Zu viel, zu wenig oder gar falsche Reifen?

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Zu viel, zu wenig oder gar falsche Reifen?
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Gibt es ausreichend Reifen, kommt wieder billige China-Ware, wurde zu viel eingelagert, wo bekommt man noch Personal, was machen die Preise und vor allem die Konsumenten? Der Reifenbranche steht ein schwieriger Winter bevor.

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Bei einem Thema ist sich die Branche einig: es wurde heuer bereits sehr früh sehr viel eingelagert, teilweise deutlich über den Volumina der vergangenen Jahre. Die Gründe dafür sind klar: die angekündigten oder zumindest vermuteten Lieferschwierigkeiten der Industrie. Teilweise werden die Reifenhersteller dafür kritisiert, pauschal ist das vermutlich nicht gerechtfertigt. Die Situation war und ist sowohl am Rohstoff- als auch am Logistik-Sektor sehr volatil, zum Teil prekär. Manche Hersteller hatten tatsächlich deutliche Produktionsrückgänge zu verzeichnen, an anderer Stelle haben sich Rohstoff-Probleme wieder entspannt. Schon vor Monaten wurde analysiert, dass vermutlich nicht alles verfügbar sein wird, über die verschiedenen Marken und Hersteller aber kein Mangel auftreten wird. Dennoch sind die meisten Betriebe – und auch das ist verständlich – auf Nummer sicher gegangen.
Während man in den vergangenen Jahren in der Bedarfsplanung immer besser wurde, berichten manche Unternehmer heuer von schnellen, fast übereilten Bestellungen, wobei man oft die Vorjahres-Order einfach erhöht hat.

Zuviel eingelagert
Der Grundtenor ist: Es wurde zu viel eingelagert, zumal die Lieferfähigkeit – zumindest bei den meisten Modellen und Dimensionen – nicht so schlecht sein dürfte. Und – auch das darf man nicht vergessen: Die schwierige wirtschaftliche Entwicklung war im Frühjahr noch nicht in der Dimension absehbar, das Konsumentenverhalten ist nach wie vor nicht abzuschätzen. Kommt ein echter Winter mit frühem Schneefall und ist der Kunde bereit, entsprechend Geld für seine Mobilitätssicherheit auszugeben, kann die Winter­reifen-Saison gut über die Bühne gehen und mit ­weitgehend leeren Lagern enden.
Hinsichtlich der Verfügbarkeit muss man präzisieren, dass schon Engpässe bei den kleineren Dimensionen auftreten. „Bei eingeschränkter Produktionskapazität wurden die ertragreicheren größeren Dimensionen produziert“, meint etwa VRÖ-Vorstand Peter Wondraschek. Und Wilfried Fleischmann erkennt einen Trend bei der Nachrüstung von älteren Fahrzeugen hin zu kleineren und günstigeren Reifen. Da auch der Gebrauchtwagenmarkt durch die fehlenden Neuwagen aus dem Gefüge gefallen ist, werden viele Fahrzeuge weiter gefahren und noch einmal aufgerüstet.
Ebenfalls Engpässe sieht Fleischmann bei OE-Kennungen. „Die für Premiumfahrzeuge vorgesehenen Reifen sind teilweise nicht verfügbar und von hohen Preissteigerungen betroffen“, so Fleischmann. Zudem hätten sich die Autoimporteure der Premiummarken selbst hohe Kontingente gesichert und diese damit dem Zugriff des freien Handels entzogen.

Konsumentenverhalten kaum einzuschätzen
Dabei ist auch schwierig abzuschätzen, welche Preiskategorie die Konsumenten bevorzugen. Durch den Kaufkraftverlust und die Unsicherheiten aufgrund von Inflation und Energiepreissteigerungen einerseits und die Preiserhöhung bei den Reifen andererseits öffnet sich ein ordentliche Schere, die zu einem Wechsel der Reifenmarke bzw. Preiskategorien führen kann. Ist neben der Preissteigerung auch eine Dimensionserhöhung durch ein neues Auto dazugekommen, ist eine Verdoppelung der Kosten gegenüber dem Reifenkauf von vor zwei oder drei Jahren nicht unrealistisch. Ein Wechsel vom Premium- zum Quality-Produkt scheint bei vielen Kunden eine naheliegende – und leistbare – Alternative zu sein. Ein große Ungewissheit betrifft auch die Preisentwicklung, zu der es auch unterschiedliche Prognosen der Hersteller gibt. Nach mehreren Erhöhungen wird teilweise noch eine weitere Erhöhung vermutet, andere stellen Stabilität für die nächsten Monate in Aussicht, aber auch Preissenkungen für nächstes Jahr stehen im Raum. Manche sehen hier schon eine Wiederholung des Jahres 2009, als die Betriebe auf Druck der Industrie deutlich zu viel eingelagert hatten und dann bei rückläufigen Preisen teure Bestände auf Lager hatten, die existenz­gefährdend waren. Dabei steigen die Preise natürlich nicht nur bei den Reifen: „Energie, Kleinteile, Logistik: Alles ist teurer geworden, und auch bei den Lohnkosten sind deutliche Erhöhungen zu erwarten. Da wird uns nichts anderes übrig bleiben, als auch unsere Dienstleistungspreise anzupasssen“, meint etwa ­VRÖ-Vorstand Herbert Wadel.

Disziplin der Händler
Entscheidend wird auch die Disziplin der Händler sein, nicht schon frühzeitig mit Mischkalkulationen den Abverkauf zu beginnen und damit das Preisniveau zu senken. Ein offener Punkt ist zudem die Billigware aus China, die in den letzten Jahren aus Gründen der Logistikkosten und -probleme nicht zu uns gekommen sind. Insider glauben, dass die Container in den nächsten Monaten eintreffen und das Preis­gefüge beeinflussen werden. In Wahrheit ist die Preisentwicklung aber ebenso schwer einzuschätzen wie das ­Konsumentenverhalten.
Die größte Herausforderung dürfte bei den meisten Unternehmen die Personalsituation sein. „Wir haben mittlerweile eine ähnliche Situation wie in der Gastro­nomie“, berichtet VRÖ-Vorstand Hermann Hladky. Ob das Reifengeschäft so abgewickelt werden kann, wie sich der Kunde das erwartet, ist bei vielen Betrieben noch fraglich. Es wird eine spannende Saison.

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