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Standards, Margensysteme, Garantievergütungen, Kundenzufriedenheitsumfragen: Bei diesen und weiteren Punkten klagen Markenhändler über immer schlechtere Rahmenbedingungen. Bei den Herstellern fanden sie bisher kaum Gehör, doch die Bundeswettbewerbsbehörde lässt mit einer überraschend deutlichen Stellungnahme aufhorchen.

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Der "Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung" ist ein berüchtigter Begriff: Schließlich impliziert er, dass eine wirtschaftlich mächtigere Partei den ihr von Rechtswegen zugestandenen Handlungsspielraum überschreitet und schwächere Gruppen übervorteilt. Genau das könnte im markengebundenen Fahrzeughandel vielfach der Fall sein, meint die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) in einer aufsehenerregenden Stellungnahme.

Im Frühjahr 2016 hatte sich das Bundesgremium des Fahrzeughandels an die Wettbewerbshüter gewandt, um diese über die angespannte wirtschaftliche Lage vieler Mitgliedsbetriebe zu informieren. Der Kritik an den Vertragsbedingungen der Hersteller ging die BWB in einer soeben veröffentlichten Analyse nach. Unter www.autoundwirtschaft.at ist das 10 Seiten starke Rechtsgutachten als Download verfügbar: Es beschäftigt sich mit der "Fallgruppe Investitionen in Architektur, Ausstattung und Einrichtung von Schauräumen, Werkstätten etc." ebenso wie mit der "Fallgruppe Vergütung von Leistungen, Bonifikationen" sowie mit Abnahmeverpflichtungen für Betriebseinrichtungen und Direktgeschäften der Importeure.

Eindeutige Marktbeherrschung

Bevor sich die Wettbewerbshüter mit den einzelnen Kritikpunkten beschäftigen konnten, mussten sie freilich klären, ob überhaupt eine marktbeherrschende Stellung der Kfz-Lieferanten vorliegt. Dies wird von den Herstellern gerne mit dem Argument bestritten, dass sich am Markt zahlreiche Konkurrenten tummeln würden. Daher stehe es ihnen frei, wie sie zur Optimierung des Absatzes ihr Vertriebsnetz gestalten. Diese zivilrechtliche Vertragsfreiheit hat aus der Sicht der BWB allerdings ihre wettbewerbsrechtlichen Grenzen. Nach Paragraf 4 Kartellgesetz sei davon auszugehen, dass die Hersteller als Lieferanten gegenüber ihren Händlern als Abnehmer eine marktbeherrschende Stellung hätten -vor allem, da Letztere "zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind".

Es kommt somit darauf an, welche Ausweichmöglichkeiten existieren. Schon 1993 ist der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem Kartellverfahren (Okt 3/93) davon ausgegangen, dass Vertragshändler, die ihren Bedarf nur bei einem Importeur -der jeweiligen Marke -decken können, bei einem Markenwechsel mit schwerwiegenden betriebswirtschaftlichen Nachteilen rechnen müssen. Der für den Wettbewerb relevante Markt sei somit auf Fahrzeuge dieser Marke eingeschränkt. Der Importeur sei auf diesem Markt keinem Wettbewerb ausgesetzt, somit werde "der Markt von ihm beherrscht". Daran ist aus der Sicht des OGH an sich nichts auszusetzen. Allerdingsist unter solchen Umständen die Angemessenheit vertraglicher Regelung besonders zu prüfen. Die BWB verweist dabei auf Paragraf 5 des Kartellgesetzes: Danach bestehe ein Missbrauch insbesondere "in der Forderung sonstiger Geschäftsbedingungen, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden". Nicht erlaubt -und daher nichtig -sind laut OGH (4 Ob187/02g) Klauseln, mit denen "der Marktbeherrscher dem Vertragspartner Verpflichtungen auferlegt, die für die Verwirklichung eines an sich legitimen Ziels entbehrlich sind und die Freiheitdes Vertragspartners unbillig einschränken".

