Neue Krisen am Horizont
| Dr. Friedrich KnöblDr. Fritz Knöbl ist emeritierter Rechtsanwalt und Publizist
Jetzt ist es amtlich: Ab 2035 dürfen nach den Vorgaben der EU nur noch Elektroautos zugelassen werden, nur bereits zugelassene Autos können weiterhin fahren. Entscheidungen in Europa werden „aufgrund von Dogmen und nicht auf Basis wissenschaftlicher Fakten getroffen“, kritisiert Carlos Tavares, CEO von Stellantis, diese neue EU-Vorschrift.
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Wie recht er damit hat, zeigt sich darin, dass der zuständige EU-Industriekommissar Thierry Brenton die Kfz-Hersteller bereits warnt, ihre Produktionspläne zu rasch ausschließlich auf E-Autos umzustellen – weil der vorgegebene Zeitplan nicht halten könnte. Es dürfte daher schon 2026 eine Notbremsung erforderlich sein – etwa wenn die Preise so hoch wie bisher bleiben. Dann können sich viele diese teuren Autos gar nicht leisten. Er warnt aber auch vor einer möglichen Rohstoff- und Energieknappheit durch die enorme Zahl an erforderlichen Batterien. Dies erfordere nach dem derzeitigen Stand der Technik 15-mal mehr Lithium, 4-mal mehr Kobalt, 4-mal mehr Grafit und 3-mal mehr Nickel.
Dazu kommt, dass US-Präsident Joe Biden fernab der Öffentlichkeit den Wirtschaftskrieg gegen China verschärft hat. Er verfügte, dass aus Sicherheitserwägungen China von der Weiterentwicklung neuester Chip-Technologien abgeschnitten werden soll. So dürfen Unternehmen neueste Grafikprozessoren, Speicherchips für AI-Anwendungen und Supercomputer sowie fortgeschrittene Produktionstechnologien nicht mehr an chinesische Firmen verkaufen, außer sie verfügen über eine Sondergenehmigung der US--Regierung. Nach dem derzeitigen -Verständnis -einer internationalen Ordnung hat auch Europa Kontakte zu China auf ein Minimum einzuschränken. Deshalb gilt dieses US-China-Embargo nicht nur in den USA, sondern weltweit für alle Unternehmen, die US-Technologie in ihren Produkten verwenden – das sind im Elektronikbereich faktisch alle.
Das bekam jüngst die bayerische ERS Electronic, Weltmarktführer im thermischen Testen von Halbleitern, zu spüren, als bei ihr ein chinesischer Investor einsteigen wollte. Ihre Testgeräte prüfen den Großteil aller in Autos verbauter ICs. Oder Elmos Semiconductor, ein Dortmunder Halbleiterhändler und Produzent, der in erster Linie die Kfz-Industrie beliefert. Dessen Wafer Fertigung sollte an den schwedischen Chip-Produzenten Silex Microsystems – Tochter einer chinesischen Muttergesellschaft – verkauft werden. Beide Deals wurden vom Bundeskabinett wegen „Sicherheitsbedenken“ untersagt.
Chinesische Hersteller konnten trotz aller finanziellen Bemühungen ihren Rückstand zu den USA, Taiwan, Südkorea und Europa bisher nicht aufholen. Wobei die internationale Produktion von Mikrochips international hochgradig verflochten ist. Das Buch „Chip-War“ des US-Professors Chris Miller beschreibt dies so: Ein typischer Chip basiert auf Plänen des – in japanischem Besitz stehenden – britischen Unternehmens ARM. Und zwar mithilfe von Entwicklerteams in den USA und Israel – unter Verwendung von US-Entwicklungssoftware. Die fertigen Pläne werden in ein Werk nach Taiwan geschickt, das für seine Produktion spezielle Gase und hochreine Silizium-Wafer aus Japan kauft. Die „japanischen“ Pläne werden auf Atome genau ins Silizium geätzt. Mithilfe einiger hochpräziser Maschinen, für die es weltweit nur fünf Hersteller gibt: drei in den USA, einer in Japan, einer in Holland. Danach werden die Chips meist in Südostasien in Gehäuse verbaut und auf deutschen ERS-Testern geprüft, ehe sie in China in Smartphones oder Elektroautos landen.
Die Folgen der US-Vorschrift werden wir erst in den kommenden Jahren zu spüren bekommen. Vor allem, da Anwendungen künstlicher Intelligenz und von Supercomputing in der Weiterentwicklung der E-Autos und des autonomen Fahrens eine entscheidende Rolle spielen. Möglicherweise wird China nun seinerseits den Export wichtiger Güter der Energiewende oder von seltenen Erden drosseln. Die Embargo--Spirale könnte sich – wie bei Gas oder Erdöl – auch bei der Energiewende weiterdrehen.
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