Smart Repair als Totalschadenskiller

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Smart Repair als Totalschadenskiller

Smart Repair wird von vielen Kfz-Betrieben mit Argwohn betrachtet. Sie fürchten, dass ihnen beträchtliche Ersatzteilumsätze durch die Lappen gehen. Doch Smart Repair kann auch als Umsatzmotor dienen: Es ermöglicht, Totalschadensabrechnungen der Versicherungen zu unterlaufen und das Abwandern zu Pfuschern zu stoppen.

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Nach der Judikatur des Obersten Gerichts hofes dürfen Versicherungen Haftpflichtschäden zu Totalschäden erklären, wenn die Reparaturkosten 110 -115 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Eine viel zu niedrige Grenze, die vor Jahrzehnten vom OGH geschaffen wurde. In Deutschland hat der Bundesgerichtshof die Reparaturgrenze bei 130 Prozent gezogen. "In der Marge zwischen 100 und 130 Prozent muss die Reparatur umfassend und fachgerecht sein", verweist Univ.-Prof. Dr. Christian Huber von der Technischen Hochschule Aachen darauf, dass die Geschädigten über 100 Prozent die tatsächlichen Reparaturkosten nachzuweisen hätten. "Während bei einer Reparatur bis 100 Prozent fiktive, also unabhängig von der Reparatur, unter Bezugnahme auf ein Sachverständigengutachten abgerechnet werden kann."

Bei einer Reparaturgrenze von 130 Prozent ist die Möglichkeit der Totalschadensabrechnung naturgemäß wesentlich geringer als bei 110 Prozent -oder bei gar 50 oder 70 Prozent, wie dies in vielen heimischen Kaskobedingungen zu finden ist. Dass der Geschädigte bei der Reparaturkostenabrechnung einen deutlich höheren Betrag bekommt als beim Verweisauf die Totalschadensabrechnung, gilt auch für Österreich. Ob der Geschädigte die für ihn günstigere Variante wählen kann, hängt vom Sachverständigengutachten ab. Und den Sachverständigen bestimmt in Deutschland der Geschädigte -in Österreich jedoch die Haftpflichtversicherung des Schädigers.

Sachverständiger kann Weg aufzeigen

"Wenn nach Kalkulation der Kosten einer Markenwerkstätte die Marge der Reparaturkostenabrechnung überschritten ist, kann der Sachverständige einen Weg aufzeigen, auf dem eine qualitativ gleichwertige Reparatur auch zu geringeren Kosten möglich ist, sodass der maßgebliche Schwellenwert nicht überschritten wird", verweist Huber auf eine in Deutschland gängige Praxis. Das betrifft -bei Zustimmung des Geschädigten -die Möglichkeit der Auswahl billigerer Werkstätten mit niedrigeren Stundensätzen oder den Einsatz von preiswerten Identteilen; oder andere Smart-Repair-Varianten, mit denen sich die Verkehrssicherheit des Unfallautos wieder herstellen lässt.

Für Bundesinnungsmeister Fritz Nagl wird nicht ausreichend zwischen einem wirtschaftlichen und dem technischen Totalschaden unterschieden. "Nur der, der repariert und die Gewährleistung gibt, bestimmt den Reparaturweg", steht für ihn beim wirtschaftlichen Totalschaden der Kundenwunsch immer an erster Stelle.

Anspruch auf Zeitwertreparatur

Die Oberste Gerichtshof hat den Anspruch der Geschädigten auf eine "Zeitwertreparatur" schon vor 30 Jahren anerkannt (8Ob82/85). Die Versicherungen haben aber immer wieder versucht, die Unfallopfer mit der niedrigen Totalschadensabrechnung abzuspeisen. Zuletzt sind sie damit beim Bezirksgericht Donaustadt auf die Nase gefallen (20C1764/11f). Huberverweist darauf, dass in Österreich die Judikatur des OGH noch weitere Alternativen zur Totalschadensabrechnung offen gelassen hat. "Wenn der Geschädigte in einem Totalschadensfall eine Reparatur tatsächlich durchführt und diese über den maßgeblichen Schwellenwert hinaus mit eigenen Mitteln bezuschusst, sprechen meines Erachtens keine Gründe gegen die Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten bis zur Grenze der Tunlichkeit in einem solchen Fall."

Die "ökonomische Rationalität" verhindert, dass eine derartige Schadensliquidation zu unangemessenen Ergebnissen führt. Je höher der erforderliche Zuschuss ist, desto geringer ist die Attraktivität dieser Schadensabrechnung. Im Klartext: "Irgendwann rechnet sich das auch für den Geschädigten nichtmehr, er wird auf die Reparatur verzichten und kann dann nur auf der Totalschadensbasis abrechnen."

Verkehrssicherheit ist entscheidend

Das maßgebliche Kriterium für die Reparaturmethode ist nach österreichischem Recht die Verkehrssicherheit. Verkehrssicher ist ein Kfz, wenn es das "Pickerl" erhält. Bei optischen Gebrechen trachten die Versicherungen, mit Smart Repair ihre Kosten niedrig zu halten. "Wenn die Versicherungen den Geschädigten auf Smart Repair verweisen können, wäre es gerade rechtsmissbräuchlich - § 1295 ABGB - das beim Geschädigten als unzulässig anzusehen", sieht Huber in Smart Repair einen smarten Weg, Totalschadensabrechnungen zu unterbinden.

Nagl sieht da seinen Kollegen in der Pflicht. "Die alternativen Möglichkeiten muss man den Kunden verstärkt anbieten", sollten die Werkstätten vor allem in Grenzfällen die Schadenskalkulationen der Versicherungen genau unter die Lupe nehmen. Dabei ist auch der Wiederbeschaffungswert der Totalschadensabrechnung kritisch zu überprüfen.

Manche Experten sehen das Hauptanwendungsgebiet von Smart Repair beiälteren Fahrzeugen, bei denen schon ein relativ geringer Schaden zum Totalschaden führt. Huber ortet eine noch bedeutsamere Fallgruppe: "Ein Fahrzeug wird an unterschiedlichen Stellen beschädigt, z. B. an der vorderen und hinteren Seitentür. Die vordere muss getauscht werden, da sie schwer beschädigt worden ist. Bei der hinteren kommt aber Smart Repair in Betracht. Ob der zusätzliche Schaden an der hinteren Seitentür so oder herkömmlich beseitigt wird -das entscheidet möglicherweise, ob die Schwelle von 110 oder 115 Prozent überschritten wird oder nicht."

Zahlreiche andere Fallkonstellationen sind in diesem Zusammenhang denkbar. "Die Zeitwertreparatur mit Aufzahlungen von Kunden kann da viele Probleme lösen", weiß Nagl auch aus seiner Tätigkeit bei der seit 2006 von AKNÖ und WKNÖ gemeinsam betriebenen Kfz-Schlichtungsstelle. "Da ist noch viel ungenütztes Reparaturpotenzial drinnen", sagt Erik Papinski, Bundesinnungsmeister der Karosseriebautechniker. Er rät seinen Kollegen, die Schadenskalkulation wieder selbst in die Hand zu nehmen. Und damit dem Abwandern von Schadensfälle in die Wrackbörsen ein Ende zu bereiten.

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