Wie smart ist Smart Repair?

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Wie smart ist Smart Repair?

Bei der Reparatur von Haftpflichtschäden prallen die unterschiedlichsten Interessen aufeinander. Ist "Smart Repair" ein legitimer Weg zur Kostensenkung?

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Die Werkstätten wollen an der Reparatur von Haftpflichtschäden verdienen; ihre Kunden das Maximum aus dem Schadensfall herausholen. Die Sachverständigen sollen möglichst faire Schadensschätzungen abgeben; die Versicherungen wollen möglichst wenig zahlen. Ein Dilemma, aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibt. Oder heißt er Smart Repair?

Univ.-Prof. Dr. Christian Huber, Auslandsösterreicher an der Technischen Hochschule Aachen, hat untersucht, wem diese neuen Reparaturmöglichkeiten eigentlich nützen. Laut Wikipedia handelt es sich dabei um einen "Sammelbegriff für Reparaturmethoden zur Beseitigung von Kleinschäden an Kraftfahrzeugen". Komm.-Rat Friedrich Nagl, Bundesinnungsmeister der Fahrzeugtechnik, verwendet lieber den Begriff "Spot Repair" - mit dem etwa auch Ossi Matic für seine Franchisekette Lucky Car wirbt. Oder die Kundencenter von Denzel, die bei Kleinreparaturen ein Einsparungspotenzial bis zu 70 Prozent orten. In erster Linie geht es um das Ausbeulen von Metallbauteilen, die Kunststoffreparatur von Außenteilen, die Spotlackierung sowie die Reparatur von Windschutzscheiben. "Smart" ist, dass es zu keinem Austausch von Teilen kommt, sondern die Reparatur am Stück ("Spot") erfolgt.

Huber fasst die Vorteile zusammen: Geringere Materialkosten -man braucht kein neues Ersatzteil. Geringere Arbeitszeit -es entfallen der Ein-und Ausbau. Die Kosten der Lackierung (wennüberhaupt erforderlich) sind jedenfalls geringer. "Beim Ausbeulen erspart man gegenüber herkömmlicher Technik zwei Drittel, bei Kunststoffreparatur ein Drittel, bei der Spotlackierung 40 Prozent und bei der Scheibenreparatur gar sechs Siebentel." Daher geht es nach Huber "um mehr als eine quantité négligeable".

Verständlich, dass die Versicherungen nach diesem Einsparungspotenzial lechzen. Vor allem, da in Deutschland für die Unfallopfer die Möglichkeit fiktiver Reparaturkostenabrechnungen -also unabhängig von der konkreten Durchführung der Reparatur -auf Basis von Sachverständigengutachten besteht. Die errechneten Kosten dürfen nur nicht 100 Prozent des Wiederbeschaffungswertes übersteigen -und der Geschädigte muss sein Fahrzeug noch weitere sechs Monate nach dem Unfall behalten. Um den Kunden Smart Repair schmackhaft zu machen, verzichten deutsche Kaskoversicherer für die Akzeptanz dieser Reparaturmethode auf den sonst fälligen Selbstbehalt.

Ist die Billigreparatur nun minderwertig?

Huber verweist dabei auf Ausführungen am Deutschen Verkehrsgerichtstag 2015: So gibt es bei derartigen Kleinschäden weniger Probleme, den gleichen Farbton zu erwischen. Es unterbleibt ein Eingriff in die Festigkeit des Fahrzeugs. Die Korrosionsbeständigkeit ist höher, weil der Karosserieverbund erhalten bleibt. Schlussendlich wird die Vernetzung mit der Elektronik des Fahrzeugs (bei Spurhaltesystemen, Regensensoren und Kamerasystemen) nicht beeinträchtigt. Demnach sei Smart Repair stets gleichwertig, wenn diese von einem Fachmann durchgeführt wird.

Angeblich soll es dafür auch Herstellervorgaben geben. Jedoch wurde gleichzeitig vorgebracht, dass dies beim Ausbeulen nur für 2 von 40 Herstellern zutrifft. Eine realistische Zusammenstellung gibt es dafür nicht: Für das Kunststoffschweißen gibt es eine Freigabe von Daihatsu, von Audi wird das geprüft, BMW, Citroën und Mercedes lehnen dies jedoch großteils ab. Mercedes erlaubt dies nur bei Stoßfängerverkleidungen, während Smart Repair bei Audi bei Rissen bis 10 Zentimeter Länge erlaubt ist. Bei Citroën liegt die Grenze bei 15 Zentimetern.