Zahlreiche Verdachtsmomente

In Anbetracht dieses Maßstabs kann laut BWB dann ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung vorliegen, wenn "der geforderte Investitionszyklus auffällig von einer üblichen Abschreibungsdauer für das betreffende Vermögensgut abweicht", die Investitionen in einem "auffälligen Missverhältnis zu den Umsatz- und Ertragschancen" stehen, bestimmte Bezugsquellen vorgegeben werden sowie "betriebswirtschaftlich unvernünftige oder unvertretbare Investitionen gefordert werden".

Von einem möglichen Missbrauch spricht die BWB auch, wenn bei Garantie-und Gewährleistungsfällen "Richtzeiten oder Ähnliches systematisch unter den tatsächlich für die Mängelbehebung erforderlichen Zeiten festgesetzt werden", Vor-und Nachbereitungszeiten nicht verrechnet werden oder "Formvorschriften zum Anlass genommen werden, die Vergütung tatsächlich erbrachter Leistungen zu verweigern ". In ihrer Expertise berücksichtigt die BWB auch den Trend zu immer längeren Garantiefristen: "Diese Punkte wiegen umso schwerer, je höher der Anteil von Garantie-und Gewährleistungsarbeiten am gesamten Werkstattaufkommen ist." Als weitere Indizien für einen Marktmachtmissbrauch werden "willkürliche" oder nur auf einen bestimmten Prozentsatz der Betriebe abstellende Zielvorgaben sowie "unübliche Bewertungsschemata" bei Zufriedenheitsumfragen bezeichnet.

Salopp ausgedrückt: Es gibt kaum einen Aspekt der vertraglichen Zusammenarbeit zwischen Importeuren und Händlern, in denen die BWB nicht Anhaltspunkte für rechtswidrige Praktiken sieht. Wie reagieren darauf die Verantwortlichen?

Unterschiedliche Realitäten

Das BWB-Papier war naturgemäß Thema bei der jüngsten Sitzung des Arbeitskreises der Automobilimporteure. Dessen Vorsitzender Günther Kerle, bis zum Jahreswechsel Chef von Mazda Austria, gibt sich freilich gelassen. Die Analyse zeige lediglich theoretisch vorstellbare rechtliche Problemfelder auf, darüber hinaus würden alle Markenverträge der Schirm-GVO entsprechen: "Daher sehe ich überhaupt keinen Handlungsbedarf." Für Juristen ist diese eigenwillige Interpretation überraschend, größere Auswirkungen hat sie aber nicht: In markenspezifische Vertragsdetails kann der Importeursarbeitskreis ohnehin nicht eingreifen.

Naturgemäß anders sieht dies Komm.-Rat Ing. Josef Schirak, Einzelhandelssprecher im Bundesgremium des Fahrzeughandels: "Die Stellungnahme der BWB zeigt die Richtigkeit unserer Begehren auf." Nun sei es Sache der einzelnen Händlerverbände, auf Basis dieser Analyse Verhandlungen mit den Herstellermanagernzu führen.

Juristische Schützenhilfe

Erste Vereine haben bereits Gespräche aufgenommen. Sollte es zu keiner Einigung kommen, können betroffene Betriebe auf Basis der BWB-Analyse beim Kartellgericht beispielsweise beantragen, dass der Hersteller unwirtschaftliche Investitionsvorgaben zu unterlassen hat. Bei zweifelhaften Garantierückforderungen kann der jeweilige Händler den kartellrechtlichen Antrag stellen, jene Klauseln der Garantievergütung, auf die der Hersteller seine Forderung stützt, für ungültig zu erklären. Dies würde sich jeweils über den Einzelfall hinaus auf das gesamte Markennetz auswirken.

Die Händler und ihre Vertreter haben jedenfalls gute Gründe, künftig selbstbewusster aufzutreten: Eine so eindeutige und einflussreiche Schützenhilfe für den Einzelhandel, wie sie die BWB-Stellungnahme darstellt, gab es in Österreich noch nie.

Sollte es tatsächlich zu Prozessen kommen, folgen die Gerichte meist den Expertisen der BWB: Das ist wohl auch den Juristen in den Rechtsabteilungen der Fahrzeugimporteure bewusst.

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