Der 30-jährige Kampf

Der 30-jährige Kampf

Dr. Fritz Knöbl, emeritierter Rechtsanwalt und Publizist

Erhält der Händler bei einer Kündigung einen Ausgleich für den Verlust des von ihm ­aufgebauten Kundenstockes?

Dr. Fritz Knöbl, emeritierter Rechtsanwalt, bezieht sich in seinem Kommentar auf den Artikel über die Rechtsmeinungen mehrere Anwälte zum Thema Ausgleichsanspruch von Kfz-Händler:

Am 3.  Dezember 1990 langte bei Anwalt Dr. Helmut Krenn als Vertreter des gekündigten Kremser Honda-Händlers Ludwig die hart umkämpfte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) ein: Seiner Revision gegen das klagsabweisende Urteil des Oberlandesgerichtes Wien wurde stattgegeben. In zwei Instanzen war der von Ludwig geltend gemachte Anspruch, bei einer Kündigung einen Ausgleich für den Verlust des von ihm aufgebauten Kundenstockes zu erhalten, abgewiesen worden.

Viele Jahre wollten die Hersteller und Importeure diese Ausgleichspflicht nicht akzeptieren. Immer neue Argumente wurden ins Spiel gebracht. So wurde bestritten, dass der Händler zur Schaffung des Kundenstockes etwas beigetragen habe. Der stamme nur aus dem Markensog, den der Importeur mit seinem Marketing erzeugt habe. In einem anderen Verfahren wurde vorgebracht, dass mit der dem Vertragshändler eingeräumten Handelsspanne bereits die Werterhöhung des Goodwills bei der Überlassung des Kundenstockes abgegolten sei. Dann wurde bestritten, dass die durch einen Subhändler erzielten Umsätze eines Subhändlers als "Verdienstlichkeit" des gekündigten Händlers zu beurteilen seien.

Ein Problem war weiters, dass es damals nur kombinierte Händler-Werkstätten-Verträge gab. Mit der Kündigung des Händlervertrages war der Händler gleichzeitig auch aus dem Werkstätten-Netz draußen. Worüber der Importeur natürlich anhand der Kundendatei prompt die Kunden des Gekündigten imageschädigend aufmerksam machte. Erst Österreichs EU-Beitritt machte diesem Spuk ein Ende. Einen Ausgleich für den mit der Kündigung verbundenen Verlust der Werkstättenkunden gibt es bis heute nicht. Die geltende Gruppenfreistellungsverordnung verpflichtet jedoch die Hersteller, für diese getrennten Geschäftsbereiche auch getrennte Verträge zu verfassen und auch getrennt zu kündigen.

Dann kamen Hersteller auf die Idee, die (grundsätzlich überhöhten) Absatzziele der Händlerverträge für Kündigungen zu missbrauchen. Die Verfehlung dieser Ziele wurde als Vertragsverletzung ausgelegt. Aufgrund dieses Verschuldens wäre der Ausgleichsanspruch erloschen. Die als Kläger beweispflichtigen Händler wurden durch diese Beweislastumkehr in die Defensive gedrängt. Sie mussten mühsam

beweisen, dass nicht sie, sondern der Importeur für die Zielverfehlung verantwortlich sei: Das vertragliche Abnahmesoll sei keinesfalls einvernehmlich festgelegt, sondern vom Geschäftsherrn aufoktroyiert worden.

Seit Jahren wissen wir alle, dass durch die hohen Rabatte beim Neuwagenverkauf von der Bruttospanne kaum etwas übrigbleibt. Was die Hersteller veranlasste, erneut den Ausgleichsanspruch zu bestreiten. Mit der Argumentation: Die gekündigten Händler müssten eigentlich froh sein, durch die Kündigung das unlukrative Neuwagengeschäft loszuwerden. Wodurch bis heute regelmäßig über die Höhe des Ausgleichsanspruches gestritten wird.

Dem möchte der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nun ein Ende bereiten. Er urteilte, dass es beim Ausgleichsanspruch gar nicht um die Provisionsverluste geht, die der Händler durch die Kündigung erleidet. Wesentlich sei der verbleibende Vorteil, den der Hersteller durch die Weiternutzung dieses Händler- Kundenstockes lukriert. Somit ist es auch gleichgültig, ob oder wie viel der gekündigte Händler an diesem Neuwagengeschäft bisher verdient hat. Allerdings ließ der BGH noch offen, wie der Händler diesen Herstellernutzen beweisen soll.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Hersteller an dieser Weiternutzung mehr verdienen als die gekündigten Händler. Das wird sich auch auf die Höhe des Ausgleichsanspruches auswirken. Um für die künftigen Kämpfe um dieses Recht gewappnet zu sein, kann ich allen Händlern nur dringendst den Abschluss einer Händler-Rechtsschutzversicherung empfehlen. Denn freiwillig werden die Hersteller – wie schon bisher - kaum etwas von diesem ihnen verbleibenden Nutzen herausrücken.