Ein Auto, 4 Urteile
| Dr. Friedrich KnöblWie unterschiedlich die Prüfordnung ausgelegt werden kann, zeigt ein Hyundai Tucson (Bj. 2005).
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Der erhielt im November 2018 beim Autohaus Fürst das Pickerl. Ein aufgezeigter schwerer Mangel (rechtes vorderes Traggelenk) wurde behoben, danach wurde das Fahrzeug mit 6 leichten Mängeln aus der Werkstätte entlassen. 5 betrafen oberflächliche Korrosionen, der sechste war ein leichter Motoröl-und Getriebeölverlust. 500 Kilometer später diagnostizierte das Autohaus Bleyer "starken Ölverlust, fehlende Bremsschilder Hinterachse, starker Rostansatz allgemein und Durchrostung der Hinterachse".
Das nachfolgende SV-Gutachten von Dipl.-Ing. Dr. Josef Plank analysiert die von der Behörde als "schweren Mangel" beurteilte Durchrostung der Hinterachse: Es sei von einer mechanischen Krafteinwirkung als Ursache der Löcher auszugehen. Der von der Landesregierung beauftragte Amtssachverständige Dipl.-Ing. Bernhard Glockenstein fand, die Durchrostung sei jahrelang fortgeschritten. Die Löcher können durch das Klopfen mit dem Prüfhammer entstanden sein. Weiters seien als "schwerer Mangel" die Tankbefestigungsbänder durchrostet und wäre auch der Ölverlust als schwerer Mangel einzustufen gewesen.
Eine gegenteilige Ansicht wird im SV-Gutachten Ing. Dipl.-Ing. Christian Eissner vertreten: Die Ränder der Löcher und die Gummihülle waren stark nach innen gebogen. Eine Deformierung an den Blechenden sei nur mit erheblichem Kraftaufwand möglich gewesen. Die scharfen nach innen gebogenen Lochkanten können so durch keinen Rundkopf-Prüfhammer entstehen. Die Löcher seien mithilfe von Werkzeug - etwa einem Schraubenzieher - entstanden.
Die als schwerer Mangel qualifizierte angerostete Tankaufhängung sei nur ein leichter Mangel. Auch der von Glockenstein als schwerer Mangel eingestufte Flüssigkeitsverlust sei ein leichter Mangel. Eine als schwerer Mangel einzustufende Tropfenbildung liegt nur dann vor, wenn bei der Überprüfung ein Tropfen zu Boden geht und sich ein neuer bildet - was selbst Glockenstein nicht behauptet.
Das von der Staatsanwaltschaft beauftragte SV-Gutachten Ing. Michael Schrammel schließt sich in mehreren Punkten Plank und Eissner an. So könne bei den Löchern in der Halbachse nicht ausgeschlossen werden, dass diese bei der Prüfstelle Fürst noch gar nicht vorhanden waren. Allerdings war der Achskörper schon so stark angerostet, dass man ihn mittels Werkzeug anbohren konnte.
Zusätzlich ortet Schrammel in den fehlenden Schutzblechen der Bremsscheiben einen schweren Mangel, den die bisherigen Experten übersehen haben. Verständlich, da die Prüfordnung ein derartiges Schutzblech gar nicht vorschreibt. Nur wenn ein derartiges Blech ungesichert montiert ist, kann dies laut Mängelkatalog als schwerer Mangel gewertet werden.