Chinesen kommen: neue Chance für den Handel?

Chinesen kommen: neue Chance für den Handel?

Mag. Doris Seipl (Autohaus Seipl/Leonding), Walter Aigner (Landesinnungsmeister der Salzburger Fahrzeugtechnik und Geschäftsführer des Autohauses Aigner in Kuchl), Dieter Unterberger (Landesgremialobmann des Tiroler Fahrzeughandels und Geschäftsführer Unterberger Auto­mobile), Komm.-Rat Mag. Hubert Aichlseder (Landesgremialobmann des Kärntner Fahrzeughandels und Geschäftsführer Autohof/Klagenfurt), Komm.-Rat Manfred Ellensohn (Seniorchef des Autohauses Ellensohn), Ing. Manfred Lehr (Geschäftsführer Autohaus Lehr/Horn), Komm.-Rat Ing. Josef Puntinger (Seniorchef des Autohauses Puntinger/Leoben), Komm.-Rat Prof. Burkhard Ernst (Landesgremialobmann des Wiener Fahrzeughandels und Geschäftsführer Rainer Kraftfahrzeughandels GmbH/Wien), Stefan Kneisz (Landesgremialobmann des burgenländischen Fahrzeughandels und Geschäftsführer Autohaus Kneisz/Oberpullendorf)

Mehr und mehr (E-Auto-) Hersteller aus China drängen auf den europäischen und heimischen Markt. Bringt deren Markteintritt auch neue Chancen für den österreichischen Automobilhandel? Wir haben nachgefragt.

Seipl: Zusätzliche Chance für alle
„Wir haben diesen Schritt mit der Marke MG bereits im Vorjahr gemacht und sind sehr glücklich darüber, speziell auch durch den britischen Bezug der Marke und weil wir bereits früher MG/Rover-Händler waren und uns dadurch auch besonders angesprochen gefühlt haben“, berichtet Mag. Doris Seipl, Geschäftsführerin Autohaus Seipl/Leonding. „Damit können wir eine starke ­E-Marke vertreiben. Gleichzeitig haben wir mit unserem Importeur langjährige positive Erfahrungen auch mit anderen Marken gemacht.“ Grundsätzlich biete sich mit dem Markteintritt innovativer, neuer Automarken allen Händlern eine zusätzliche Chance, es sei immer gut, die Augen offen zu halten.

Aigner: Viele halten Augen offen
„Der verstärkte Markteintritt chinesischer Hersteller wird Konsequenzen auch für die europäischen Hersteller haben“, meint Walter Aigner, Landesinnungsmeister der Salzburger Fahrzeugtechnik und Geschäftsführer des Autohauses Aigner in Kuchl. „Viele machen sich angesichts unsicherer Zeiten Gedanken und viele Händlerkollegen halten auch die Augen offen, um Perspektiven für ihren Betrieb auszuloten. Denn wenn der Zug vorbeifährt, ist es zu spät.“ Wenn neue Marken in den Markt drängten, sei es am Anfang oft leichter, die finanzielle Hürden bei etwaiger Vermarktung zu überwinden. „Daher wird es wohl für einige Betriebe interessant werden, eine neue Marke dazu zu nehmen.“

Unterberger: Neue Premiummarken
„Einige dieser Marken gibt es ja schon länger, am europäischen Markt haben sie sich aber schwer getan, Fuß zu fassen. Interessanterweise scheint das Thema Elektromobilität die Sache etwas leichter zu machen, weil der Markt generell durchmischter ist“, so Mag. Dieter Unterberger, Landesgremialobmann des Tiroler Fahrzeughandels und Geschäftsführer Unterberger Auto­mobile. „Es ist also nicht mehr unmöglich, was früher unmöglich erschienen ist, und damit ist auch der Handel mit E-Fahrzeugen für einen Händler heute interessanter als früher.“ Das Thema E-Mobilität öffne viele neue Denkrichtungen: „Interessant ist, dass sich nun im Premiumsegment viele neue Marken etablieren.“

Aichlseder: Vertriebssystem entscheidend
„Es wird neue Marktteilenehmer geben, die teilweise auch mit Kriegskassen ausgestattet sind“, so Komm.-Rat Mag. Hubert Aichlseder, Landesgremialobmann des Kärntner Fahrzeughandels und Geschäftsführer Autohof/Klagenfurt. „In den 70er-Jahren hat man die Japaner belächelt, in den 90er-Jahren die Koreaner: Über Marken aus diesen Ländern lächelt heute kein Mensch mehr. Eine große und wesentliche Bedeutung wird wohl haben, mit welchem Vertriebssystem man in die Märkte eintritt.“ Man könne mit einem Direktvermarktungssystem sehr viel sparen, „was ich aber bezweifle ist, dass man ohne ein entsprechendes Aftersales-Konzept in europäischen Strukturen verkaufen kann“.

