„Man muss sich ein wenig mit sich beschäftigen und nicht mit Ibiza Videos“

„Man muss sich ein wenig mit sich beschäftigen und nicht mit Ibiza Videos“

In den Köpfen vieler Menschen war Roland Düringer der Benzinbruder, der sich plötzlich Zöpfchen in den Bart flocht und dem Luxus abschwor. Warum der Kabarettist, der derzeit gerade mit seinem neuen Programm „Africa Twinis“ auf der Bühne steht, wirklich in einem Wohnwagen wohnte und warum immer weniger für ihn immer mehr ist, erzählt er im Exklusiv- Interview.

Herr Düringer, um ein behindertengerechtes Fahrzeug zu finanzieren, haben Sie sich 2009 vom Großteil Ihrer Autos getrennt – welche haben Sie noch?
Es ist nur ein Mini übriggeblieben, den habe ich meiner Tochter geschenkt.

Haben Sie das jemals bereut?
Nein, ich hänge nicht an Dingen. Einer meiner großen Pluspunkte ist loslassen können.

War das schon immer so?
Nein, das habe ich mir antrainiert. Weil es keinen Sinn macht, an Dingen, Menschen oder Orten zu hängen, das ist irrational.

Eine der größten Herausforderungen, nicht an Dingen oder Menschen zu hängen …
Stimmt. Das liegt an unserer Grundeinstellung zum Leben, nämlich einer materiellen Weltsicht. Und da muss man etwas tun, dass man sich das Loslassen antrainiert.

Sie waren früher also auch materialistischer.
Ich bin so aufgewachsen und so erzogen, ja.

Was war der Anlass fürs Umdenken?
Das hängt wahrscheinlich mit meiner beruflichen Tätigkeit zusammen. Der Grund warum ich auf die Bühne gegangen bin ist, weil ich die Menschen ein bissl seltsam gefunden habe. Ich hab mir gedacht: Warum machen die Menschen so eigenartige Dinge? Fahren im Stau, um drei Tage Pfingstferien zu machen, jedes Jahr sterben dabei Leute, auch zu Ostern, die Toten werde auch gezählt – und die Menschen fahren trotzdem. Dieses Verhalten der Menschen habe ich auf der Bühne angeprangert. Das erste Stück, das ich gemeinsam mit dem Fredi Dorfer geschrieben habe, war „Atompilz von links“. Es ist entstanden aus meinen 8 Monaten Bundesheer, die ich nicht verstanden habe, Wenn ich dort gelernt hätte, wie ich zu einem Krieger ausgebildet werde, in sämtlichen Waffengattungen perfekt gewesen, körperlich und geistig gereift wäre und im Dschungel überleben können hätte – dann hätte es Sinn gemacht. Aber wenn man stattdessen ein Fahrzeug putzt, mit dem man nicht fährt, ist das sinnlos.

Am Anfang hab ich mir nur die Bereiche angeschaut, in denen ich selbst drin stecke, zum Beispiel bei den "Benzinbrüdern" die Wahnsinnigen mit ihren Autos. Und dann habe ich begonnen, das alles größer zu denken, globaler. Das Grundprinzip ist für mich aber nach wie vor das vollkommen seltsame Verhalten von Menschen. Ich sehe wie sie leiden, rundherum ist nur Hysterie und Stress, alle sind überfordert, aber keiner setzt sich hin und sagt: Moment, warum eigentlich?

Stichwort Benzinbrüder: In vielen Köpfen ist immer noch verhaftet: Sie, der ehemalige Benzinbruder, sind jetzt der Aussteiger…
Ich muss immer grinsen, wenn ich höre, was in den Köpfen der Menschen ist. Ich erzähle am besten die ganze Geschichte. Ich bin aufgewachsen mit einer Sammlung von Matchbox Autos. Belohnung für braves Verhalten war ein Matchbox Auto.

Irgendwann haben mir die Autos allein nicht mehr genügt, ich wollte selbst welche bauen. Ich hab sie aus Lego, Airfix, Tamiya und was es da alles für Buben in meinem Alter gab gebaut. Das Handwerkliche befriedigt mich, das mach ich nach wie vor jeden Winter. Aus einer Gestaltungsidee etwas materiell umbauen. Ich hab eine Affinität zu Technik an sich, weil ich eben mit 12 Jahren begonnen hab Motorrad zu fahren und weil ich Maschinenbau gelernt hab, also ich kann das, ich begreife das, ich verstehe das. So war das auch mit den Autos, begonnen hab ich mit den amerikanischen Muscle Cars. Die waren nicht einfach gekauft, sondern ich habe jedes Jahr ein oder zwei gebaut. Gemeinsam mit einem Freund. So ist eine Sammlung entstanden.

