In Deutschland ist die Sache völlig klar: Yes, we can. Der Geschädigte stellt das Fahrzeug in die Werkstätte, die einen Kfz-Sachverständigen ihrer Wahl mit dem Schadensgutachten beauftragt. In Österreich fragen sich die Werkstätten ängstlich: Dürfen wir denn das? Bleiben wir vielleicht auf SV-Kosten sitzen? Wird uns dieVersicherung nicht böse sein?

Kein Wunder, denn diese haben den Autofahrernüber Jahrzehnte eingebläut, dass für die Begutachtung eines Unfallschadens nur die Schadensstellen der Versicherung zuständig sind. Und die Schadensreferenten, die ja letztlich die Oberhoheit über die Schadenszahlung haben. Doch langsam setzt bei den Autofahrern ein Umdenken ein. Sie vertrauenlieber ihrer Werkstätte und unabhängigen Kfz-Sachverständigen, die ihnen von denen empfohlen wurden. Was vielen Versicherungen tatsächlich ein Dorn im Auge ist.

Sie kommen mit dem Standardargument, dass der Geschädigte gegen seine "Schadensminderungspflicht" verstößt. So hat die Generali den Ersatz der SV-Kosten mit dem Argument verweigert, dass bereits ein Besichtigungsbericht des ÖAMTC vorgelegen sei. Das Landesgericht Innsbruck sah dies anders (1R 115/03y): "Die Einholung eines vorprozessualen Gutachtens war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, da das Gutachten des ÖAMTC nicht vollständig war und der Kläger mit Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Behebungskosten für die darin nicht enthaltenen Schäden rechnen musste."

In einem anderen Verfahren argumentierte die Generali, die Kosten des "Privatgutachtens" wären überflüssig: Die Schadenshöhe sei problemlos durch das im Verfahren eingeholte Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen feststellbar.

Das Landesgericht Innsbruck (2R36/04i) sah das anders: Der Eigentümer des bei einem Unfall beschädigten Fahrzeuges ist nicht verpflichtet, dieses reparieren zu lassen. "Dem sachlich nicht geschulten Geschädigten muss also vor Klagsführung zugebilligt werden, sich eine verlässliche Grundlage seiner Schadenersatzforderung zu beschaffen. Der Verweis auf ein künftig vielleicht im Verfahren eingeholtes Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen wird dabei wenig hilfreich sein."

Auch die Tiroler Versicherung sträubte sich gegen den Ersatz eines derartigen kfz-technischen Gutachtens. Sie argumentierte, dass ohnedies die Begutachtung des unfallkausalen Schadens durch die allgemein anerkannten Sachverständigen der Fa. Top Report durchgeführt worden wären. Darüber hinaus wäre die Einschaltung eines Rechtsanwaltes zur Schadensregulierung überflüssig gewesen.

Eine Rechtsansicht, die vom Landesgericht Innsbruck (3R294/08v) verworfen wurde: Die Konsultation eines Anwaltes zur Ermittlung und Durchsetzung seiner Ansprüche sei dem Geschädigten zuzubilligen; für die dafür auflaufenden Kosten hätte der Schädiger einzustehen. Darüber hinaus "ist es dem Geschädigten jedenfalls zuzubilligen, dass er sich zum Zwecke der Feststellung des Schadens der Höhe nach an einen unabhängigen Sachverständigen wendet undnicht an eine Sachverständigenfirma, an der noch dazu die Zweitbeklagte selbst als Gesellschafterin beteiligt ist."

Auch für das Oberlandesgericht Innsbruck war der Kostenersatz für derartige Privatgutachten in einem Rechtsstreit des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs völlig klar (4R 59/03p):"Die Kosten des vorprozessual eingeholten Gutachtens des Kfz-Sachverständigen dienen zweifelsohne der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil der Kläger dadurch seine Schadenersatzansprüche betreffend den Fahrzeugschaden abschätzen konnte."

Es ist daher davon auszugehen, dass den Schadensreferenten der Versicherungen diese Judikatur ausreichend bekannt ist. Es ist daher beschämend, dass den Geschädigten dennoch immer wieder der Ersatz dieser SV-Kosten verweigert wird. Vielleicht sollten die Kfz-Werkstätten ihre Kunden darauf aufmerksam machen, welche Versicherungen sie im Interesse aller geschädigter Autofahrer künftig meiden sollten.