Riskante Probefahrten

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Riskante Probefahrten

So mancher Autohändler weiß über den Vorschriftendschungel beim Einsatz blauer Kennzeichen ein gar grausig Lied zu singen. Die damit verbundenen Verwaltungsstrafen sind ärgerlich.

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Teuer kann es jedoch werden, wenn bei einer Probefahrt ein Unfall passiert. Der Oberste Gerichtshof hat in einem Urteil (7 Ob 81/15k) die Berechtigung der Kfz-Versicherung bestätigt, einen derartigen Schaden auf die Werkstätte zu überwälzen. Der Anlass war recht simpel: Ein Autohändler fuhr von seinem Wohnsitz zu einem Kunden, weil er diesem das Auto verkaufen wollte. Dafür war er mit blauen Kennzeichen unterwegs. Er nahm seine Ehefrau mit, um sie bei dem am Weg liegenden Haus der Schwiegermutter abzusetzen. Es passierte ein Unfall, der von beiden Seiten zu je 50 Prozent verschuldet wurde. Die Insassen des gegnerischen Autos wurden dabei verletzt.

Versicherung verlangte Geld zurück

Beim Verfassen der Unfallsmeldung informierte der Händler seine Kfz-Haftpflicht, dass bei der Probefahrt seine Ehefrau mit im Auto war. Damit war für ihn dieser Unfall erledigt. Er ging davon aus, dass seine Haftpflicht dem Gegner - entsprechend dessen Mitverschulden - den Schaden ersetzen wird. Das tat sie auch. Doch verlangte sie vom Händler all ihre Zahlungen an die Gegenseite (16.023,06 Euro) als Regressanspruch zurück. Er habe keine Aufzeichnungen über diese Probefahrt geführt. Damit sei gegen die Aufzeichnungspflicht des §45 KFG verstoßen worden. Dies sei eine Verletzung einer Obliegenheitspflicht des Versicherungsnehmers, welcheder Händler verletzt habe. Deshalb sei sie als Haftpflichtversicherer gegen ihren Versicherungsnehmer völlig leistungsfrei. Da der Händler nicht zahlen wollte, landete die Sache vor Gericht.

Keine Probe-, sondern eine Privatfahrt

Die Einvernahme des Händlers beim Landesgericht Wels ergab, dass seine Fahrt zum Kunden nicht vom Betrieb, sondern von zu Hause aus getätigt wurde. Worauf die Versicherung zusätzlich einwendete, dass unter diesen Umständen gar keine Probefahrt vorgelegen sei. Nach Artikel 9.1.1. der Haftpflichtversicherungsbedingungen (AKHB) gehört zu den Obliegenheiten, Vereinbarungen über die Verwendung des Fahrzeuges einzuhalten. Die Verwendung des Probefahrtkennzeichens sei jedoch nur für Probefahrten vereinbart worden. Im konkreten Fall habe es sich somit um eine Privatfahrt gehandelt, die nicht versichert gewesen sei.Überdies habe der Händler gegen seine Aufklärungspflicht nach Artikel 9.1.1. verstoßen. Bereits in der Versicherungsmeldung hätte er offenlegen müssen, dass er die "Probefahrt" nicht vom Betrieb, sondern von seinem Wohnhaus gestartet habe.

Händler führte keine Aufzeichnung über die Fahrt

Dieser Ansicht schloss sich das Gericht an - und wies die Klage dennoch ab. Es ging zwar von einer Verletzung der Obliegenheit des Artikels 9.1.1. AKHB aus, weil die Fahrt nicht als Probe-, sondern als Privatfahrt zu qualifizieren sei. "Allerdings sei die Obliegenheit des Artikels 9.1.1. AKHB der Bestimmung des§ 6 Abs 1a erster Satz Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) zu unterstellen. Die Prämie eines "blauen Taferls" sei wesentlich geringer als die für Privatfahrzeuge. Das mit der Verwendung des "blauen Taferls" versicherte Risiko sei nicht größer als das der tatsächlich erfolgten Privatfahrt gewesen. Damit sei die Obliegenheitsverpflichtung des Händlers ohne Relevanz.

