Es war eine schöne Zeit, als die Gemeinden Geschwindigkeitsmessungen
in eigener Verantwortung durchführen konnten. Die Höchstgerichte
machten einen Strich durch die Rechnung, also wurde nach neuen
Lösungen gesucht.
Der Begutachtungsentwurf für eine 25. Novelle der
Straßenverkehrsordnung STVO sieht vor, den Gemeinden neuerlich dieses
Recht zu erteilen. Da es sich um eine Ermächtigung der Länder und
Bezirksverwaltungsbehörden handelt, muss befürchtet werden, dass bei
der Auswahl der Messstellen nicht nur die ins Treffen geführte
Verkehrssicherheit, sondern politischer Protektionismus und
Budgetüberlegungen mitspielen.
Verkehrssicherheit ist eine ernstzunehmende Sache, doch eine
eindimensionale Rückführung auf Überschreitung von (oft fraglich
verordneten) Geschwindigkeiten wird dem Problem nicht gerecht.
Ordentlich gebaute und den Ansprüchen der verschiedenen
Verkehrsteilnehmer angepasste Straßen mit der entsprechenden
Infrastruktur erreichen wesentlich mehr als punktuelle Messungen der
Geschwindigkeit. Der Bau von Ortsumfahrungen, sicheren
Fußgängerübergängen, ordentlichen Radwegen, ausreichenden
Fußgängerbereichen und guten Beleuchtungsanlagen hat aber einen
entscheidenden Nachteil: Er kostet Geld und bringt nichts ein. Da ist
es doch viel einfacher, ein Gerät hinzustellen, das sich in kurzer
Zeit amortisiert und die jeweiligen Anrainer beruhigt.
Die wenigsten Gemeinden können Verkehrskonzepte oder wenigstens
Sicherheitsanalysen aufweisen. Die Installierung von 30-km/h-Zonen
oder Wohnstraßen geschieht in der Regel durch die üblichen
politischen Abläufe. Bevorzugte Bereiche sind meist dort, wo Anrainer
am lautesten schreien oder einige politische Mandatare beheimatet
sind. Die tatsächlichen Unfallgefahren lauern meist ganz woanders.
Einen kleinen Vorteil gegenüber dem in der Vergangenheit gehandhabten
Einsatz von Privatsheriffs, der bereits Schule zu machen drohte, hat
der neue Gesetzestext. Es wird nur der Einsatz von punktuellen
Messstellen (z. B. Radarkabinen) mit bilderverarbeitenden
Einrichtungen ermöglicht. Also wenigstens eine ordentliche
Beweisführung! Die Auswahl der Standorte bisher installierter
Radarkabinen legt allerdings die Vermutung nahe, dass dies in Zukunft
nicht anders geschehen wird. Die Rechtsgrundlage bleibt die gleiche.
An der Grenze zwischen Wien und Niederösterreich verläuft z. B. ein
Straßenzug, der auf 2 km 5 Radarkabinen
installiert hat, allerdings nur auf der niederösterreichischen Seite
bzw. Fahrtrichtung. Die von Niederösterreich als höchst gefährlich
eingestufte Straße lässt Wien offensichtlich kalt.
Was so schön unter dem Mäntelchen der Verkehrssicherheit versteckt
ist, bekommt durch Verweis auf einen anderen Paragraphen (§ 98b STVO)
eine ganz andere Bedeutung. Plötzlich sind bei der Auswahl der
Messstellen auch Belästigungen durch Lärm, Geruch oder Abgase, der
Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt, ja sogar auch "andere
wichtige Gründe" mit im Spiel. Als ob es für Lärm und Abgase nicht
bessere technische Methoden gäbe! Bremsen vor Radarkabinen in
30-km/h-Zonen und nachheriges Hochbeschleunigen wird die Umwelt
bestimmt nicht retten, von der Lärmentwicklung ganz zu schweigen.
Die Möglichkeiten der computerunterstützten Bildverarbeitung sind
bereits so weit vorangeschritten, Kennzeichen automatisch zu erfassen
und auszuwerten. Die Zustellung von Anonymverfügungen kann ohne
nennenswerten Personalaufwand erfolgen. Die Vision einer
automatisierten Bildübertragung an die Auswertungsstelle ist in nicht
mehr weiter Ferne. Uns Österreichern wird dabei der Vorzug bei der
Begleichung der jeweiligen Tickets erhalten bleiben. Die Eintreibung
der Strafen von Ausländern wird entgegen anders lautenden Meldungen
noch lange nicht funktionieren, Anonymverfügungen ziehen dabei nicht.
Die Kostenbelastung der motorisierten Verkehrsteilnehmer nähert sich
schön langsam dem Unzumutbaren. So gesehen ist die neue
Einnahmequelle eine originelle Idee, trifft sie doch angeblich nur
die unverbesserlichen Raser. Die Realität sieht leider anders aus: Es
trifft uns alle gleichermaßen. Tausend kleine Anonymverfügungen
bringen schließlich mehr als eine größere Übertretung, die mit
Lenkerausforschung und hohem Verwaltungsaufwand verbunden ist.