Ellensohn: Es gibt Chancen
„Auch im Rahmen des Vier-Länder-­Gesprächs wurde das Thema verstärkter Markteintritt chinesischer Marken diskutiert, der chinesischen Offensive in Europa  werden Chancen gegeben, weil einige Hersteller das Kleinwagengeschäft längerfristig auslaufen lassen und damit ein gewisses Kundensegment auf Angebote aus China aufspringen könnte“, so Komm.-Rat Manfred Ellensohn, Seniorchef des Autohauses Ellensohn. Es gebe ein Kundensegment, das bereit wäre, leistbare und günstigere E-Fahrzeuge zu kaufen. Derzeit nähmen vor allem Privatkunden die E-Mobilität nur sehr zögerlich an, „deshalb räume ich diesen neuen Marken mit einem entsprechend professionellen Importeur im Hintergrund gute Chancen ein.“

Lehr: Nicht gegen den Trend verwehren
„Gegen den Trend kann man sich nicht verwehren, wenn die Produkte und Rahmenbedingen passen, ist es für den Handel immer interessant, wenn Chancen für eine erfolgreiche Vermarktung bestehen“, so Ing. Manfred Lehr, Geschäftsführer Autohaus Lehr/Horn. „Ich glaube, dass wir in Zukunft als Ergänzung auch neue Marken brauchen werden, denn immer mehr europäische Hersteller setzen auf das Segment Premium, und bei den günstigeren Modellen wird die Luft immer dünner“, so Lehr. „Wir sehen ja bereits jetzt, dass chinesische Marken auch in Österreich entsprechend vermarktet werden können, deshalb denke ich, dass sich dieser Trend in Zukunft wohl verstärken wird.“

Puntinger: Privatkunden noch nicht bereit
„Das ganze Thema ist auch schon in der Arbeitsgruppe Fahrzeughandel diskutiert worden, alles, was sich des klassischen Handels bedient, ist gegenüber dem Online-Handel für uns ein Vorteil“, meint Komm.-Rat Ing. Josef Puntinger, Seniorchef des Autohauses Puntinger/Leoben.
„Wir haben aber nach wie vor das Problem, dass viele Kunden, vor allem Privatkunden und besonders im ländlichen Bereich, noch nicht bereit sind, ein E-Auto zu kaufen. Auch die Ladeinfrastruktur ist außerhalb größerer Städte noch nicht optimal ausgebaut. Darüber hinaus gibt es einige neue chinesische Marken, die, wie ich höre, auch im höheren ­Preis­segment angesiedelt sind.“ 

Ernst: Kleines Zusatzgeschäft
„Es wird sich herausstellen, wie es mit der Elektromobilität weiter geht. Wir wissen, dass der Privatkunde diese nur sehr verhalten annimmt, 86 Prozent gehen an Kommunen, Firmen und juristische Personen“, so Komm.-Rat Prof. Burkhard Ernst, Landesgremialobmann des Wiener Fahrzeughandels und Geschäftsführer Rainer Kraftfahrzeughandels GmbH/Wien. Man könne mit Boni viele Fahrzeuge in den Markt pumpen, händlerseitig gehe mit jedem verkauften E-Mobil der Umsatz in der Werkstatt zurück. Grundsätzlich könne die Hinzunahme einer Marke ein kleines Zusatzgeschäft sein, „wobei sich dann die Frage stellt, ob die Umwegrentabilität das rechtfertigt“.

Kneisz: Für kleinere Händler schwer leistbar
„Nachdem ich weiß, dass die Elektromobilität an sich – und das betrifft weniger den Verkauf – nicht unkompliziert ist, befürchte ich, dass sich vor allem kleinere Händler die Zunahme einer neuen Marke nicht leisten können“, so Stefan Kneisz, Landesgremialobmann des burgenländischen Fahrzeughandels und Geschäftsführer Autohaus Kneisz/Oberpullendorf. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Administration und das Equipment derartig komplex sind, dass das viele in Zukunft nicht stemmen können.“ Auch die behördlichen Auflagen in Zusammenhang mit E-Mobilität würden steigen. Die bestehende Händlerschaft sei bereits gefordert, „das merke ich auch in meinem eigenen Betrieb“.