In den vergangenen Jahren gaben bei den Renault-Modellen Espace und Velsatis die V6-Dieselmotoren reihenweise den Geist auf. Ihnen ist es einfach zu heiß geworden. Renault tüftelte daher an Kühlungslösungen. Erfolg: null. Deshalb entschlossen sich die Franzosen, ins Motormanagement einzugreifen. Sie gaben ihren Vertragswerkstätten eine technische Weisung, um mittels elektronischer Kunstgriffe bei Motorerhitzung die verfügbare Leistung zu drosseln. Mit dem Effekt, dass parallel zur Motorbelastung automatisch Zusatzaggregate wie Klimaanlage oder Fensterheber abgeschaltet werden. Reicht dann die Leistung noch immer nicht aus, erscheint für den Lenker der heimlich modifizierten Fahrzeuge die Warnung "sofort stehen bleiben".

Die Vertragswerkstätten wurden im Rahmen eines "stillen" Rückrufes verpflichtet, von Renault genau definierte Fahrzeuge entsprechend umzurüsten -ohne die Kunden von den unliebsamen Nebeneffekten zu informieren. Wer nicht spurte und den von Paris befohlenen Umbau ignorierte, dem drohten Konsequenzen: Ersatzansprüche der Kunden wurden auf den Renault-Partner überwälzt. Die "säumige" Werkstätte musste den vorprogrammierten Motorschaden aus eigener Tasche berappen.

Wider Typenschein und Kundenerwartung

Alle kuschten. Nur ein Vorarlberger - immer diese Eigenbrötler - beurteilte dies als Betrug am Kunden. Schließlich würde ein weisungsgemäß "repariertes" Auto weder den technischen Zulassungsbestimmungen laut Typenschein noch den Kundenerwartungen entsprechen.

Tatsächlich hat die Beweissicherung des Bezirksgerichtes Bregenz bei sechs baugleichen, adaptierten Motoren ergeben, dass der vollbesetzte Renault am Berg keinen Radfahrer mehr überholen kann. Derzeit wartet Rechtsanwalt Dr. Martin Brenner, wie das Handelsgericht Wien mit dem erstmals auftretenden Problem einer Haftung des Herstellers nach dem Produktsicherheitsgesetz umgehen wird.

Österreich als Nachzügler

Juristisch kratzt die Renault-Aktion an den Grenzen des Strafrechtlichen. Doch das Verkehrsministerium zeigte sich an den sicherheitsrelevanten Informationen nicht sonderlich interessiert. Das ist verständlich, denn das österreichische System ist für derartige Problemfälle nicht ausgerichtet. Ob und in welchem Ausmaß Rückrufe durchgeführt werden, überlässt der Gesetzgeber nämlich erstaunlicherweise Kfz-Herstellern und ihren Importeuren. Für Autofahrer und Werkstätten ist dieser österreichische Weg bestenfalls die zweitbeste Lösung.

In den USA wurden dagegen 2008 die Befugnisse der Verbraucherschutzbehörde CPSC stark erweitert. Zuletzt hat Toyota dies eindrucksvoll zu spüren bekommen. In Europa gibt es die Produktsicherheitsrichtlinie als Basis nationaler Regelungen. Mit §8 des deutschen Produktsicherheitsgesetzes wurden am Kfz-Sektor dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) dafür große Weisungs- undKontrollmöglichkeiten eingeräumt.

Beschränkte Kompetenzen

AuchÖsterreich wurde durch die EU verpflichtet, ein Produktsicherheitsgesetz (PSG) zu erlassen. Formal ist damit die Konsumentenschutz-Sektion im Sozialministerium befasst. Doch die Befugnisse des dort zuständigen Mag. Helmuth Perz sind beschränkt. Er fungiert nur als Meldestelle für Rückrufaktionen, welche die Kfz-Industrie von sich aus als erforderlich erachtet.

