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In Chile ist der erste Pickup von Mercedes seit Monaten auf dem Markt, hierzulande steht er seit ein paar Wochen beim Händler. Erste Fahreindrücke der neuen X-Klasse.

Chile ist nicht nur das Land mit der längsten Nord-Süd- Ausdehnung der Welt, sondern auch das mit dem höchsten Pickup- Anteil bei den Neuzulassungen. Fast jeder fünfte Wagen ist dort eine praktische Pritsche, die in der Hauptstadt auch häufig von anzugtragenden Bankern und Geschäftsführern durch die verglasten Häuserschluchten des wirtschaftlichen Zentrums gesteuert werden. Es ist also wenig verwunderlich, dass Mercedes genau diesen Markt für die Präsentation ausgewählt hat, schließlich gilt das durchschnittlich nur 180 Kilometer breite Land bei den Stuttgartern als Testregion für den gesamten südamerikanischen Raum.Kurz: Was hier funktioniert, funktioniert auch anderswo.

kein kind der siebziger Die X-Klasse ist Mercedes" erster Pickup, wenn manüber den von 1972 bis 1976 in Argentinien gebauten und verkauften "La Pickup" auf Basis des "Strich-8" (Baureihe W115) hinwegsieht. Und weil Mercedes stets "das Beste oder Nichts" verspricht, sind die Erwartungen in puncto Anmutung und Verarbeitungsqualität dementsprechend groß. Dabei ist es keinGeheimnis, dass sich die Schwaben bei der Entwicklung mit Nissan zusammengetan haben und auf die technische Basis des Navara vertrauen.

Japan-Barock auf schwäbisch? Die Frage aller Fragen lautet also: Wie viel Mercedes steckt im japanischen Bestseller? Salopp gesagt: mehr als ausreichend! Vor allem an Dämmmaterial. Im Vergleich zu allen anderen am Markt erhältlichen Konkurrenten ist das Geräuschniveau im Innenraum auf extrem niedrigem Niveau. De facto sind wir noch nie in einem derart dick gedämmten Nutzfahrzeug gesessen. Weder Abrollgeräusche oder das Knurren der zum Start erhältlichen Vierzylinder-Diesel stört beim Beschleunigen und Fahren im Übermaß die Ruhe im Innenraum. Neben den augenscheinlichen Unterschieden bei der Optik wurde von den Ingenieuren darüber hinaus auch die Technik angegriffen. So steht die X-Klasse gegenüber dem Navara etwa auf einer breiteren Spur, veränderten Vorder-und Hinterachsen und vertraut vollends auf die in Stuttgart entwickelten elektronischen Assistenzsysteme (Spurhalteassistent, Abstandsregeltempomat, Notbremsassistent etc.). Also nix Nissan im Mercedes? Doch, aber in homöopathischen Dosen. Im Innenraum ist die Verwandtschaft etwa nur an zwei Details -zum einen an der Form der Schaltkulisse, zum anderen am Schalter für die Sitzheizung der Vordersitze -erkennbar. Außen wird es noch schwieriger, da muss man ganz genau hinschauen und auf die Ladefläche steigen. Das Verzurrsystem wurde ebenfalls zu 100 Prozent von Nissan übernommen. Und das ist eine gute Sache, schließlich gehören die verschiebbaren massiven Stahlträger zum Besten, was der Markt zu bieten hat. »

on-&offroad eine Bank Und beim Fahren? Alles im hocherfreulichen grünen Bereich. Die beiden Diesel, die zum Marktstart offeriert werden, leisten 163 und 190 PS und sind hierzulande ausschließlich in Verbindung mit einem zuschaltbaren Allrad (Mercedes verwendet auch hier das Kürzel "4matic") erhältlich. Sie stellen quasi die Vernunftsversionen dar, die jedoch über ausreichend Leistung für alle On- und Offroad- Situationen verfügen. Sowohl mit Handschaltung als auch Automatikgetriebe lässt es sich damit scheinbar mühelos über steile Anstiege, rutschige beziehungsweise geröllvermüllte Passagen oder durch maximal 60 Zentimeter tiefe Wasserdurchfahrtenpflügen. Ebenso wenig hat die X-Klasse ein Problem mit Bergabfahrten, auch dann nicht, wenn sich der Fahrer vor solchen Husarenstücken fast in die Hose macht. Denn in solchen Fällen übernimmt einfach die serienmäßige Bergabfahrkontrolle die Bremsaufgabe und steuert mit einer vordefinierten Geschwindigkeit in Richtung Talsohle.

Potenter v6-diesel in der Pipeline 2018 kommt jedoch erst das schwäbische Sahnestück: Mercedes reicht Mitte des Jahres nämlich den selbstentwickelten V6-Diesel nach, der es faustdick hinter den Ohren haben wird. So wird die V6-X-Klasse etwa über den Antriebsstrang der neuen G-Klasse-Generation verfügen, wobei das komplette Setup, also Motor, Automatik und Allradantrieb in Stuttgart entwickelt wurde. Dazu erhält die 258 PS starke V6-Version ein wiederum adaptiertes Fahrwerk, das den Stern-Pickup zu einem echten Renner macht. In puncto Straßenlage legt der Power-Stuttgarter jedenfalls die Latte im Mid-size-Pickup-Segment auf eine bisher unbekannte Höhe. Bisher haben wir nur ein Mal den mit einem Sportfahrwerk tiefergelegten VW Amarok vom Umrüst-Spezialisten Seikel derart um die Kurven geprügelt, dass uns angesichts der Überraschung Hören und Sehen vergangen sind. Fest steht jedenfalls: Wem die X-Klasse jetzt noch zu wenig Mercedes-like ist, der wird beim V6 fündig werden. «