsegen hoffen. Hierzulande hat der
spektakuläre Prozess eher symbolische Bedeutung.
Mit einem - noch nicht rechtskräftigen -Urteil des Landesgerichtes
Düsseldorf wurde BMW von der eigenen Vergangenheit eingeholt. Zur
Freude der in den Konkurs geschlitterten MG-Rover Deutschland GmbH
(MGRD) und der ehemaligen Rover-Händler, die Forderungen in
Millionenhöhe in der Luft hängen haben: Es geht um 108 Millionen
Euro, die BMW nach dem derzeitigen Verfahrensstand an den
Masseverwalter zu zahlen hat.
Mitgift für die neue Tochter
Im Jahr 2000 beschlossen die Bayern, unter ihr englisches
Rover-Abenteuer einen Schlussstrich zu ziehen. Rover wurde mit einer
entsprechenden Mitgift an die brustschwachen Spekulanten der
Phoenix-Gruppe losgeschlagen. Land Rover ging an Ford. Dafür wurden
die zum Geschäftsbereich Land Rover gehörenden Vermögenswerte auf die
BMW AG übertragen. Schon vorweg gab es seit dem 5. Mai 1996, also dem
Beginn der BMW-Rover-Ehe, zwischen der MGRD und der BMW Intec
Beteiligungs GmbH, 100-Prozent-Tochter des Konzerns und alleinige
Gesellschafterinder MGRD, einen bis zum 31. Dezember 2000
befristeten Ergebnisabführungsvertrag. Mit diesem wurde BMW Intec
verpflichtet, sämtliche Verluste von MGRD abzudecken. Dafür räumte
BMW ihrer MG-Rover-Tochter zum Start in die gemeinsame Zukunft eine
Kreditlinie über 300 Millionen D-Mark ein. Diese wurde aufgrund der
Anlaufverluste am 5. März 1999 auf 550 Millionen aufgestockt. Im
April 2000 stand die MGRD bei der Konzernmutter mit 515 Millionen
Mark (263 Millionen Euro) in der Kreide.
Trickreicher Schachzug
Am 10. April 2000übertrug BMW Intec die MGRD auf die Rover Overseas
Holdings Ltd. Diese gehörte zu 100 Prozent der Rover Group Ltd., die
über die BMW (U.K.) Holdings Ltd. wiederum im Alleineigentum des
BMW-Konzerns stand. 14 Tage später wurde im Zuge der geplanten
Notbremsung der noch bis Jahresende gültige Ergebnisabführungsvertrag
aufgehoben. Gleichzeitig übertrug die BMW AG ihre Anteile an der Land
Rover Deutschland GmbH an die zu diesem Zweck am 30. März neu
gegründete Land Rover Group Ltd. Dies war Teil eines trickreichen
Schachzuges: Am 28. April schlossen die beiden BMW-Töchter MGRD und
Land Rover Deutschland einen Vertrag, mit dem die MGRD verpflichtet
wurde, sämtliche Vermögensgegenstände und Forderungen, die Land Rover
betrafen, an ihre "Schwester" Land Rover Deutschland abzutreten. Es
handelte sich dabei um den florierenden Teil des ansonsten nur
verlustbringenden Rover-Deals. Mit50 Millionen Mark war dies für die
Land Rover Deutschland GmbH ein Schnäppchen, hatte dieses Vermögen
damals doch den ansehnlichen Buchwert von 267 Millionen Mark. Auch
diese 50 Millionen Mark flossen nicht in die MGRD. Statt dieser
Zahlung ließ sich die Land Rover Deutschland GmbH die Forderungen der
BMW AG gegen die MGRD aus der Kreditlinie von 550 Millionen Mark
abtreten und saldierte damit den Kaufpreis. MGRD war dadurch das
Land-Rover-Vermögen los, ohne davon auch nur einen Euro zu Gesicht
bekommen zu haben.
Eigentor für BMW
Die Düsseldorfer Richter beurteilten die BMW-Millionen als
"Sanierungsdarlehen" der Konzernmutter, da das Stammkapital von 20
Millionen Mark dafür bei Weitem nicht ausgereicht habe. Die
vorzeitige Auflösung des Ergebnisabführungsvertrages habe dazu
geführt, dass ab diesem Zeitpunkt das BMW-Darlehenals
eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen zu werten war. Damit
hatte sich BMW letztlich ein Eigentor geschossen. "Wenn die Aktiva
hinter der Summe von Stammkapital und echten Passiva zurückbleiben,
sind Leistungen an die Gesellschafter unzulässig", sieht das Urteil
in der bargeldlosen Übertragung der zum Geschäftsbereich Land Rover
gehörenden Vermögenswerten der MGRD an die Land Rover Deutschland
GmbH eine gesetzlich unzulässige "Zweckentfremdung des
Gesellschaftsvermögens" - mit dem Ziel, es den
Gesellschaftsgläubigern zu entziehen. Darüber hinaus, so die Richter,
sei bei der rechtlichen Beurteilung des Vermögens nicht von den
Buchwerten auszugehen, sondern vom Verkehrswert. Dieser sei
beträchtlich höher gewesen. "Dies ist daran zu erkennen, dass die
Veräußerung des gesamten Geschäftsbereiches Land Rover an die
Ford-Gruppe unstreitig für 3.000 Millionen Euro (ca 5.867 Millionen
Mark) erfolgte", sehen die Richter darin ein krasses Missverhältnis
zum vertragsmäßigen Kaufpreis von 50 Millionen Mark. Dadurch wurde
das Gesellschaftsvermögen der MGRD zum Nachteil aller
Gesellschaftsgläubiger zumindest in der Höhe des Buchwertes von 267
Millionen Mark verringert. Da 140 Millionen Euro Gläubigerforderungen
angemeldet wurden, seien die 108 Millionen zu deren Befriedigung
durchaus erforderlich.
Späte Verlustabgeltung
Dieses Urteil würde dazu führen, dass alle deutschen Rover-Gläubiger
- darunter viele Rover-Händler -die durch die Rover-Pleite
verursachten Verluste fast komplett von BMW ersetzt erhalten. Zu
hoffen bleibt, dass dies nicht zulasten der Spanne der BMW-Händler
geht. Dass die Entscheidung unmittelbare Auswirkungen auf Österreich
hat, ist unterdessen nicht zu erwarten: Bekannte Rechtskonflikte
zwischen ehemaligen Händlern und der Importeursseite wurden - oft
durch Vergleiche -beendet. Der letzte und de facto nach wie vor
existente Importeur GB Autoimport zeigt sich "überrascht" vom
deutschen Urteil: Eigentümer Stefan Gessele erklärt, dass man über
den Rechtsstreit bislang "nur am Rande" Bescheid gewusst habe.