Garantierte Probleme

Garantierte Probleme

Seit Jahren jammern alle Markenwerkstätten, dass sie bei Gewährleistungs- und Garantiearbeiten von den Herstellern über den Tisch gezogen werden. Doch was kann man dagegen tun?

Mehrere Studien der KMU-Forschung Austria haben aufgezeigt, wie viel Geld die Betriebe jährlich durch zu geringe Garantievergütungen "verschenken". Doch trotz dieser klaren Zahlen wagt es keiner, gegen die Garantiepraxis der Kfz-Hersteller aufzumucken.

Die Ursachen für dieses Verlustgeschäft sind vielfältig: Bei einem Autohaus mit einem Jahresumsatz von 2,9 Millionen Euro und einem 25-prozentigen Werkstättenanteil (725.000 Euro) belief sich die fehlende Kostenvergütung bereits im Jahr 2010 auf 20.338 Euro. Davon entfielen 10.395 Euro auf den fehlenden Lohnanteil, 9.943 Euro auf Ersatzteile. 2013 kletterten diese Verluste nach einer neuerlichen Überprüfung durch Anstieg der Garantiefälle und Reduzierung der Garantiesätze auf 24.050 Euro. Ohne diese "Geschenke" an die Hersteller würde der durchschnittlich erzielte Betriebsgewinn von 0,9 Prozent (vor Steuern) auf 1,7 Prozent steigen. In diesen Zahlen sind die vielfach unzureichenden "Arbeitswerte" der Hersteller noch gar nicht eingerechnet. Ein Instrumentarium, auf dem die Hersteller virtuos spielen. Sie liefern ihre Daten an Audatex, Eurotax und DAT, die damit ihre Reparaturkalkulationsprogramme füttern. Die können naheliegenderweise deren Richtigkeit nicht überprüfen. Dazu sind nur die Werkstätten in der Lage, die derartige Reparaturen auch tatsächlich durchführen. Die sich als Einzelkämpfer aber hüten werden, dieses heiße Eisen anzufassen.

Vertragswerkstätten müssen manchmal büßen So kann es durchaus passieren, dass die Arbeitszeitvorgaben von einem Tag auf den anderen unauffällig nach unten korrigiert werden. Etwa vor einer Rückrufaktion, um damit deren Kosten zu minimieren. Zulasten der Vertragswerkstätten, auf die damit die finanziellen Folgen derartiger Produktionsmängel abgewälzt werden.

In manchen Fällen lassen sich Diskrepanzen zwischen tatsächlichem Zeitbedarf und den vom Hersteller fixierten Zeitvorgaben leicht nachweisen. Etwa bei baugleichen Fabrikaten, die aber unter unterschiedlicher Marke auf den Markt kommen. Deren Reparaturzeiten aber durchaus unterschiedliche Werte aufweisen können. Was jedoch nur jenen Werkstätten ins Auge springen wird, die im Alltag Autos der unterschiedlichsten Marken zu reparieren haben.

Hinzu kommt, dass die meisten Hersteller rund um die Garantie eine veritable Bürokratie aufgebaut haben. Die Garantiehandbücher haben quer durch alle Marken einen dreistelligen Seitenumfang. Und werden als Vertragszusatz gehandhabt, der strikt einzuhalten ist. "Das dient nur dazu, Fehler zu machen", kennt Ing. Werner Schirak, Obmann zweier Händlerverbände, die Praxis, beiGarantie-Audits zugesagte und bereits erledigte Garantiearbeiten nachträglich zu streichen -was natürlich zu Nachbelastungen führt. "Da ist selbst bei Serienfehlern eine vorherige Freigabe erforderlich", werden Händlern viele Garantieleistungen lediglich wegen Formfehler nicht ersetzt. Etwa, wenn der Garantiebericht nicht vom Mechaniker selbst, sondern vom Werkstättenleiter erstellt wurde. Oder wenn die vorherige Unterschrift des Kunden am Garantieauftrag fehlt -weil dieser sein Auto samt Schlüssel außerhalb der Öffnungszeiten in der Werkstätte deponiert hat. Oder, oder

"Mit denen kann man nicht diskutieren"

Um sich den damit verbundenenÄrger mit den Herstellern zu ersparen, wurde das Garantie- Audit meist an externe Dienstleister ausgelagert. "Mit denen kann man nicht diskutieren", überprüfen diese nach Schiraks Erfahrungen minutiös die Einhaltung aller Garantievorschriften. So können trotz Reparaturfreigabe die Garantiekosten doch noch beim Händler hängen bleiben "Ein Hersteller darf bei einer erwiesenen Garantieleistung dem Händler nicht den Kostenersatz verweigern", sagt Fiat-Händlersprecher Mag. Franz Schönthaler, der dieses Thema gemeinsam mit seinen französischen und holländischen Kollegen bereits in Turinangesprochen hat.