Ich hatte allerdings nie im Leben einen Porsche, Lamborghini oder Audi mit 400 PS. Das wäre mir peinlich, das ist nicht meine Welt. Meine Autos waren wirklich schöne, witzige alte Amerikaner, teilwiese aus den 50ern. Tiefer gelegt, mit starken Corvette Motoren drin, also vollkommen abartig. Ich hatte extra eine Halle dafür gebaut.

Und dann waren sie mir irgendwann fad. Denn wenn du sowas hast und bekannt bist, gibt’s Fotos von dir und den Autos, und dann kommen alle Menschen, die auch solche Autos haben, und wollen Kontakt mit dir haben. Das interessiert mich aber nicht, also war es Zeit für mich, die Autos wegzugeben. Das hab ich gemacht und mir dann überlegt: jetzt brauch ich etwas neues, was keiner hat, wo ich nicht irgendwo dazugehöre.

Und ich hab mich an meine Kindheit erinnert, als ich neben der Firma Tarbuk (Importeur für Simca und Sunbeam) aufgewachsen bin. Eines Tages wurde dort ein Auto abgeladen, das ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte: ein Datsun 240Z, ein japanischer Sportwagen – und den hab ich mir dann auf einer Messe in Teilen gekauft und somit begonnen, japanische Autos aus den 70er Jahren zu sammeln. Weil die keiner sammelt, weil es wenig gibt und du wahnsinnig schwer Teile bekommst. Da waren viele lustige und skurrile dabei, und DIESE Sammlung hab ich dann versteigert.

Haben Sie jetzt gar kein Auto mehr?
Doch. Ich hab mir sogar nach langer Zeit ein neues geleistet, auch wenn es ökologisch das Dümmste ist, was ein Mensch machen kann, aber nach etlichen Gebrauchten von 600 bis 1.700 Euro war’s mir zu mühsam, weil die immer wieder liegen geblieben sind und ich irgendetwas reparieren oder investieren musste. Also hab ich in einen neuen Dacia Logan um 8.200 Euro, ohne Klimaanlage und ohne Fensterheber investiert. 3 Jahre Garantie. Super. Ich fahr ja wenig, ich mach seit 2012 alle Touren mit den Öffis.

Stichwort 2012. Da haben Sie das herkömmliche Wohnen beendet …
Nicht ganz. 2012 hab ich aufgrund einer Überforderung, die ich verspürt habe, gesagt: Ich lass jetzt mal all das weg, was mich so müde macht und schau, wie’s mir geht. Ich merke, das ist ein gesellschaftlicher Virus, diese Überforderung durch Handys, E-Mails, all diese Information, Autofahren, bargeldloses Zahlen… wenn ich in einem Supermarkt oder Shoppingcenter war, wurde ich in kürzester Zeit soo müde, weil mein Gehirn mit all diesen Reizen offenbar überfordert war.

Dieses Weglassen hab ich in Form eines Videotagebuchs und Blogs dokumentiert. Das Wohnen im Wohnwagen ist entstanden, weil meine Frau und ich ein Holzhaus im Waldviertel wollten und auf der Suche danach sind wir auf einen alten Zirkuswagen gestoßen und haben den in unseren Garten gestellt. Darin habe ich lang mit meiner Frau gelebt. Auf 28 Quadratmetern. Da musst du viele Dinge weglassen. Das musste ich lernen und das hat mir gut getan.

Dass ich richtig gelegen bin, das öffentlich zu machen, hat das Buch gezeigt, in dem dieser Selbstversuch publiziert wurde. Mit „Leb wohl Schlaraffenland“ waren wir in der ersten Woche Nr. 3 im Onlinehandel!

