Das Ende der Privatgutachten?

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Das Ende der Privatgutachten?

Täglich werden in Österreich Dutzende Kfz-Schadengutachten erstellt. Entweder im Auftrag einer Versicherung, eines Geschädigten oder eines Gerichts. Die damit beauftragten Sachverständigen bestimmen letztlich, wer wie viel für seinen Schaden bezahlt bekommt.

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Vielfach bleibt dabei unberücksichtigt, dass ein derartiges Gutachten ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist. Ein Prozess beim Bezirksgericht Wien-Liesing (1C 406/16s) hat gezeigt, zu welch grotesken Folgen das führen kann.

In vielen Fällen ist den Beteiligten nicht klar, wie sie mit diesem Urheberrecht umgehen sollen. Mag. Johann Guggenbichler, Richter am Oberlandesgericht Wien, hatte deshalb im Rahmen eines SV-Seminars Anfang 2017 in Bad Hofgastein versucht, Licht in dieses urheberrechtliche Dunkel zu bringen. Ein Sachverständiger, der "im Auftrag einer Versicherung zur Schadensfeststellung

oder zur Bewertung ein Gutachten erstellt, räumt dem Auftraggeber ein Nutzungsrecht daran ein, das auch die Vorlage des Gutachtens an jene Personen umfasst, die mit der Abwicklung der Schäden bzw. der weiteren Behandlung befasst sind". Damit stellte er klar, dass dieses Gutachten von allen Beteiligten zur Schadensliquidierung genutzt werdenkann.

Einschränkungen beachten

Das betrifft auch Privatgutachten, die der Geschädigte selbst beim Sachverständigen (SV) in Auftrag gegeben hat. Guggenbichler macht da aber auf Einschränkungen aufmerksam: "Überlässt ein SV ein zur Vorlage bei der gegnerischen Versicherung erstelltes Gutachten seinem Auftraggeber, liegt darin nicht das konkludente Einverständnis dazu, dassdie Versicherung die im Gutachten abgedruckten, vom Sachverständigen angefertigten Lichtbilder des Unfallfahrzeugs digitalisiert und im Internet in eine Restwertbörse stellt."

Er macht darauf aufmerksam, dass der Nutzungszweck eines derartigen Gutachtens bloß die Übergabe an die Versicherung zur Beurteilung des Sachverhalts ist. "Die Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen der Versicherung", ist mit einer derartigen Gutachtensübermittlung durch den Geschädigten nicht gedeckt.

Guggenbichler empfiehlt daher den Sachverständigen, darauf in ihren Gutachten hinzuweisen. Der "Copyright-Hinweis" macht für sich allein aus einem Gutachten noch kein Werk -das hängt davon ab, ob es sich um eine eigentümliche geistige Schöpfung" handelt. Dennoch ist damit eine gewisse Warn- und Hinweisfunktion verbunden. "Es schadet daher nicht, im Gutachten neben seinem Namen auch den Copyright-Hinweis anzubringen." Damit kann der Missbrauch derartiger Gutachten eingeschränkt werden.

Eine Empfehlung, die auch Bundesinnungsmeister Komm.-Rat Friedrich Nagl bei seinen Gutachten berücksichtigt: "Eine Verwertung der Beweissicherungslichtbilder zu anderen Zwecken als zur Beilage für den vorliegenden Akt -insbesondere als dienliche Grundlage zur Erstellung einer Zweitexpertise durch einen Kollegen oder andere Fachkundige -sowie eine Veröffentlichung im Ganzen oder von Teilen des Aktes aus der eine präsumtive, auch nur mögliche Schädigung des Auftraggebers oder darauf erkennbare oder geschützte Objekte in Bildund Schriftform resultieren könnten, ist durch den Werkschutz untersagt und wird bei Bekanntwerden gerichtlich verfolgt."

Große Unterschiede in zwei Gutachten

Ein derartiger Hinweis befand sich auch in einem Gutachten, bei dem es um die Schadensliquidation eines alten Mercedes-Taxis mit 266.000 Kilometern ging. Unstrittig waren die voraussichtlichen Reparaturkosten von 3.937,88 Euro. Differenzen gab es beim Schätzwert dieses Fahrzeugs. Nagl kam mittels "Autopreisspiegels" auf 3.700 Euro, woraus sich eine für den Taxler günstige Reparaturtunlichkeit ergab. Der vom Gericht bestellte SV Ing. Hannes Imendörffer kam -ebenfalls mit dem "Autopreisspiegel" - auf netto 1.458 Euro, was zu einem für die Versicherung günstigen Totalschaden führte.

Naheliegend, dass der Kläger die Differenz erläutert haben wollte. Da stieß er bei Imendörffer auf Granit: "Bezüglich der Divergenzen zum Gutachten Nagl gebe ich an, dass ich bezüglich dem Gutachten Nagl technischerseits hier keine Stellungnahme abgeben darf, da im Gutachten Nagl, insbesondere bei den rechtlichen Hinweisen, darauf hingewiesen wird, dass das Gutachten dem Werkschutz unterliegt. Eine Verwertung zur Erstellung einer Zweitexpertise durch einen Kollegen oder eine andere fachkundige Person wird laut seinem eigentlichen Schriftsatz durch den Werkschutz untersagt."

Diese Rechtsansicht wurde auch von Richterin Mag. Cornelia Wiesböck geteilt. Sie wies die Klage aufgrund des "schlüssigen, nachvollziehbaren und unbedenklichen Gutachtens des Sachverständigen" ohne Einholung eines weiteren Gutachtens ab. Auch in der Instanz hatte der Taxler Pech: Die Ablehnung des beantragten weiteren Gutachtens sei bloß ein Verfahrensmangel, die Berufung blieb erfolglos.

Schlecht aufgepasst?

Möglicherweise hat Imendörffer mit seiner Aversion gegen das Nagl-Gutachten bloß beim Urheberrechtsseminar schlecht aufgepasst. "Die freie Werknutzung im Rahmen der Rechtspflege ist gesetzlich verankert", betont deshalb Guggenbichler. Ein Gerichtsgutachter ist selbstverständlich verpflichtet, sich mit dem ganzen Prozessstoff - somit auch mit divergierenden Privatgutachten - auseinander zu setzen. "Da darf sich niemand auf das Urheberrecht ausreden." (KNÖ)

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