Beim Berufungsgericht hatte die Versicherung mit ihrer Regressforderung mehr Glück. Es bestätigte die Qualifikation der Fahrt als "Privatfahrt". Der Händler habe überdies keine Aufzeichnung über die Probefahrt geführt und erstmals bei der Verhandlung angegeben, dass er von zu Hause weggefahren sei. Damit habe er der Versicherung die Ermittlung des tatsächlichen Sachverhalts erschwert. Das betreffe nicht das versicherte Risiko, sondern sei eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach einem Unfall. Es liege ein Verstoß gegen eine Obliegenheitspflicht nach Artikel 9.3.4. AKHB vor. Bei Obliegenheitsverletzungen sei die Leistungsfreiheit der Versicherung pro Versicherungsfall mit 22.000 Euro begrenzt. Der eingeklagte Betrag bewege sich unterhalb der Grenze des Artikels 11 der AKHB, sei daher vom Händler voll zu ersetzen.

Unfallsmeldung war unvollständig

Allerdings hätte der Händler den Vorwurf, eine Obliegenheit verletzt zu haben, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen ist, entkräften können. Und zwar mit dem Beweis, dass ihn an der unvollständigen Unfallsmeldung nicht einmal eine "leichte Fahrlässigkeit" getroffen habe. Dann wäre nach §6 Abs. 3 VersVG die sonst mit einer Obliegenheitsverletzung verbundene Leistungsfreiheit nicht zum Tragen gekommen. Da der Händler einen derartigen Beweis gar nicht erst erboten hatte, erübrigte sich die Frage, ob er ihm gelungen wäre.

Der Händler wurde daher zur Zahlung von 13.124,33 Euro verurteilt. Davon entfielen 4.250 Euro auf das Schmerzengeld der gegnerischen Beifahrer, der Rest auf Behandlungskosten der Gebietskrankenkasse. Worauf der Händler beim Obersten Gerichtshof einwendete, dass er aufgrund der Verschuldensteilung nur die Hälfte davon zu zahlen hätte. Seine Haftpflicht habe mit der Vollzahlung ihre Schadensminderungspflicht verletzt.

Beide Lenker haften

Auch damit kam er nicht durch. Der OGH stellte klar, dass beide Lenker solidarisch für die Schadenersatzansprüche der Beifahrer haften. Die Händler-Haftpflicht war somit verpflichtet, allen Beifahrern den vollen Schaden zu ersetzen. Gemäß §24 Abs 1 Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (KHVG) sei die Versicherung berechtigt, für sämtliche erforderlichen und erbrachten Leistungen Regress zu nehmen. Daher kommt "schon nach der Natur des Anspruchs keine Schadensminderungspflicht in Betracht." Der Händler könne jedoch seinerseits die zweite Hälfte dieser den Beifahrern erbrachten Zahlungen von der gegnerischen Haftpflicht - entsprechend der Verschuldensteilung 50:50 - einfordern.

Privat- oder Probefahrt?

Wie schon vor Jahrzehnten (7 Ob 6/84) hat der Oberste Gerichtshof auch im konkreten Fall die Grenzen einer Probefahrt recht eng gezogen: Die Verwendung von Probefahrtkennzeichen zu privaten Zwecken (z. B. Mittagessen oderÜbernachten zu Hause) ist auch dann unzulässig, wenn mit dieser Fahrt ein geschäftlicher Zweck (anschließende Vorführung des Fahrzeugs bei einem Kunden) verbunden ist.

Aufklärungspflichten

Eine Aufklärungsobliegenheit verpflichtet nach ständiger Rechtsprechung den Versicherten, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen und alles Zweckdienliche zur Aufklärung des Schadenereignisses vorzunehmen. Das gilt auch, wenn es seinen eigenen Interessen zum Nachteil gereichen sollte (RIS-Justiz RS0080972). Damit sollen nicht nur die nötigen Feststellungen über den Ablauf, die Verantwortlichkeit der Beteiligten und den Umfang des entstandenen Schadens ermöglicht, sondern auch die Klarstellung aller Umstände gewährleistet werden, die für allfällige Regressansprüche desVersicherers von Bedeutung sein können (RIS-Justiz RS0081010).

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