Das fachlich dafür gerüstete Verkehrsministerium hat ebenfalls kaum Kompetenzen. Diese sind auf§-56-KFG-Überprüfungen durch die ministerielle Bundesanstalt für Verkehr beschränkt. Durch den§ 40b KFG wurde die Rückruf-Agenda den Herstellern übertragen. Diese teilen die aus ihrer Sicht sicherheitsrelevantenMängel dem Versicherungsverband mit, der dann die Fahrzeughalter verständigt.

Straffe Regelung in Deutschland

Beim KBA geht es da etwas straffer zu: Dort sammelt die Behörde selbstständig sicherheitsrelevante Daten. 2008 gab es in Deutschland 391 untersuchte Fälle, die zu 148 Rückrufaktionen führten. Parallel zum simplen Rückruf gibt es die behördlichen Überwachungen der Aktionen wegen "besonderer Gefährlichkeit". 2008 geschah dies in 69 Fällen. Darüberhinaus gibt es angeordnete "Nachfassaktionen", um säumige Fahrzeughalter zum Werkstättenbesuch zu animieren, wobei laut KBA die "Bereitschaft der Halter zur Beseitigung besonders gefährlicher Mängel" im Sinken ist. In solchen Fällen hilft letzten Endes nur der behördliche Kennzeichenentzug. 2007 war dies in 3.369 Fällen erforderlich, 2008 waren es bereits 7.195.

Auf Kosten der Werkstätten

"Wir haben keine aktiveÜberprüfung von Fehlern", bekennt in diesem Zusammenhang Dipl.-Ing. Dieter Karl, zuständiger Techniker im Verkehrsministerium, unumwunden die Schwäche des österreichischen Systems: "Bei uns gibt es auch keine Erfolgskontrolle." Den Erfolg eines Rückrufes kennt nur der Hersteller anhand der vonden Werkstätten eingereichten Reparaturrechnungen.

In Deutschland bekommen die Werkstätten die Kosten für produktionsbedingte Rückrufe voll ersetzt. Ein Ausschluss des Aufwandersatzes ist gesetzlich verboten. In Österreich bestimmen die Importeure, welche Kosten je nach Einzelfall refundiert werden. Deren Argument: Die Werkstätten sollen sich nicht am Unglück ihrer Vertragspartner "bereichern". Vom Gesetzgeber wurde diese "unternehmerische Freiheit" der Großen zu Lasten der Klein-und Mittelbetriebe wohlwollend abgesegnet, womit die Werkstätten bei jedem Rückruf zum Handkuss kommen.

Dr. Beate Blaschek vom Konsumentenschutzministerium ist diese Problematik bekannt. Rechtlich geht es ihr allerdings entsprechend dem Gesetzesauftrag vorrangig darum, dass Konsumenten nicht finanziell zum Handkuss kommen. Wer die Kosten trägt, das müssten sich die Interessenvertretungen untereinander ausmachen. "Es ist Aufgabe der Betroffenen, die Kommission auf diese Problematik aufmerksam zu machen", hat Blaschek persönlich aber wenig Verständnis dafür, dass derartige Kosten bei den an Produktions- und Konstruktionsfehlern schuldlosen Werkstätten hängen bleiben.

Autofahrerklubs als Aufdecker

Somit ist es inÖsterreich ausschließlich den Autofahrerclubs überlassen, Serienfehler aufzudecken. Ihnen hilft die Pannenstatistik, die sie vom ADAC übernehmen. "Wenn uns etwas auffällt, fordern wir die Hersteller zur Stellungnahme auf", erklärt Thomas Stix, Techniker in der Abteilung Konsumentenschutz des ÖAMTC.

Er attestiert den Herstellern grundsätzlich große Kooperationsbereitschaft. Meist sind es ihre freiwilligen Maßnahmen, die vorrangig zur Risikobeseitigung führen. Was -neben dem "kostengünstigen" Ersatz des Werkstättenaufwandes - der Grund dafür sein dürfte, dass 2009 laut dem ÖAMTC 93 Rückrufaktionen registriert wurden.