Hat ein schuldloser Autofahrer nach einem Unfall ein Recht darauf,
seinen Kfz-Schaden durch einen Kfz-Sachverständigen seiner Wahl
beurteilen zu lassen und vor allem dafür vom Gegner die Kosten
ersetzt zu bekommen? Dazu hat der Tiroler Rechtsanwalt Dr. Armin
Exner "AUTO&Wirtschaft" einige Urteile zur Verfügung gestellt.
In Deutschland ist die Sache völlig klar: Yes, we can. Der
Geschädigte stellt das Fahrzeug in die Werkstätte, die einen
Kfz-Sachverständigen ihrer Wahl mit dem Schadensgutachten beauftragt.
In Österreich fragen sich die Werkstätten ängstlich: Dürfen wir denn
das? Bleiben wir vielleicht auf SV-Kosten sitzen? Wird uns dieVersicherung nicht böse sein?
Kein Wunder, denn diese haben den Autofahrernüber Jahrzehnte
eingebläut, dass für die Begutachtung eines Unfallschadens nur die
Schadensstellen der Versicherung zuständig sind. Und die
Schadensreferenten, die ja letztlich die Oberhoheit über die
Schadenszahlung haben. Doch langsam setzt bei den Autofahrern ein
Umdenken ein. Sie vertrauenlieber ihrer Werkstätte und unabhängigen
Kfz-Sachverständigen, die ihnen von denen empfohlen wurden. Was
vielen Versicherungen tatsächlich ein Dorn im Auge ist.
Sie kommen mit dem Standardargument, dass der Geschädigte gegen seine
"Schadensminderungspflicht" verstößt. So hat die Generali den Ersatz
der SV-Kosten mit dem Argument verweigert, dass bereits ein
Besichtigungsbericht des ÖAMTC vorgelegen sei. Das Landesgericht
Innsbruck sah dies anders (1R 115/03y): "Die Einholung eines
vorprozessualen Gutachtens war zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung notwendig, da das Gutachten des ÖAMTC nicht
vollständig war und der Kläger mit Beweisschwierigkeiten hinsichtlich
der Behebungskosten für die darin nicht enthaltenen Schäden rechnen
musste."
In einem anderen Verfahren argumentierte die Generali, die Kosten des
"Privatgutachtens" wären überflüssig: Die Schadenshöhe sei problemlos
durch das im Verfahren eingeholte Gutachten eines gerichtlichen
Sachverständigen feststellbar.
Das Landesgericht Innsbruck (2R36/04i) sah das anders: Der Eigentümer
des bei einem Unfall beschädigten Fahrzeuges ist nicht verpflichtet,
dieses reparieren zu lassen. "Dem sachlich nicht geschulten
Geschädigten muss also vor Klagsführung zugebilligt werden, sich eine
verlässliche Grundlage seiner Schadenersatzforderung zu beschaffen.
Der Verweis auf ein künftig vielleicht im Verfahren eingeholtes
Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen wird dabei wenig
hilfreich sein."
Auch die Tiroler Versicherung sträubte sich gegen den Ersatz eines
derartigen kfz-technischen Gutachtens. Sie argumentierte, dass
ohnedies die Begutachtung des unfallkausalen Schadens durch die
allgemein anerkannten Sachverständigen der Fa. Top Report
durchgeführt worden wären. Darüber hinaus wäre die Einschaltung eines
Rechtsanwaltes zur Schadensregulierung überflüssig gewesen.
Eine Rechtsansicht, die vom Landesgericht Innsbruck (3R294/08v)
verworfen wurde: Die Konsultation eines Anwaltes zur Ermittlung und
Durchsetzung seiner Ansprüche sei dem Geschädigten zuzubilligen; für
die dafür auflaufenden Kosten hätte der Schädiger einzustehen.
Darüber hinaus "ist es dem Geschädigten jedenfalls zuzubilligen, dass
er sich zum Zwecke der Feststellung des Schadens der Höhe nach an
einen unabhängigen Sachverständigen wendet undnicht an eine
Sachverständigenfirma, an der noch dazu die Zweitbeklagte selbst als
Gesellschafterin beteiligt ist."
Auch für das Oberlandesgericht Innsbruck war der Kostenersatz für
derartige Privatgutachten in einem Rechtsstreit des Verbandes der
Versicherungsunternehmen Österreichs völlig klar (4R 59/03p):"Die
Kosten des vorprozessual eingeholten Gutachtens des
Kfz-Sachverständigen dienen zweifelsohne der zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung, weil der Kläger dadurch seine
Schadenersatzansprüche betreffend den Fahrzeugschaden abschätzen
konnte."
Es ist daher davon auszugehen, dass den Schadensreferenten der
Versicherungen diese Judikatur ausreichend bekannt ist. Es ist daher
beschämend, dass den Geschädigten dennoch immer wieder der Ersatz
dieser SV-Kosten verweigert wird. Vielleicht sollten die
Kfz-Werkstätten ihre Kunden darauf aufmerksam machen, welche
Versicherungen sie im Interesse aller geschädigter Autofahrer künftig
meiden sollten.