In Deutschland haben sich bereits die Gerichte mit der Zulässigkeit des lackschadenfreien Ausbeulens auseinander gesetzt: Die Oberfläche darf nicht vorgeschädigt oder stark verwittert sein, es darf kein Vorschaden vorliegen und an dieser Stelle darf es noch keine Reparatur gegeben haben. Die Obergrenze liegt bei maximal drei bis vier Dellen. Erforderlich ist weiters eigens geschultes Personal mit entsprechender Spezialausrüstung. Aus der Sicht von Huber können daher nur Sachverständige die Zulässigkeit dieses Reparaturweges beurteilen. "Sonst besteht die Gefahr, dass der Schaden im Moment vermeintlich behoben ist, aber sobald Folgeschäden eintreten, deren Unfallskausalität später schwer zu beweisen ist.

Wann kann eine Versicherung Smart Repair erzwingen?

Im Schadensersatzrecht ist ausschließlich der Anspruch des Geschädigten auf eine fachlich und technisch einwandfreie wie vollständige Reparatur maßgeblich. "Dies gilt auch dann, wenn diese aufwendiger und damit kostenintensiver sein mag als alternative Reparaturmethoden", sag Huber, für den das Interesse des Geschädigten im Vordergrund steht. Er verweist auf die Gefahr, dass alternative Reparaturmethoden zulasten des Geschädigten allmählich auch auf größere oder große Schäden ausgedehnt werden.

Zur Zulässigkeit von Smart Repair ist -neben den generellen technischen Voraussetzungen -ein Kostenvergleich erforderlich. Darüber hinaus hat sich der Sachverständige zu den Vor-und Nachteilen beider Methoden zu äußern. Das OLG Karlsruhe hat bei einer Relation von 1:5 den Geschädigten zur Smart Repair verpflichtet. Beim LG Duisburg waren es 1:4 und beim LG Saarbrücken 1:3. In Österreich gibt es dazu noch keine Judikatur.

Welche Risiken gibt es?

Hersteller und Werkstätten werden ihren Kunden beim Haftpflichtschaden Smart Repair empfehlen, da sie am Verkauf von Ersatzteilen und Arbeitsstunden verdienen. Der Verweis der Versicherung auf diese günstigere Alternative setzt nach Huber voraus, "dass damit eine voll angemessene Abgeltung eines damit verbundenen -künftigen -Nachteils" erfolgt: "Denkbar wäre insoweit ein Zuschlag wie beim merkantilen Minderwert."

Für Nagl ist eines klar: "Wir wollen technische Neuerungen bei der Reparatur nicht verhindern. Sie dürfen aber nicht am Rücken der Kunden und Werkstätten eingeführt werden." Wichtig ist daher, dass die Kunden ausreichend informiert werden, dass sie auch auf die Möglichkeit einer kostenlosen freien Sachverständigenwahl hingewiesen werden. "Die Versicherungen können besichtigen, aber nicht die Kosten bestimmen."

Für Erik Papinski, Bundesinnungsmeister der Karosseriebauer, befinden sich die Werkstätten in einem Teufelskreis: "Der größte Fehler ist, dass sie den Kunden alle Arbeit abnehmen." Daher sollten die Werkstätten bloß die Reparaturkosten kalkulieren, aber nicht die ganze Schadensabwicklung einschließlich des Reparaturinkassos bei den Versicherungen durchführen: "Wenn der Kunde mit der Rechnung direkt zur Versicherung geht, gibt es in der Regel keine Probleme mit der Zahlung."

Doch den Kunden fehlt meist das dafür erforderliche Geld. Deshalb müssen die Werkstätten die Zwischenfinanzierung übernehmen, sie werden damit erpressbar. Werkstätten streiten dann mit den Versicherungen über ein Objekt, das ihnen gar nicht gehört. Um deren Druck zu entgehen, übernehmen sie willig deren Schadenskalkulation -einschließlich Smart Repair.

Generell hätte ein mit der Schadenskalkulation betrauter Sachverständiger in seinem Gutachten auf die zusätzlichen Risiken von Smart Repair hinzuweisen. Doch diese Sachverständigen werden -im fundamentalen Unterschied zu Deutschland -von der Versicherung des Schädigers beauftragt. Huber bezweifelt die Unabhängigkeit deren Expertisen: "Wird ihre Neutralität womöglich nicht doch ein bisschen davon beeinflusst, wer das Honorar bezahlt und künftig Aufträge erteilt? Nach dem Motto: Dessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe."

Huber warnt, dass die ungeprüfte Übernahme derartiger Kalkulationen riskant sein könnte. Vor allem, wenn Smart Repair -wegen möglicher künftiger Nachteile -nicht im Interesse des Kunden war. Dann könnte die Werkstätte vom Kunden wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflicht belangt werden. Ob sich diese dann bei der Versicherung schadlos halten kann, ist angesichts der Abhängigkeit der Werkstätten eher zu bezweifeln.

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