War es immer leicht oder gerieten Sie mitunter in Versuchung, ins alte Leben zurückzukehren?
(lächelt) Ich hab mir jetzt einen Schäferwagen mit 8 Quadratmetern gebaut. Nochmal eine andere Dimension. Ich habe aber auch schon das Radikalste probiert: Nix. Ein dreitägiges Überlebenstraining auf 1.700 m, 5 Grad, Regen. Mit nichts als einem Messer. Kein Zelt, kein Schlafsack. Nur ein Messer. Am ersten Tag durften wir auch kein Feuer machen – diese Nacht werde ich mein Leben lag nicht vergessen! Also verglichen damit sind acht Quadratmeter und Photovoltaik drauf der pure Luxus. Es kommt immer darauf an, woher man kommt.

Ist das also ein Thema, das uns alle angeht?
Ja. Alles ist selbstverständlich. Alles ist immer verfügbar. Dennoch spüren die Menschen: Es macht uns nicht glücklich. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in Europa alles besser, bequemer … und jetzt realisieren ein paar, dass das eine Illusion ist und nur deswegen funktioniert, weil wir die Zukunft verkauft haben. Wir haben die Verantwortung auf die nächsten Generationen abgewälzt. Wir haben Raubbau mit der Natur betrieben. Man könnte es noch verstehen, wenn wir dadurch in der glücklichsten aller Welten leben würden und alle Menschen mit einem strahlenden Lächeln durch die Gegend gingen … aber wenn trotzdem alle die Mundwinkel bis zu den Fersen hängen lassen, dann ist an diesem System etwas falsch. Wir haben doppelten Schaden: Uns geht es nicht gut und die nächsten werden die Rechnung bezahlen müssen. Und da werden viele blöd schauen.

Inwiefern?
Wenn du dir, wie in einer Science Fiction Serie, ein Zeitloch baust, in das du bei Bedarf hineingreifst und dir Werte aus der Zukunft in die Gegenwart holst und die Hoffnung hast, dass sich die Zukunft so entwickelt, dass dieser Mehrwert in der Zukunft entstanden ist, dass sich alles ausgeht und das aber nicht so ist, dann ist dieses System irgendwann einmal vorbei. Unterm Strich keine negative Entwicklung, weil sich eine Illusion wieder auflöst und wieder mehr Bezug zur wirklichen Realität bei den Menschen entstehen wird, allerdings nicht ohne Schmerz.

Was ist die wirkliche Realität?
Ganz einfach: Von nix kommt nix. Das ist ein Naturgesetz, das ist Physik, das ist Energie. Wenn du nicht eine gewisse Energie für etwas aufbringst, wird sich diese Energie nicht in etwas anders umwandeln können. Das ist das, was wir machen, was der Planet macht. Die einzige Energiequelle ist die Sonne. Die Pflanzen haben die großartige Fähigkeit, das Sonnenlicht in Materie umzuwandeln. Der Mensch muss halt essen, damit er die Energie hat. Wenn ich es also warm in der Hütte haben will, muss ich Holz hacken. Außer es sind Dinge da, mit denen man diesen Umweg wegerechnen kann, das heißt wenn ich Fernwärme habe, muss ich nicht Holz hacken, sondern Geld verdienen damit ich die Fernwärme bezahlen kann. Das schafft Abhängigkeiten. Denn diese Energie, die uns nährt und wärmt, sind – auch wenn wir es noch Geld nennen –  Punkterln auf einem Computer. Diese bestimmen, welche Möglichkeiten du als Mensch hast. Darum laufen wir allen diesen Punkterln hinterher, in einem System, das vom Strom abhängig ist. Aber was, wenn das weg ist? Und die Punkterln weg sind? Was machen wir dann?

Das passiert natürlich nicht auf einmal … aber alle, die sich Gedanken darüber machen: "Was wäre wenn? Wie könnte ich leben?" – die machen, glaub ich, was G’scheites.

Was wäre mit Ihnen?
In meinem Leben würde sich nichts ändern. Wenn diese ganze Fremdversorgung wegbricht, dann schalt ich um, von Plan A auf Plan B. Überleben wird der, der viele Optionen hat, zum Beispiel Fähigkeiten. Es macht beispielsweise einen Unterschied, wenn ich mit einem Mountainbike eine Panne habe und gehen muss, ob ich immer Schuhe bei mir habe, mit denen man 30 km gehen kann und das schaffe oder ob ich nach einer halben Stunde Blasen bekomme. So gestalte ich mein Leben, ich trag das aber nicht nach außen. Man muss sich ein wenig mit sich beschäftigen und nicht mit Ibiza Videos. Alles ist so furchtbar wichtig, außer man selbst.