Unzureichende Stundensätze und mangelnde Ersatzteilspannen sind auch bei anderen Marken ein Dauerbrenner. "Ich glaube nicht, dass das ein Hersteller zu Gericht gehen lässt", ist auch Mag. Heinz Huber, externer Berater von fünf Händlerverbänden, überzeugt. Voraussetzung ist jedoch, dass dafür im gesamten Händlernetz konkrete Daten von Kfz-Sachverständigen erhoben werden. Was allerdings eine entsprechende Solidarität der Händlerschaft voraussetzt.

Mastermind MSX

Viele Hersteller wussten, dass sie mit ihren Garantie-Audits und den damit eingeforderten Nachzahlungenübers Ziel geschossen hatten. Um die Händler nicht zu sehr zu verärgern, wurden daher als primäre Maßnahme Nachschulungen eingeführt. Da sich Auditoren von Haus aus gut mit Garantievorschriften auskennen, haben ihnen manche Marken auch gleich die Schulungen anvertraut. Fiat ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat in manchen Ländern auch gleich die Garantieabwicklung ausgelagert -an MSX International mit der Europazentrale in Köln.

In 80 Ländern mit 6.000 Mitarbeitern "Kostensenkung durch Systemverbesserung", umreißt Markus Klaus Rücker, bei MSX für die Leitung der deutschsprachigen Länder verantwortlich, die Zielsetzung seines Unternehmens, das vielen Autohäusern nur als externer Garantieprüfer in Erinnerung ist. Ein Konzern,der in 80 Ländern mit 6.000 Mitarbeitern operativ im Kfz-Bereich verankert ist. Knapp die Hälfte werkt als "Leiharbeiter" direkt bei den Kfz-Herstellern. "Die Märkte werden immer stärker zentral gesteuert", sagt Rücker. Er arbeitet immer mehr an Projekten auf europäischer Ebene, derzeit etwafür den PSA-Konzern. "Wir fangen beim Hersteller mit der Analyse von technischen und operativen Abläufen an." So sollen aus den Garantieberichten ableitbare Fehler in der Produktion ausgemerzt werden. Dann erst kommen die Händler dran. Mit Analysen und Aktionsplanungen, deren Umsetzung die MSX-Spezialisten in der Folge vor Ort überprüfen. Nach seinen Erfahrungen passieren die meisten Fehler bei der Garantieannahme: "Durch Schulungen werden die Mitarbeiter die Fehler, die sie machen könnten, vermeiden. Damit helfen wir den Händlern, sich zu verbessern." So sollten sich dank MSX letztlichalle Garantieabläufe verkürzen.

Angst vor einemösterreichischen Gerichtsurteil Doch auch bei MSX scheint es Verbesserungspotenzial zu geben. "Da sitzen teilweise Leute, die weder technisch noch sprachlich adäquat sind", rügt Fiat-Händlersprecher Franz Schönthaler die Kommunikation mit MSX. Beim Fiat-Importeur in Wien liegt auch die letzte Entscheidungskompetenz, MSX ist nur ein Dienstleister. Schönthaler kennt den begrenzten Handlungsspielraum der MSX-Leute, die auf die spezifisch österreichische Gesetzeslage keine Rücksicht nehmen können. "Deshalb stehen wir zur Lösung solcher Probleme in einem offenen Dialog mit dem Hersteller." Schönthaler geht es darum, den echten Garantieaufwand gesetzeskonform ersetzt zu erhalten. Wobei die österreichische Rechtslage etwas händlerfreundlicher ist als etwa bei den nördlichen Nachbarn .Zweifellos handelt es sich dabei um ein gesamteuropäisches Problem. Schließlich ist eine von Land zu Land unterschiedliche Abgeltung schwer argumentierbar. Deshalb sind auch alle Hersteller peinlichst darauf bedacht, dass es zu keinem österreichischen Gerichtsurteil kommt, das den Herstellern höhere Ersatzleistungen vorschreibt. Die Angst vor einem Dominoeffekt dürfte somit der Vergleichsbereitschaft der Hersteller durchaus förderlich sein.