Die Lehre in Zeiten von Corona

Die Lehre in Zeiten von Corona

Die neue Ausgabe der AUTO&Wirtschaft ist da – mit dem großen Fokusthema Aus- und Weiterbildung. Wir schreiben u.a. darüber, dass nicht nur Schüler von Grund-und Mittelschulen unter Distance Learning und sozialer Isolation leiden. Auch die erfolgreiche duale Ausbildung der Lehrlinge wurde und wird von der Pandemie auf eine harte Probe gestellt.

Von Schülerinnen und Schülern, die unter den besonderen Anforderungen des Distance Learning zu leiden hatten, war in den letzten Monaten viel zu lesen und zu hören. Dass auch den österreichischen Lehrlingen ihr Berufsschulalltag vollständig über den Haufen geworfen wurde, wurde in der allgemeinen Medienberichterstattung nicht gesondert thematisiert. Aber natürlich waren auch die Auszubildenden von den Schulschließungen betroffen - mit der Verschärfung, dass gerade die praktische Ausbildung via Internet unmöglich zu ersetzen ist.

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Ein bisschen vergessen worden
So sagt Ing. Ernst Römer, Direktor der Tiroler Fachberufsschule für Kraftfahrzeugtechnik in Innsbruck: "Zwischen den zuständigen Ministerien und den Berufsschulen ist die Distanz groß. Unser duales System wird bei den Anweisungen für Schulen meist nicht gesondert berücksichtigt." Das Umschalten auf Distance Learning ist laut Römer praktisch ohne Vorwarnung erfolgt. "Am Freitag haben wir die Leute nach Hause geschickt", erinnert sich der Direktor. "Am Montag darauf haben wir per Homeschooling unterrichtet."

Die besondere Herausforderung der praktischen Arbeit, die ja zum Schulalltag der Berufsschulen gehört wie das Amen zur Kirche, hat man natürlich nicht lösen können. Oder nur teilweise: "Wir haben die Betriebe eingebunden, die Schüler ausgestattet und die interne Leistungsbeurteilung etwas aufgeweicht." Theorie zu lehren und die Praxis später nachzuholen, funktioniere erfahrungsgemäß nicht.

Neue Strategien
Hubert Stoff, langjähriger Bundesbildungsbeauftragter bei der WKO für die Kfz-Technikerinnung, betont, wie gut die Schwierigkeiten durch die Corona-Pandemie im dualen Ausbildungssystem bislang gemeistert werden konnten. "Die Herausforderung, dass man die Schüler nicht in die Schulen holen konnte, haben neue Strategien erforderlich gemacht. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass die Jugendlichen die bestmögliche Ausbildung bekommen, ganz gleich ob die Herausforderung nun Corona oder neue Technologien heißt." Auch bei den Lehrabschlussprüfungen habe er keinen Leistungsabfall bemerkt.

Sein Nachfolger im Amt, Christian Keglovits- Ackerer, sieht die Herausforderung -ganzähnlich wie bei Pflicht-oder Oberstufenschülern -differenziert. "Mancher Lehrling ist besser darin, sich selbst zu organisieren, als andere. Diese Fähigkeit zur Selbstorganisation ist in der Krise natürlich ein Vorteil. Aber auch diejenigen, die das weniger gut können, müssen die nötige Unterstützung bekommen." Das könne etwa in den Betrieben geschehen.

Auch wenn die Kfz-Betriebe laut Statistik im Jahr 2020 nicht weniger Lehrlinge angestellt haben als 2019 (bei den Karosseriebautechnikern gab es einen Zuwachs von knapp zwei Prozent, in der Kfz-Technik einen Rückgang von einem Prozent), spüren die Kammerfunktionäre eine gewisse Vorsicht bei den Betrieben. "Natürlich gibt es eine gewisse Unsicherheit. Das hat im Herbst noch nicht so durchgeschlagen, es mag aber sein, dass so mancher Lehrstellensuchende das jetzt bemerkt", meint Keglovits, der die Wirtschaft auch in der Pflicht sieht, durch Corona entstandene Defizite bei der Ausbildung der Lehrlinge wieder einzuholen.

Massiver Lernrückstand
Denn so gut Betriebe, Schulen und Schüler in der Krise auch reagiert haben - Schuldirektor Römer warnt vor entstandenen Defiziten. Zwar habe man die Umstände rasch im Griff gehabt und sogar für den praktischen Unterricht teilweise Lösungen gefunden, indem man Klassenteile wechselweise an die Schule geholt habe. "Bei aller Anstrengung gehen Lehrinhalte verloren, und es entstand durch Corona ein massiver Lernrückstand", warnt er. "Effektiv muss man eingestehen, dass man nicht dasselbe vermitteln kann wie in normalen Zeiten."

Diesen Defiziten wollen Arbeits- und Wirtschaftsministerium in den kommenden Jahren mit einem Bildungsscheck für Lehrlinge entgegenwirken. Gefördert werden per "Digi Scheck" bis zu drei Bildungsmaßnahmen pro Kalenderjahr in der Höhe von jeweils maximal 500 Euro. Das Förderprogramm wird von den Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammern abgewickelt. In den Kursen sollen versäumte berufsbildspezifische Ausbildungsinhalte nachgeholt werden können, aber auch die Vermittlung und

Festigung lehrberufsübergreifender beruflicher Kompetenz -z. B. in den Bereichen Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft oder Unternehmertum - stehen im Fokus. Lehrlinge mit einem aufrechten Lehrvertrag können aus mehr als 10.000 förderbaren Kursen wählen und die Förderung selbst beantragen. Die Kurse können bis Ende 2022 stattfinden, die Fördersumme beträgt bis zu 100 Prozent.