Meister! Oder nicht?

Meister! Oder nicht?

Ist es notwendig, die aufwendigen Kfz-Meisterkurse abzulegen? Oder reicht eine Prüfung bei einem Sachverständigen, um einen Betrieb zu führen? Diese Frage spaltet zurzeit die Branche.

Es sind 14 Wochen, von denen jede einzelne eine Härteprobe darstellt. "Jeweils sechs mal acht Trainingseinheiten à 50 Minuten", erzählt Ing. Alois Leopold Fitzka, Werkstättenleiter Kfz bei der niederösterreichischen Wirtschaftskammer in St. Pölten. Das Ziel der Männer, unter die sich nur ganz, ganz selten eine Frau "verirrt": Sie wollen Meister werden, Kfz-Meister um exakt zu sein. Und trotz der Härte gibt es fast nie Ausfälle: "Bis auf wenige Ausnahmen ziehen alle den Kurs durch", meint Fitzka.

Bis zu 10.000 Euro für den Kurs Das mag auch daran liegen, dass der Kurs teuer ist. "Drei Monate vor Beginn kassieren wir 1.000 Euro", heißt es bei der Wirtschaftskammer. So will man Ausfälle in letzter Minute verhindern: "Und wer von seiner Firma doch nicht frei kriegt, kommt einen oder zwei Kurse später."

Nach diesen 14 Wochen ist der Kurs aber noch lange nicht vorbei. Denn dann folgen erst die Prüfungen, die in fünf Module gegliedert sind. "Insgesamt sind es 22 Stunden pro Kandidat: Nach der praktischen Prüfung folgen auch sechs Stunden schriftlich und eine Stunde mündlich", plaudert Werkstättenleiter Fitzka aus der Schule. Erst wer alle fünf Module erfolgreich absolviert hat, erhältdas ersehnte Meisterprüfungszeugnis.

"Die Investition zahlt sich aus"

Klar, dass die Kosten enorm sind: Insgesamt beläuft sich der Kurs auf 3.820 Euro, dazu kommen noch Prüfungsgebühren von 300 bis 400 Euro. Und wer auch die Unternehmerprüfung ablegen will, muss zusätzlich 1.200 Euro berappen. Dann sind außerdem das Wohnen und Leben am Kursort zu bezahlen, sodass am Ende 8.000 bis 10.000 Euro zu Buche stehen.

Eine Investition, die sich allemal auszahlt, meint zumindest Komm.-Rat Fritz Nagl, Bundesinnungsmeister der Kfz-Techniker: "Wer einen solchen Kurs geschafft hat, der nimmt seinen Beruf ernst und ist bestens ausgebildet. Der wird auch in Zukunft keine Probleme haben."

Außerdem stünden dem Meister nun alle Tore offen: Lehrlingsausbildung, §-57a-Überprüfungen, Selbstständigkeit oder leitende Positionen, aber auch die Sachverständigentätigkeit. "Ein Meisterbrief ist noch immer ein Aushängeschild gegenüber dem Kunden und den Mitarbeitern", erklärt Nagl. Fürjeden Kunden sichtbares Zeichen des Kfz-Meisters ist das "Meisterbetrieb"-Schild auf der Werkstatt.

Reichen zwei Stunden zur Beurteilung?

Doch der - zugegeben schwierige - Weg zum Kfz-Meister wird nicht von allen eingeschlagen. Es gibt auch eine wesentlich einfachere Lösung, um einen Kfz-Betrieb führen zu können - ohne den mühsamen und zeitaufwendigen Kurs. Anlaufstelle ist beispielsweise der Betrieb von Helmut Neverla in der Wienerbergstraße in Wien-Meidling. "Die Wiener Innung nennt mich als Sachverständigen. Ich prüfe dann die Leute, ob sie tauglich sind", berichtet der einstige Rallye-Sportler und nunmehrige Oldtimer-Spezialist.

Anschuldigungen, dass sich auf diese Weise auch Branchenfremde eine Befähigung erschleichen könnten, weist Neverla zurück: "Wir nehmen keine Zuckerbäcker. Es handelt sich zu 99 Prozent um Leute, die jahrelang im Kfz-Geschäft tätig sind."

Neverla unterzieht die Kandidaten einer schriftlichen und mündlichen Prüfung, die etwa zwei Stunden dauert. "In dieser Zeit weiß man, ob jemand etwas versteht oder nicht." Anschließend erhalten die Prüflinge eine "individuelle Befähigung" zum Führen eines Kfz-Betriebes -aber keinen Meisterbrief. An ihrer Werkstätte rangt daher auch nur das Schild "Fachbetrieb". Neverla: "Oft handelt es sich um alte Hasen, in deren Betrieb auf irgendeine Weise der Meister abhanden gekommen ist. Um die Firma legal weiterführen zu können, kommen sie zu mir."

Absolviert werden die Kurse in Wien aber nicht nur von Einheimischen, sondern auch von Personen aus anderen Bundesländern. Das musste auch Nagl zur Kenntnis nehmen: "Allein in Niederösterreich bekamen wir zuletzt fünf derartige Anmeldungen, die die Prüfung bei Neverla abgelegt haben."

"Gleiche Fehler wie im Autohandel"

Der Bundesinnungsmeister der Kfz-Techniker sieht die Entwicklung nicht so positiv wie Neverla. "Damit drohen bei uns die gleichen Fehler, wie sie im Autohandel passiert sind", ereifert sich Nagl: "Seit der Liberalisierung kann jeder mit Autos handeln und erhält die blauen Tafeln, die für viele das Wichtigste sind. Da wird zum Leidwesen der qualitativ gut geführten Betriebe viel Missbrauch betrieben." Gehe die Tendenz weiter in Richtung der Sachverständigen-Gutachten à la Neverla, drohe ein Lehrlingsmangel, klagt Nagl: "Wer wird dann den Nachwuchsausbilden?"

Mehr Meisterbriefe denn je ausgestellt


Beruhigend ist für Nagl allerdings, dass die Zahl der geprüften Kfz-Meister nicht zurückgeht -ganz im Gegenteil. Beispiel Niederösterreich: Wurden 2011 exakt 30 neue Meisterbriefe ausgestellt, so waren es 2012 schon 43. Wobei man erwähnen muss, dass die Zahl der Kurse zwischen 2 und 3 schwankt -und 2012 warenes eben 3. Die 2012 erreichte Zahl der Meisterbriefe bedeutet in Niederösterreich jedenfalls eine Höchstzahl in den vergangenen fünf Jahren nach 31 (2008), 42 (2009) und 36 (2010).

Zum Vergleich: Die Prüfung bei Neverla wird im Schnitt von 20 bis 25 Personen pro Jahr abgelegt. "Manchmal sind es 3 pro Monat, manchmal aber gar keiner", sagt Neverla. Durchgefallen ist noch niemand.