"Wie ein Überfallskommando"

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"Wie ein Überfallskommando"

Als "Raubzüge auf höchstem Niveau" schildern immer mehr Autohäuser die Aktionen der Finanzbehörden. Selbst bei geringsten Unregelmäßigkeiten mit blauen Kennzeichen drohen harte Strafen.

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Machen wir einen kurzen Rückblick: Die Behörden hatten jahrelang großzügig blaue Kennzeichen verteilt -vor vier Jahren waren es plötzlich 40.000. Mit dieser Schwemme war auch dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, was auch von der Wirtschaftskammer kritisiert wurde. Mit scharfen Kontrollen wurden viele schwarze Schafeausgesiebt, sodass letztlich "nur" 25.000 übrig blieben. Aber es wird weiter kontrolliert. Und diese Kontrollen dienen oft der Schikanierung regulärer Kfz-Betriebe.

Breiter Spielraum für die Behörden

Die in§45 Absatz 3 KFG angeführten Voraussetzungen zur Ausgabe blauer Kennzeichen lassen den Behörden einen breiten Spielraum. Die Vergabe ist keinesfalls auf Kfz-Betriebe beschränkt. Ein verlässlicher Bewerber muss bloß einen Betrieb mit mehreren Autos haben, sich mit deren Reparatur befassen und damit die Notwendigkeit von Probefahrten glaubhaft machen. Die Vorschriften, wann und wie er diese blauen Tafeln benutzen darf, sind jedoch heikel.

Bei derÜberprüfung der Probefahrten arbeiten die Finanzer und die Polizei bei ihren Schwerpunktaktionen Hand in Hand. Dem Fiskus geht es vor allem darum, die Umgehung der NoVA mittels blauer Kennzeichen aufzuspüren. Die Polizei leistet mit ihren Verkehrskontrollen die Vorarbeit und kassiert die Verwaltungsstrafen. Vor ein paar Monaten waren die steirischen Betriebe dran. Zuletzt scheint Oberösterreich an der Reihe gewesen zu sein.

Dort hat es kürzlich das Autohaus Schneider in Rohr erwischt. Eine Kunde legte bei seiner Probefahrt einen Stopp beim Finanzamt ein. "14 Tage später sind zwei Finanzbeamte in Uniform wie ein Überfallskommando bei uns aufgetaucht", erinnert sich Daniel Schneider. Vor Ort überprüften sie das übervolle Fahrtenbuch. "Wie immer, wenn man etwas sucht, war gerade diese Fahrt nicht eingetragen." Daher kassierte der Betrieb für diese Probefahrt rückwirkend eine Strafe von 480 Euro.

Ärger bekam auch das Autohaus Sonnleitner in Gmunden. "Wir haben pro Tag zwei bis sechs Probefahrten", sagt Betriebsleiter Gerhard Pichler, der dafür penibel das Fahrtenbuch führt. "Kürzlich habe ich einem Werkstattkunden die Kennzeichen geliehen, weil er sich privat ein Auto kaufen wollte." Auch diese Fahrt war zur Überprüfung beim ÖAMTC korrekt ins Fahrtenbuch eingetragen. Am Weg dorthin wurde das Auto angehalten und überprüft. "Weil es keine Fahrt im Dienste des Autohauses war, haben sowohl wir als auch unser Kunde eine Strafe von 240 Euro bekommen." Pichler vermisst bei diesem erstmaligen Verstoß jegliches behördliche Augenmaß. "Ich hätte bloß sagen brauchen, er wollte anschließend bei uns das Pickerl machen", sagt Pichler. Er nahm sich allerdings nicht die Zeit, deswegen mit den Behörden herumzustreiten.

Dann kam die Finanzpolizei in Zivil

Ein anderes Autohaus, das aus Angst vor behördlichen Repressalien ungenannt bleiben will, machte vor einem halben Jahr Bekanntschaft mit der Finanzpolizei. "Unser Verkäufer hat einem Ehepaar einen VW Passat zur Probefahrt übergeben", schildert der Firmenchef den Vorfall. Nach der Führerscheinkontrolle wurde die Ehefrau als Fahrerin ins Fahrtenbuch eingetragen. Auf der Rückfahrt wollte auch der Ehemann das Auto ausprobieren. Und wurde dabei von der Finanzpolizei in Zivil gestoppt. Der für den Verkäufer unvorhersehbare Fahrerwechsel war daher nicht im Fahrtenbuch vermerkt.

