Die Opfer derartiger Fehlplanungen waren nur selten die verantwortlichen Konzerngranden. Für die Netzplaner in den Konzernzentralen stellte sich in all diesen Fällen die Frage: Wie werde ich jetzt jene Händler los, die ich für die bei den Finanzplanern in Ungnade gefallene Marke nicht mehr brauche? Und das, ohne viel Geld dafür in die Hand zu nehmen? Saab war dabei ein Musterbeispiel, wie man sich billig eines Händlernetzes entledigt.

Alois "Luigi" Weber vom Autohaus Oberlaa kann ein Lied davon singen. Als Saab-Urgestein aus Tarbuks Zeiten war er ganz euphorisch, als GM nach einer zehnjährigen 50:50-Partnerschaft im Jahr 2000 beim schwedischen Autobauer komplett das Ruder übernahm. Das hinterließ natürlich auch in Österreich seine Spuren. Der bisher dem Tarbuk-Konzern gehörende Saab-Import wurde zu einer von Thomas Schmid geführten "business unit" von GM Austria.

"Enorme Zukunft" fand ein unrühmliches Ende

"Der ist zu uns gekommen und hat uns die rosigsten Zukunftsperspektiven geschildert", sagt Weber. Also motivierte Schmid die Tarbuks, nach dem Verlust des Importgeschäftes kräftig in den Saab-Einzelhandel zu investieren. Aus der Pleite des Kärntner Luxusautohändlers Bruno de Cillia kauften sie um 21 Millionen Schilling dessen neu gebauten Glaspalast in Wien-Oberlaa. Ende Oktober 2001 wurde der neue Saab-Flagship-Store aufgesperrt. 2002 verbuchte er bereits 182 Neuzulassungen, bei knapp 700 in ganz Österreich. "Die Perspektive war damals enorm", erinnert sich Weber an die von GM-Europa der Marke Saab eingeräumten Zukunftschancen.

Im April 2005 wurde der bisherige Opel-Chef Carl Peter Forster Chef von GM Europe. Gleichzeitig warf Peter Augustsson als Saab-Präsident das Handtuch, nachdem GM den Plan verlautbarte, zur besseren Auslastung der Opel-Werke die Fertigung von Schweden nach Deutschland zu verlagern.

Um Saabs Zukunft zu sichern, forderte Forster schnelle Investitionen von 2 Mrd. US-Dollar. Vier neue Saab-Modelle sollten entstehen. Doch er musste erkennen, dass GM nicht bereit war, für Saab die erforderlichen Finanzen aufzubringen. Denn der Konzern brauchte das Geld, um die drohende Pleite des altgedienten Produktionspartners Daewoo zu verhindern. 2005 wurde er bei den Koreanern zum unfreiwilligen Mehrheitsaktionär. GM entschloss sich in der Folge, aufgrund des ramponierten Images von Daewoo dessen Modellpalette unter Chevrolet zu vermarkten.

In Europa hatte GM damit neben Opel und Saab plötzlich eine Drittmarke. Das war zu viel, Saab war aus Sicht der Amerikaner überflüssig. "Es war super frustrierend", erzählte Forster erst kürzlich einer schwedischen Tageszeitung. "Wir hatten zu spät mit den Investitionen begonnen." Die Finanzkrise zwang GM im Juni 2009 in die geordnete Insolvenz. Nur zwei Fahrzeugmodelle wurden noch kurz davor fertig. Der Saab 9-5 und der Saab 9-4x. Im September 2009 verließ Forster GM, er ist heute Chefberater der chinesischen Geely-Gruppe.