Auch ein nüchterner Austausch über Weltbilder ist fast nicht mehr möglich, es gibt zwar einen politischen Diskurs, aber über ein Thema rational und nüchtern zu sprechen, geht fast nicht mehr. Alles ist ideologisch und hysterisch aufgeladen. Ich bekam von einer Zeitung die Frage, ob mich der Ibiza-Skandal überrascht hat und ich hab geantwortet: Für mich ist das kein Skandal, der wirkliche Skandal ist die Nullzinspolitik seit 2008, weil die alle betreffen wird. Das Video nicht. Ein paar Tage später war eine Podiumsdiskussion mit jungen Menschen, Thema Nr. 1: Ibiza. Und „dass wir jetzt eine Regierungskrise haben“. Ich war eingeladen und hab gesagt: Ich bin heute mit der U2 hergekommen, die fährt noch, das Kaffeehaus hat offen, die Menschen bewegen sich, also ich kann keine Krise entdecken. Mehr hab ich nicht gebraucht … Dann ist eine Stunde über das Video, das man sich auch online anschauen kann, diskutiert worden, anstatt mit den jungen Leuten über relevante Themen zu sprechen.

Werfen wir nun einen Blick zum neuen Programm Africa Twinis – wie kam‘s dazu?
Erster Ansatz war, ich wollte wieder einmal ein Stück schreiben und nicht als Düringer auf die Bühne gehen und den Menschen die Welt erklären. Ich bin jetzt 56,  das ist eine Phase, in der vieles angenehmer wird, weil du genau weißt, gewisse Sachen kannst du nicht mehr machen, das geht nicht mehr. ´Das ist im Grunde die Geschichte: Zwei Männer in meinem Alter, Jugendfreunde, die 1986 im Waldviertel daheim sind und die Idee haben, mit 2 Motorrädern parallel zur Rallye Dakar in Engelbrechts zu starten, immer Richtung Süden und irgendwann auf diesen Tross zu stoßen.
Gekommen sind sie von Engelbrechts bis zum Horner Wald, das ist nicht weit, dann ist die erste Puch liegen geblieben. Danach haben sie sich aus den Augen verloren, leben völlig andere Leben, aber einmal im Jahr - zu Silvester - telefonieren sie. Der Running Gag war immer: Heast wos is, fohr ma? Und die Antwort immer: na heuer is' schlecht, aber rufen wir uns nächstes Jahr zsamm. Und dann sagt der eine plötzlich ja, wir fahren. Dann geht’s los mit den Vorbereitungen und der Zuschauer erkennt: Wenn die wirklich in die Wüste kommen, erschlagen sie sich. Das geht nicht. Diese Figuren lassen sich beim Spielen schön entwickeln. Vorstellung eins und die letzte in eineinhalb Jahren werden völlig unterschiedlich sein.

Wieviel von Ihnen steckt da drin?
Ich hab viel mit Motorrädern gemacht, aber auf die Idee damit in die Wüste zu fahren, wäre ich nie gekommen. Aber dass ich mir denke „ok, was will ich noch gern in meinem Leben machen“, das steckt schon drin.

Was möchten Sie gern noch machen?
Nichts Großes. Ich möchte gern mit immer weniger immer besser auskommen. Und noch ein Ziel hab ich, auch wenn‘s jetzt absurd klingt: Ich möchte gern im Wald sterben. Also nach Möglichkeit kein Krankenhaus und die Familie, die um mich herum steht, sondern ich möchte gern als letztes den Wald sehen. Darauf kann man hinarbeiten.

Abschließend eine Frage zu Ihrem Handy, das Sie wie wir alle neben sich liegen haben. Ist das noch ein Wertkartenhandy?
Nein, ich hab einen Vertrag. Auch ich bin total abhängig von Systemen. Nur wenn die schreiben, wir können ihren Vertrag nicht verlängern, sag ich aha. Dann ändert sich nichts in meinem Leben. Dinge zu verteufeln macht null Sinn. Ich muss nur erkennen: Bin ich der Chef oder ist das (zeigt aufs Handy) der Chef? Und solange ich der Chef bin, ist mir das wurscht.