Absehbare Turbulenzen

Absehbare Turbulenzen

Einige Reifengroßhändler schließen sich zusammen, manche verkaufen, andere müssen sanieren oder aufgeben: Die vergangenen Jahre haben tiefe Spuren im europäischen und auch im österreichischen Großhandel hinterlassen.

Die hohen Gewinne der Reifenhersteller wurden in den vergangenen Jahren durch die Probleme der großen Händler beeinträchtigt", weiß ein langjähriger Branchenteilnehmer zu berichten. Schön, wenn Volumen und Erträge am Ende des Jahres passen. Nicht so schön, wenn Monate später abgewertet werden muss, weil entweder die Lager der Händler noch immer voll sind oder weil die Forderungen gegenüber dem Händler generell uneinbringlich sind.

Lager befüllen

Haben die Hersteller viele Jahre versucht, die Lager der Händler zu füllen, sind sie von dieser Strategie mittlerweile abgekommen. Offiziell, weil sie ihre Partner nicht mehr überfordern wollen. Realistischerweise, weil die Lagerkapazitäten mittlerweile immer mehr für die Einlagerung der Kundenreifen genutzt werden, inoffiziell aber auch, weil es sichnicht mehr darstellen lässt. Während die Preise jährlich gesunken sind, musste die Industrie Abwertungen, Gutschriften oder Rückkäufe durchführen, um die Händler bei Laune oder am Leben erhalten zu können. Bleibt nur zu hoffen, dass in Zeiten steigender Preise das Spiel nicht erneut von vorn beginnt und -unter dem Vorwand der noch alten Preise -ein vermeintliches Schnäppchen zu erzielen ist.

Der Finanzchef entscheidet

Die Insolvenz Ruhdorfer -und vermutlich ebensolche Erfahrungen aus anderen Ländern -haben dazu geführt, dass nicht mehr die Bestellung des Kunden, sondern die Bonitätsbeurteilung der Finanzabteilung darüber entscheidet, wie viele Reifen tatsächlich geliefert werden. Zu groß ist immer öfter die Gefahr eines Ausfalls. Nachvollziehbar, dass finanzschwache Händler plötzlich mit großen Bestellungen bei einem Konzern winken, den sie bisher unbeachtet gelassen haben. Die Freude des Außendienstes währt dann freilich nur kurz, die Kreditabteilung des Konzerns genehmigt den Auftrag nicht. Gleichzeitig sind das oft Zeiten der Loyalität, wenn langjährige Partner sich in einer effizienten Art und Weise weiterhelfen.

Weniger Partner

Kein Wunder, dass ein Großteil der Österreich-Verantwortlichen nun mit weniger Händlern zusammenarbeiten will, nur mehr mit jenen, die sie gut kennen. Unbestritten, dass einige Konzerne das immer so gemacht haben und auf intensive Partnerschaften gesetzt haben. Ebenfalls sicher ist aber, dass es heute nur mehr schwer umsetzbar ist, die Reifen mit der Gießkanne zu verteilen.

Weniger Logos auf der Fassade

Einerseits ist das Risiko zu groß und andererseits haben, speziell die guten Händler, mittlerweile eine andere Strategie. War es früher noch ein Qualitätsbeweis, viele Logos auf der Fassade zu haben, ist es heute schon fast trendig, auf wenige Marken zu setzen. Die großen Hersteller haben ohnehin schon mehrere Marken im Programm, alles aus einer Hand, lautet hier die Devise. Die laufend wachsende Vielfalt der Produkte samt herstellerspezifischen Freigaben macht es nahezu unmöglich, mehrere Antworten auf die Fragen des Kunden auf Lager zu haben. Auch das aufwändige Rechnungswesen wird bei der Zusammenarbeit mit wenigerLieferanten vereinfacht.

Braucht es dieÖ-Zentrale?

Nicht zuletzt müssen sich viele Konzern-Niederlassungen die Frage stellen, ob man sie überhaupt noch braucht. Kommt ein wesentlicher Teil der Ware über internationale Großhändler, hat die Landesorganisation gar nichts vorzuweisen. Der Erfolg wird dem Land zugeordnet, das den Großhändler beliefert. Hat sichdie Niederlassung mit einem oder mehreren nationalen Großhändlern ins Bett gelegt, wird der Konzern ebenfalls bald fragen, wer die nationale Organisation noch braucht.

Händler braucht Betreuung

Dabei ist die Antwort relativ einfach: Der Händler braucht die Betreuung. Bei allen unseren Reportagen, die uns durch ganz Österreich bringen, sind es immer die kleinen, regionalen Reifenhändler, die bei allen Schwierigkeiten noch nachhaltig erfolgreich sind. Familienbetriebe, die aufgrund ihrer Marktnähe und ihrer persönlichen Kunden-Betreuung den Endkunden gewinnen und mir ihrer Logistik und ihrer Kompetenz auch regionale Wiederverkäufer beliefern. Diese kleinen Händler brauchen Unterstützung, in der Logistik, im Marketing, im Vertrieb. Sie brauchen den Außendienst der Reifenindustrie. Doch dafür müssen sie auch weiterhin dort ihre Ware beziehen.

So grotesk es klingt: Sofern nicht die internationalen Großhändler das Kommando übernehmen sollen, brauchen sich die nationalen Niederlassungen der Konzerne und der kleine bis mittlere Reifenhändler gegenseitig.