Prompt folgten eine polizeiliche Vorladung zwecksÜberprüfung aller Fahrtenbücher, die Einvernahme des Firmenchefs und eine Strafe von 480 Euro. "Das sind Raubzüge auf höchstem Niveau", klassifiziert der Autohauschef dieses Inkasso. Ihm wurde weiters mitgeteilt, dass seinem Unternehmen bei einem neuerlichen Missbrauch die Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten ohne weitere Anhörung entzogen werde. "Ich bin mir da vorgekommen wie ein Verbrecher", ärgert er sich. "Höre ich dann mit meinem seit 33 Jahren bestehenden Kfz-Betrieb mit 20 Mitarbeitern auf?"

Polizei-Verfolgung mit Blaulicht

Dem Wiener Peugeot-Händler Friedrich Gartner ist vor einiger Zeit Ähnliches passiert. "Ich war mit zwei Kunden zur Probefahrt unterwegs. Nach zwei Kilometern haben wir zum Fahrertausch angehalten. Bei der Weiterfahrt ist uns plötzlich die Polizei mit Blaulicht nachgefahren." Bei der anschließenden Fahrzeugkontrollewurde Gartner vorgeworfen, dass er die Probefahrtsbescheinigung nicht mitgeführt habe. Er könne die Strafe gleich zahlen, sonst werde er angezeigt.

Gartner zahlte nicht und wurde vorgeladen. "Ich hatte Glück, dass ich damals gerade auf einer §-45-KFG-Schulung in der Kammer war", sagt er und bat dort Dipl. oec. Andreas Westermeyer (Bundesinnung für Fahrzeugtechnik) um Hilfe. "Man muss nur wissen, wie man sich wehren kann", erklärt Gartner: Dank Hilfe der Innung konnte er anhand von Verwaltungsgerichtsentscheidungen der Polizeijuristin klar machen, dass er zum Mitführen eines Fahrtenbuches gar nicht verpflichtet sei. Wobei es ihm nicht so sehr um die Strafe gegangen ist. "Man kann denen nur nicht alles durchgehen lassen", sagt Gartner und rät allen Kollegen, sich rechtzeitig zur Wehr zu setzen.

Entscheidungen "nahe der Willkür"

Westermeyer istüberzeugt, dass ein Fahrerwechsel während der Probefahrt kein KFG-Delikt ist. Nur wenn das Fahrzeug während der Probefahrt auf öffentlichem Grund abgestellt wird, muss nach §45 Absatz 1a KFG eine entsprechende Bescheinigung sichtbar hinter der Windschutzscheibe liegen.

Nach seiner Erfahrung sind die Betriebe in den vergangenen Jahren bei der Verwendung von Probekennzeichen sehr vorsichtig geworden. "Wenn einer bei der Ennstal-Classic mit blauer Nummer erwischt wird, dann muss er zahlen", sagt Westermeyer. Er kennt jedoch einige§-45-KFG-Entscheidungen "die nahe der Willkür sind". Vor allem wegen eines im Wiederholungsfall drohenden Kennzeichenentzugs sollten sich die Betriebe aus Angst vor Schikanen nicht zu viel gefallen lassen.

Nach wie vor sorgen die Aufzeichnungspflichten bei der Nutzung blauer Kennzeichen für Verwirrung. Welche Ausnahmen treffen zu und welcher Fahrbefehl muss dann ausgefüllt mitgeführt werden? Dafür wurde als Kammerservice ein einheitlicher Fahrbefehl erarbeitet, der elektronisch vorgefertigt ist und abgespeichert werden kann (https://www.wko.at/Content. Node/branchen/oe/Fahrzeugtechnik/Elektronischer-Fahrbefehl-bei-Nutzung-von-Probefahrtkennze1.html)."Auch wenn die Rechtslage anderes vorschreibt, empfehlen wir, das Fahrtenbuch und diesen Fahrbefehl vor Fahrtantritt immer auszufüllen und mitzuführen", rät Westermeyer. So könne man allen mühsamen Auseinandersetzungen mitder Exekutive vorbeugen.

Vortrag auf der AutoZum mit allen Details

Darüber hinaus hat Bundesinnungsmeister Komm.-Rat Fritz Nagl die Überarbeitung der Probefahrt- Broschüre veranlasst -gewissermaßen als Ergänzung zu den vielen Fachvorträgen, die von der Kammer in den vergangenen Jahren zu diesem Thema veranstaltet wurden.

Übrigens: Unter dem Motto "Bunte Taferlwirtschaft" wird Westermeyer am 20. Jänner 2017 um 13 Uhr auf der AutoZum in Salzburg jenes Wissen vermitteln, das zur Abwehr echter oder vermutlicher Behördenwillkür erforderlich ist. Denn die Behörde kann mit einem Entzug der blauen Kennzeichen schlagartig jeder Kfz-Betrieb lahm legen.

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