Stückweiser Rückzug aus dem Automobilgeschäft

Schon einige Jahre vor dem GM-Konkurs war die Tarbuk-Gruppe -geschwächt durch den Ausfall der Saab-, Jaguar-und Nissan-Importverträge -ein potenzieller Pleitekandidat. 2007 begann unter dem Sanierer Erhard F. Grossnig der stückweise Rückzug aus dem Automobilgeschäft. Weber machte sich mit dem Kauf von Saab-Oberlaa selbstständig. "Das haben wir nur aufgrund der Versprechungen von Saab gemacht." Daher kam für ihn der von GM im Februar 2009 für Saab beantragte "Gläubigerschutz" völlig unerwartet. Dann gab es ein Jahr voller Verkaufsverhandlungen, bis Ende Dezember 2009 Spyker als neuer Haupteigentümer präsentiert wurde. Den Saab-Händlern wurde im Februar 2010 von GM angeboten, mit Spyker 1:1 neue Verträge abzuschließen. Weber zögerte. "Aufgrund der Ankündigung von GM, bei der neuen Firma Saab-Spyker ein wichtiger Aktionär zu bleiben, haben wir unterschrieben", bereut Weber seither diesen Fehler. Denn damit war GM aus allen Zahlungspflichten draußen.

Spyker, der sich zur finanziellen Absicherung chinesische Partner ins Boot holen wollte, wurden von GM wichtige Lizenzen verweigert. "Die haben schon von Haus aus gewusst, dass sie Spyker sterben lassen", verweist Weber auf die Ende 2011 von Spyker im Zuge der Insolvenz vorgelegten Sanierungspläne. Die von GM alle abgelehnt wurden, da sie ihre Patente nicht den Chinesen zur Verfügung stellen wollten.

InÖsterreich mussten jene 16 Saab-Händler die Zeche zahlen, die GM vertraut hatten. "Ich hätte 2007 nie die Gesellschaft gekauft, wenn ich gewusst hätte, dass die Saab zusperren", sagt Weber. Er rät rückblickend allen Autohändlern, sich nicht auf Prognosen und Zusagen der Autokonzerne zu verlassen. Eine Warnung, die für die gekündigten Chevrolet-Händler offensichtlich zu spät kommt. (KNÖ)

Chapter 11

Mit 172 Milliarden Dollar Schulden -bei 82 Milliarden Aktiva -verabschiedete sich General Motors am 1. Juni 2009 in die Pleite. Das Schicksal von 2.600 amerikanischen GM-Autohäusern mit 130.000 Mitarbeitern hing an einem seidenen Faden. Es wurde deshalb in der Rekordzeit von 40 Tagen abgewickelt. Die Pleite war voraussehbar: 2005 wurde ein Verlust von 10,6 Milliarden Dollar verbucht. 2007 brachte bei einem Umsatzeinbruch von 45 Prozent einen Rekordverlust von 38,7 Milliarden. 2008 waren es weitere 30,9 Milliarden. Im Mai 2009 half das US-Ministerium mit 30 Milliarden Dollar aus. Für eine Sanierung war das viel zu wenig. Deshalb beschloss der Kongress, dass nicht der Steuerzahler, sondern GM selbst, die Anleihebesitzer und die Aktionäre die Suppe auslöffeln sollen. Am 30. Mai 2009 gab es den Vorschlag, dass sich GM als Teil der Konzernsanierung von seinen europäischen Aktivitäten trennen wird. Opel, Vauxhall minus Saab sollten als "New Opel" verkauft werden. Zu 35 Prozent an die russische Sber.Bank, zu 20 Prozent an Magna International, 10 Prozent sollten die Opel-Mitarbeiter bekommen. Die restlichen 35 Prozent sollte sich GM als Kernaktionär behalten. Zwei Tage später erhielt "GM-neu" weitere 33,3 Milliarden Dollar als Darlehen von den USA und Kanada. Dafür wurde das US Treasury mit 60,8 Prozent zum neuen Mehrheitsaktionär. 11,7 Prozent gingenan die Finanzminister von Kanada und Ontario. 17,5 Prozent bekamen die GM-Mitarbeiter über Automobilgewerkschaften. Den Rest der jungen Aktien teilten sich die Altaktionäre, denen auch keine andere Wahl offen blieb. Andernfalls sollte GM komplett liquidiert werden. Im November 2009 beschloss derneue GM-Aufsichtsrat, sich nicht von Opel zu trennen. Damit war gleichzeitig auch das Ende von Saab besiegelt.